Die Beklagte betreibt ein Unternehmen mit mehreren Werken, in denen Schienenfahrzeugen instandgehalten und - gesetzt werden. Der Kläger ist Betriebsratsvorsitzender eines der Werke der Beklagten und auch Gesamtbetriebsratsvorsitzender. Die Beklagte hatte den Kläger zunächst freiwillig vollständig von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Später hob die Beklagte die freiwillige Freistellung auf. Nachdem es deshalb zu Meinungsverschiedenheiten mit dem Betriebsrat und dem Kläger kam, leitete die Beklagte am 22. August 2014 ein Beschlussverfahren ein. Sie wollte feststellen lassen, dass der Betriebsrat ohne konkrete Darlegung der Erforderlichkeit keinen Anspruch auf eine pauschale, vollständige Freistellung eines Betriebsratsmitglieds hat, solange die gesetzliche Mindeststaffel des § 38 BetrVG nicht überschritten ist. Dem Antrag der Beklagten wurde am 16. Juli 2015 zweitinstanzlich stattgegeben.
Detektei mit Observation beauftragt
Der Arbeitgeber schenkte dem Vortrag des Betriebsrates in diesem Verfahren keinen Glauben. Denn noch im Verlauf dieses Verfahrens beauftragte die Beklagte eine Detektei mit der Observation des Klägers. In einem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 26. August 2015 führte die Detektei zum Auftragsinhalt und -umfang aus:
"Inhalt des von Ihnen erteilten Auftrages (Oktober bis November 2014) war die Observation des [Klägers] mit dem Ziel vertragswidriges Verhalten bzw. Fehlverhalten im Rahmen seiner Tätigkeit [bei der Beklagten] festzustellen. Im Raum stand der Verdacht des Arbeitszeitbetruges aus einer Zweittätigkeit resultierend. Diesen Verdacht galt es zu verifizieren bzw. zu falsifizieren.
Die Observationen fanden ausschließlich zu den Arbeitszeiten [des Klägers] statt, der private Lebensbereich wurde durch die Ermittlungen nicht tangiert. Es wurden weder Telefonate abgehört noch wurden E-Mails abgefangen, auch sonstige Arten der Korrespondenz wurden nicht überprüft.
Im Zuge der Observationen wurden weder Foto- und/oder Filmaufnahmen [des Klägers] getätigt noch wurde ein sog. Bewegungsprofil erstellt.
Gegenstand der Observation war ausschließlich [der Kläger], andere Personen oder Gemeinschaften wurden nicht überwacht."
Die Detektei stellte der Beklagten für die von ihr übernommene Überwachung des Klägers insgesamt einen Betrag i.H.v. 39.197,85 € netto in Rechnung.
Der Kläger erhielt durch einen anonymen Hinweis Kenntnis von der Überwachung und macht klageweise die Zahlung einer Entschädigung geltend, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
Entschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 27. April 2017, Az.: 5 Sa 449/16) gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung. Es bejahte eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers könne auch dann schwerwiegend verletzt sein könne, wenn ein Arbeitnehmer im Auftrag des Arbeitgebers auch ausschließlich während seiner Arbeitszeit von einer Detektei beobachten werde. Es komme nicht darauf an, dass im Rahmen der Observationen keine Fotografien oder Videoaufzeichnungen angefertigt worden seien. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist "selbstverständlich auch im Arbeitsverhältnis und während der Arbeitszeit zu beachten". Hätte es sich um staatliche Überwachung gehandelt, wäre eine Genehmigung eines Richters erforderlich gewesen. Dem Arbeitgeber dürften aber nicht weitergehende in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zugestanden werden, als sie bei Inanspruchnahme staatlicher Organe zulässig wären. Nach Ansicht des Gerichts trat der Umstand verschärfend hinzu, dass die Beklagte die heimliche Observation des Klägers während des von ihr eingeleiteten arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens beauftragt hat. Auch habe kein Anlass für die Observation vorgelegen.
Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung stellte das LAG entscheidend auf die lange Dauer und Intensität der Überwachung ab. "Von der Höhe der Geldentschädigung muss ein echter Hemmungseffekt ausgehen", so das Gericht und hielt eine Geldentschädigung i.H.v. 10.000,00 € für angemessen, aber auch ausreichend, um den Gesichtspunkten der Genugtuung und Prävention hinreichend Rechnung zu tragen.
Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.
Auch das Bundesarbeitsgericht hat zuletzt in mehreren Entscheidungen das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer gestärkt und die Voraussetzungen für den Einsatz von Detektiven zur Überwachung von Arbeitnehmern eingeschränkt. Die Ergebnisse unzulässiger Überwachungsergebnisse sind regelmäßig nicht verwertbar. Ferner kann, wie der vorliegende Fall zeigt, der betroffene Arbeitnehmer in solchen Fällen Schmerzensgeld geltend machen. (oe)
Lesetipp: Darauf sollten Sie bei der Videoüberwachung achten