Unklare Gesetzeslage

Dem Streit um Mitarbeitererfindungen vorbeugen

22.06.2016 von Renate Oettinger
Erfindungen von Mitarbeitern im Dienst haben ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotenzial – gerade in Vergütungsfragen. Deshalb sollten rechtzeitig individuelle Vereinbarungen getroffen werden, sagen Dr. Gabriele Hußlein-Stich und Thomas Ritter.

Ob das Arbeitnehmererfindungsgesetz anwendbar ist oder nicht, es sollte nicht auf die vermeintliche Klarheit der Gesetzeslage vertraut werden. Dies zeigt auch der folgende vor dem OLG Frankfurt am Main entschiedene Fall. Derartige Konflikte hemmen die Innovationskraft.

Angemessene Vergütung im Zweifel auch für freie Mitarbeiter

Auch einem freien Mitarbeiter steht im Zweifel ein Anspruch auf eine angemessene Erfindervergütung zu, wenn er im Rahmen seiner Tätigkeit für den Dienstherrn eine Erfindung macht, die der Dienstherr zum Patent anmeldet und sodann benutzt. Zur Berechnung dieser Vergütung kann der freie Mitarbeiter zudem Auskunft über den Umfang der Benutzungshandlungen verlangen.

Geistesblitze lohnen sich: Erfinden Mitarbeiter eines Unternehmens neue Produkte, steht ihnen in der Regel eine Vergütung zu.
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Darauf verweisen die Nürnberger Fachanwältin für Arbeitsrecht und Vizepräsidentin des Verbands deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VdAA e. V.), Dr. Gabriele Hußlein-Stich, und Thomas Ritter, Rechtsanwalt sowie Wirtschaftsmediator mit den Schwerpunkten Gewerbliche Schutzrechte, Wettbewerbsrecht und Urheberrecht, unter Hinweis auf ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 3. März 2016 (Az.: 6 U 29/15). Das Urteil zeigt, dass stets zu Beginn eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses klare Regelungen getroffen werden sollten, um derartige Konflikte zu bannen.

Der Kläger verlangte von der Beklagten eine Erfindervergütung wegen der Verwertung mehrerer Patente, die im Zeitraum der gemeinsamen Zusammenarbeit zugunsten der Beklagten registriert worden sind. Nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main stehen dem Kläger entgegen der erstinstanzlichen Ansicht dem Grunde nach aus § 612 BGB Vergütungsansprüche wegen der Nutzung des Patents durch die Beklagte zu, weswegen die Beklagte gemäß §§ 242, 259, 611 BGB Auskunft über die damit durchgeführten Geschäfte erteilen muss.

Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses entscheidend

Für die Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang eine Vergütung für die Überlassung einer Erfindung oder des Benutzungsrechts zu zahlen ist, muss grundsätzlich auf das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis zurückgegriffen werden. Die Vereinbarung beider Parteien sah keine Regelungen für streitgegenständliche Erfindung vor. Hieraus könnte man zwar ableiten, dass der Kläger mangels gegenteiliger Regelung verpflichtet war, seiner Dienstherrin etwaige Erfindungen, die er im Rahmen dieser Tätigkeit gemacht hat, anzudienen.

Wie das OLG Frankfurt jedoch ausführt, kann daraus allerdings nicht abgeleitet werden, dass der Mitarbeiter dazu verpflichtet gewesen wäre, dies vergütungsfrei zu tun. Bei Dienstverhältnissen gilt vielmehr § 612 Abs. 1 BGB, wonach eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung "den Umständen nach" nur gegen Vergütung "zu erwarten" ist.

Für außergewöhnliche Leistungen, die über den vertraglichen Rahmen hinausgehen, gebührt also auch dem freien Mitarbeiter in der Regel eine Vergütung.

Diensterfindungen sind von enormer wirtschaftlicher Bedeutung.

Erfindungen von Mitarbeitern sind in wirtschaftlicher Hinsicht entscheidend. Nach der Statistik des Deutschen Patent- und Markenamtes werden jährlich ca. 65.000 Patente und rund 15.000 Gebrauchsmuster eingetragen. Schätzungsweise 80 Prozent der eingereichten Patentanmeldungen gehen auf Erfindungen zurück, die Mitarbeiter gemacht haben. Gemessen an der Einwohnerzahl werden in Bayern die meisten Patente angemeldet. Für die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen kommt es also zunehmend darauf an, durch ein modernes Innovationsmanagement die Chancen des technischen Vorsprungs zu ergreifen.

Erhöhtes Konfliktpotenzial: Vergütungshöhe

Den Umgang mit Arbeitnehmererfindungen regelt das sog. Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbnErfG). Dieses findet mangels Arbeitnehmerstatus grundsätzlich keine Anwendung auf freie Mitarbeiter. Das Oberlandesgericht stellt in obiger Entscheidung dennoch klar, dass auch dem freien Mitarbeiter - so wie dem Arbeitnehmererfinder - eine angemessene Vergütung grundsätzlich zukommt.

Besteht nun ein Anspruch auf Vergütung, so stellt sich die Frage nach der Höhe einer angemessenen Vergütung. Diese Frage stellt jedoch Arbeitgeber und Arbeitnehmer trotz gesetzlicher Regelungen immer wieder vor Schwierigkeiten (§§ 9 iVm § 11 ArbnErfG). Nimmt der Arbeitgeber beispielsweise eine Diensterfindung unbeschränkt in Anspruch, gehen nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz zwar die vermögenswerten Rechte an der Erfindung auf den Arbeitgeber über. Zur Bemessung der Höhe der Vergütungsansprüche bestehen allerdings verschiedene Möglichkeiten - und damit ebenso Reibungspunkte.

Das Bundesministerium für Arbeit hat beispielsweise nach Anhörung der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer Richtlinien über die Bemessung der Vergütung erlassen (§ 11 ArbnErfG). Ob diese auch heute noch den Anforderungen des Einzelfalls gerecht werden, muss bezweifelt werden. Unabhängig davon steht es den Vertragsparteien frei, individuelle Vereinbarungen zu treffen. Dies sollte auch favorisiert werden, um wirtschaftliches Potenzial nicht durch spätere Rechtsstreitigkeiten zu behindern.

Konfliktprävention statt Prozessieren

Zu Beginn eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses sollten klare und leistungsgerechte Vereinbarungen über Diensterfindungen getroffen werden - unabhängig von der Anwendbarkeit des Arbeitnehmererfindungsgesetzes. Dies zeigt wiederum auch der vom OLG Frankfurt am 03.03.2016 entschiedene Fall.

Wer es veräumt, frühzeitig entsprechende Vereinbarungen zu treffen, dem drohen Konflikte. Deshalb sollten stets in jedem Stadium des Konflikts die verschiedensten Einigungsmöglichkeiten eruiert und erwogen werden. Auch der Gesetzgeber hat dies erkannt und für die Geltendmachung von Rechten an einer Arbeitnehmererfindung ein Verfahren vor der Schiedsstelle vorgeschalten (§ 37 ArbnErfG). Die Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts unterbreitet dann zunächst einen Einigungsvorschlag, um zwischen den verschiedenen Interessen beider Parteien zu vermitteln. Ist eine Einigung nicht möglich, so muss der Rechtsweg beschritten werden. Die Vergütungsansprüche verjähren spätestens nach drei Jahren.

Rahmenbedingungen für Innovation und Kreativität schaffen

Technische Verbessungsvorschläge, die nicht nicht patent- oder gebrauchsmusterfähig sind, fallen ebenso wenig wie Vergütungsansprüche eines freien Mitarbeiters in den Anwendungsbereich des Arbeitnehmererfindungsgesetzes. Auch diesbezüglich sollten rechtzeitig im Zeichen eines modernen Innovationsmanagements Regelungen zum betrieblichen Vorschlagswesen geschaffen werden. Ein betriebliches Vorschlagswesen kann für ein kreatives und innovatives Betriebsklima sorgen. Durch geeignete Regelungen können Anreize geschaffen, wirtschaftliches Potential genutzt und Konflikte im Vorfeld vermieden werden.

Dr. Gabriele Hußlein Stich ist Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Vizepräsidentin des Verbands deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VdAA).

Thomas Ritter ist Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator (MuCDR) und Datenschutzbeauftragter (DSB-TÜV).

Kontakt:

Kanzlei Dr. Scholz & Weispfenning Rechtsanwälte - Partnerschaft, Königstorgraben 3, 90402 Nürnberg, Tel.: 0911- 244370, E-Mail: kanzlei@scho-wei.de, Internet: www.scho-wei.de