Es ist ein kleiner Schnitt für den Markt, aber ein großer Schritt für Dell. Denn was dem Hersteller von Anfang an ein Alleinstellungsmerkmal sicherte - die individuelle Konfiguration wirklich aller Komponenten für PCs und Notebooks ab der Stückzahl Eins - ist im B2B-Bereich auch für Dell zum Luxus geworden. Ursache dafür ist der rapide Preis- und Margenverfall. Dell hat daraus die Konsequenzen gezogen und das BTO-Programm in diesem Segment umgestellt. Eine offizielle Stellungnahme dazu gibt es trotz mehrfacher Nachfrage von ChannelPartner bis zur Stunde nicht.
Was sich ändert
Bislang gewährte Dell für die individuell konfigurierbaren Business Clients den Partnern bereits ab der Stückzahl Eins Projektpreise. Das ist ab sofort erst ab einer Mindestabnahme von zehn PCs oder Notebooks möglich. Gleichzeitig hat der Hersteller den inzwischen auf mehr als 400 - allesamt individualisierbare - Modelle angeschwollenen Geräte-Park im Client-Bereich verschlankt. Die gängigsten Konfigurationen wurden als Standardsysteme mit günstigeren Standard-HEKs und UVPs in den neuen "Smart Selection"-Katalog aufgenommen. Alle Angebote aus diesem Katalog können auch einzeln geordert werden. Bis zu einem gewissen Grad lassen sich selbst die Smart-Selection-Modelle noch anpassen, beispielsweise wenn der Kunde die standardmäßig gewährte Garantie von drei Jahren auf vier Jahre erhöhen möchte.
An der Möglichkeit zur Projektregistrierung ändert sich nichts. Der Partner kann sowohl für BTO- als auch für Smart-Selection-Modelle Projekte registrieren und damit schützen lassen - unabhängig von der Stückzahl. Das gilt gleichermaßen für Aufträge, die BTO- und Standardmodelle kombinieren sowie für alle Add-On-Produkte. Ebenfalls unverändert können Reseller wählen, ob sie die Produkte über Dell direkt oder über die Distribution beziehen möchten.
Channel reagiert gelassen
Die Anpassungen sorgen bislang im Channel für keine große Aufregung - im Gegenteil: "Die Standard-B2B-PCs erfüllen den Bedarf von Mittelstandskunden absolut und sowohl qualitativ als auch preislich attraktiv", sagt ein langjähriger Partner, der nicht namentlich genannt werden will. Obendrein entfalle der Aufwand für die Detailkonfiguration. "Insgesamt lässt sich damit eine höhere Marge erwirtschaften", so sein Fazit. Auch die Kunden profitierten: "Für ein größeres Projekt war es in der Vergangenheit kaum möglich, beispielsweise alle 150 per BTO gefertigten PCs zu einem einzigen festen Termin anzuliefern. Meist erhielt sie der Kunde in mehreren Tranchen. Bei der Auslieferung der Standard-Modelle ist dieses Problem gelöst".
ACP-Vorstand Peter Zach geht außerdem von erheblich kürzeren Lieferzeiten aus. "Es liegt in der Natur der Sache, dass an dieser Stelle BTO nie mit Smart Selection mithalten kann." Auch die Dell-Partner Bechtle und Sandata melden: "Kein Problem".
Troy Rass, Geschäftsführer der sysLogixx GmbH ist dagegen nicht immer glücklich mit der Konfiguration einzelner Standard-PCs. "Man hätte ja vielleicht vorher mit den Partnern darüber sprechen können, welche Ausstattung von den Kunden häufig verlangt wird."
Für viele Partner sind Dells Anpassungen im BTO-Programm keine Überraschung: "Angesichts der Margensituation kann Dell gar nicht anders reagieren. Sachlich betrachtet wird sich der gesamte Markt in diese Richtung entwickeln müssen", sagt Rolf Braun, Vorstand des Mannheimer Systemhauses Cema.
Dell schaltet bei BTO einen Gang zurück - und bietet künftig exakt das an, was bei HP, Lenovo & Co schon immer als Standard akzeptiert war. Dennoch muss sich Dell für diese Entscheidung gegenüber manchem Partner und Kunden erst einmal rechtfertigen, weil sie von Dell in der Vergangenheit anderes gewohnt waren.
"Jetzt ist Dell mit den anderen großen Herstellern vergleichbar. Es gab schon Kunden, die uns gegenüber genau dieses Argument anführten und meinten, dass sie nun genauso gut zu einem anderen Anbieter wechseln könnten", erzählt sysLogixx-Geschäftsführer Rass von seinen Erfahrungen.
Partner wie ACP, Bechtle oder Cema zeigen Verständnis. Cema beispielsweise arbeitet bereits seit 1992 mit Dell zusammen und hat alle strategischen Umbrüche des Herstellers erlebt. Neben der Flexibilität bei der Systemkonfiguration, war für Cema-Vorstand Rolf Braun vor allem auch Dells Logistik-Kompetenz entscheidend, die Partnerschaft über so viele Jahre hinweg zu pflegen. "Dell hat es immer verstanden, Prozesse enorm schnell und effizient zu gestalten. Das war auch der Grund, weshalb Dell das Thema BTO so exzellent beherrscht wie kein anderer", lobt der Manager. Die Margenentwicklung im PC- und Notebook-Bereich sei aber an einem Punkt angelangt, an dem selbst mit der effizientesten Prozesskette der bisherige Grad an Individualisierung nicht mehr wirtschaftlich abzubilden ist. "Der Endkunde ist nicht bereit, bei kleinen Stückzahlen für diese Leistung zu bezahlen, deshalb bekommt er jetzt eine standardisiertere Variante. Manche Empörung rührt auch daher, dass Dell-Kunden es gewohnt sind, auch bei winzigen Stückzahlen komplett individuelle Geräte ordern zu können. Aber sie sind eben nicht mehr bereit, dafür zu zahlen."
Vorboten für Einschnitte bei Server-BTO?
Unklar ist, inwieweit künftig auch die BTO-Server unter Druck geraten und Dell deshalb das Smart-Selection-Programm auch auf die Server übertragen könnte. Eine solche Entscheidung stieße bei Partnern allerdings auf Widerstand: "Wenn künftig beispielsweise nur noch Blade-Server individuell konfigurierbar wären und es die Standard-Intel-Server nur noch von der Stange gibt, wäre das ein echter Nachteil für Reseller, die im Lösungsgeschäft ihr Geld verdienen", schätzt Cema-Chef Braun. Denn hier steht nicht der Server im Zentrum, sondern eine individuelle Lösung beispielsweise für ein Virtualisierungsprojekt. " Und da wird sehr oft ein sehr individuell konfigurierter Server benötigt", berichtet Braun.
Selbst wenn die Konfiguration der Server-Modelle im "Smart Selection"-Katalog weitaus seltener wechselten als bei den Notebooks - sie würden immer mit den Laufzeiten eines Kundenprojekts kollidieren. Das heißt: Bis der Deal zum Abschluss kommt, ist die vom Kunden gewählte Konfiguration möglicherweise schon nicht mehr verfügbar.
Dennoch befürchtet Braun, dass es über kurz oder lang auch bei den Low-End-Servern zur "BTO-Standardisierung" kommen wird. ACP-Chef Zach hingegen rechnet zwar damit, dass der Trend zur Standardisierung weiter gehen, das Server-BTO-Programm aber bleiben werde.
Dell hat den Dreh zur Channel Company gemeistert
Die Partner reagieren nicht nur sehr gelassen auf die Änderungen im B2B-BTO-Programm, sondern zeigen sich auch sichtlich zufrieden mit Dells Gesamtstrategie und den Maßnahmen, die der Hersteller in den vergangenen Jahren zugunsten des indirekten Vertriebs umgesetzt hat. "Die Einbindung von Value Added Distributoren wie der ADN und TIM hat uns im Storage & Server-Geschäft einen echten Mehrwert gebracht, weil sie uns Zugriff auf zusätzliche technische Ressourcen ermöglichen und wir gleichzeitig auch Kosten sparen. Auch die Zusammenarbeit mit Siewert & Kau im Client-Bereich funktioniert hervorragend", berichtet ein Partner, der nicht namentlich genannt werden will.
Längst überwunden sind den Partner zufolge auch die anfänglichen Probleme bei der Deal-Registrierung. "Das läuft inzwischen tipptopp", berichtet ein Systemhausverteter. Die Reaktionszeit liege verlässlich unter 48 Stunden, Konflikte mit dem Direktvertrieb gebe es nicht mehr. Das bestätigten auch Partner wie ACP und Cema. "Dell hat es sehr gut verstanden, den Channel für sich zu gewinnen, die Programme entstanden unter Mitwirkung der Partner, die ganze Ausrichtung stimmt", zieht -Vorstand Peter Zach Bilanz.Ähnliches ist von zahlreichen anderen Partnern zu hören.
Es scheint fast, als sei Dell vom ehemaligen Klassenfeind zum Musterschüler mutiert.