Internet of Things

Datenintegration bei IoT dauert noch 20 Jahre

09.02.2017 von Werner Kurzlechner
Es gibt fast so viele Datenformate wie Sensoren. Standards gibt es keine. Unternehmen sollten trotzdem behutsam mit IoT loslegen, rät IT-Experte Thomas H. Davenport.
 
  • Abwartende Haltung ist durchaus gesund
  • Fragmentierung der Technologie bleibt noch lange ein Problem
  • Entwicklung neuer Sensoren schneller als jene von Datenstandards
  • Autonomes Fahren ist eine Musterbeispiel für die Gesamtsituation
Muss beim Internet der Dinge an Durchhalteparolen aus dem Kriegszeiten denken: Thomas H. Davenport vom Babson College.
Foto: SAPInsider/DataInformed

"Keep Calm and Carry On" - das ist eine britische Durchhalteparole aus Weltkriegszeiten. Thomas H. Davenport, IT-Professor am Babson College und Autor häufig verkaufter Bücher über Analytics und Big Data, fällt just diese Parole als Metapher für das Internet of Things (IoT) ein. Im Grunde konterkariert Davenport damit jegliche Erwartungen, das Internet der Dinge könne sich als unkompliziertes Hype-Thema eignen. Im Gegenteil.

"Zumindest mit etwas IoT-Analytics jetzt anfangen"

Das IoT, so die These des Experten, wird den Anwendern noch sehr viel Geduld abverlangen. Denn Jahrzehnte noch wird es dauern, bis diese Technologie ihr Potenzial voll entfaltet. Solange nichts zu tun, kann aber auch keine Lösung sein. Deshalb lautet Davenports Empfehlung: "Nicht abwarten; mit zumindest etwas IoT-Analytics jetzt anfangen."

Davenport formuliert diese Gedanken im Special Report "State of the Internet of Things" von SAPInsider und DataInformed. Gesponsert ist diese kleine Bestandsaufnahme von Hewlett Packard Enterprise, Novigo und RedHat. Für CIOs interessant ist insbesondere der Essay von Thomas Davenport.

Datenintegration ist das zentrale Problem

Dieser macht als zentrales IoT-Problem die Datenintegration aus und veranschlagt rund 20 Jahre ab jetzt, bis hierzu eine einigermaßen umfassende Lösung gefunden ist. Vor diesem Hintergrund sei es zwar klug, mit dem Einsatz von IoT-Lösungen in gesundem Maße abwartend zu sein. "Aber es ergibt keinen Sinn zu warten, bis alle relevanten Daten verfügbar sind, bevor man mit Analytics weitermacht", schreibt Davenport.

Ja, so der Autor weiter: Es wäre großartig, Dashboards oder Prognosemodelle zu haben, die jedes von einem Sensor gemessene Phänomen in einem Fahrzeug oder einem Gebäude adressieren könnten. Aber es werde eben noch Jahrzehnte dauern, bis das Realität sein wird. "Deshalb sollte man aus jeglichen Sensordaten, die einem zur Verfügung stehen, jetzt sofort etwas möglichst sinnvolles machen", rät der Experte. Strategisch lautet die Devise: Bis zum Durchbruch wird es dauern. Taktisch ist deshalb geboten, die kleinen erreichbaren Gewinne mitzunehmen.

Viel Technologie und viel Fragmentierung

"Die Gründe für die Notwendigkeit von Geduld mit IoT sind der unglaublich große Umfang der Technologie und die Fragmentierung ihres jetzigen Zustandes", erläutert Davenport. "Die Zahl an Sensoren, Datenformaten und möglichen Nutzungen von Daten ist enorm - und das gilt genauso für das Volumen an produzierten Daten."

Verfeinerte Datenanalysen in diesem Bereich gibt es nach Ansicht des Forschers deshalb noch kaum, weil zuerst eine Datenintegrationsinitiative nötig ist. Diese freilich nicht in einzelnen Unternehmen, sondern weltweit - und zwar für jedes einzelne Feld, in dem das IoT relevant ist.

Beispiel Autobranche - Geduld bewahren

Davenport illustriert am Beispiel der Automobilindustrie, was er meint. Das IoT-Potenzial in dieser Branche ist immens, selbst wenn man die Möglichkeit des autonomen Fahrens ausblendet. Auch im klassischen Verkehr mit konventionellen Fahrern bestehen hinsichtlich Verkehrssteuerung, Reparaturen und neuen Versicherungsmodellen große Verbesserungsspielräume. Ungleich mehr ist selbstverständlich beim autonomen Fahren möglich - mit der unabdingbaren Voraussetzung, dass die Sensoren in allen Autos miteinander und mit Verkehrs- und Wettersystemen kommunizieren können.

Angesichts des Hypes um das Thema und der erkennbar großen Anstrengungen der Hersteller neigt man dazu, diese Vision einfach einmal in wenigen Jahren zu erwarten. Thomas Davenport mahnt hier mit guten Argumenten zur Geduld. Schon heute gebe es in den Fahrzeugen 100 bis 200 Sensoren, die allerdings nicht miteinander kommunizieren. Dem 20 Jahre alten US-Standard OBD-II entspräche lediglich ein Bruchteil der Sensorendaten, die in Autos generiert werden.

"Fast so viele Datenformate wie Sensoren"

"Es gibt fast so viele Datenformate wie Sensoren und keinen Weg, alle diese Daten zusammenzuführen", umreißt Davenport das Problem. "Die Entwicklung neuer Sensoren schreitet viel schneller voran als die Entwicklung von Datenstandards."

In anderen IoT-Domänen wie Flugzeugen, Wohnungen, Büros und Industrie 4.0-Fabriken sei die Lage nicht anders, so der Experte. Zum Überfluss an IoT-Daten und Interoperabilitätsstandards komme noch der Wettbewerb der Software-Anbieter. Diese versuchten zwar im Namen der Anwender die nötige Integration hinzubekommen. Das Problem dabei: Es existieren sehr viele Wettbewerber - und es ist überhaupt nicht absehbar, welche Plattformen sich am Ende durchsetzen werden.

Pragmatismus und Ruhe sind gefragt

Wer angesichts dieser Gemengelage versucht, von der umfassenden Datenintegration und Datennutzung zum Beispiel für ein ganzes Haus, ein Auto oder den menschlichen Körper geschäftlich zu profitieren, muss sich auf jahrelange Anstrengungen einrichten. Er kann durchaus erfolgreich sein, so Davenport. Aber am Ende kann es immer noch sein, dass er sich für den falschen Standard oder die falsche Plattform entschieden hat.

Davenport rät deshalb zu Beschränkung und Pragmatismus. Anwender sollten sehr wohl schnell IoT nutzen. Aber eben jene IoT-Daten, aus denen in einer absehbaren Zeitspanne Kapital zu schlagen ist. Es gehe um kleine Gewinne, die einem als Wegweiser dienen können, sobald man die IoT-Aktivitäten in weitere Bereiche ausdehnen will.