Verbesserungen gefordert

Datenbrillen im Feldtest

15.05.2015 von Philipp Emmenegger
Mit Datenbrillen wie Google Glass könnten Mitarbeiter auf Montage und im Außendienst effizienter arbeiten, heißt es. Doch für den Praxiseinsatz sind die Smart Glasses noch nicht gut genug.

Kein anderes Wearable hat für mehr Schlagzeilen gesorgt als Google Glass, die internetfähige Datenbrille des Suchmaschinengiganten Google. Die ersten Anwender wurden weder vom Preis von 1.500 Dollar noch von der Tatsache abgeschreckt, dass Google Glass nur als Beta-Version verfügbar war.

Wearables wie Datenbrillen haben vor allem im Außendienst großes Potenzial.
Foto: Coresystems AG

Erste Reaktionen aus den Reihen der Verbraucher waren jedoch gemischt. Im Vordergrund standen vor allem Bedenken bezüglich des Datenschutzes. Der Einsatz von Google Glass in Pilotprojekten im Arbeitsumfeld hingegen zeigte vielversprechende Ergebnisse. Auch wenn die erste Version von Google Glass bereits vom Markt genommen worden ist, haben Datenbrillen vor allem im Field Service Management großes Potential. Anbieter wie Vuzix und Sony ziehen nach.

Google Glass im Test

Im April letzten Jahres hat Google Glass at Work lanciert, um Entwickler dazu zu animieren, Enterprise-Apps zu entwickeln. Pilotprojekte liefen an verschiedenen Orten, darunter zum Beispiel am Beth Israel Deaconess Medical Centre in Boston, Massachusetts. Dort verwendeten Ärzte Google Glass, um auf die Krankenakten von Patienten zugreifen zu können und gleichzeitig beide Hände frei zu haben. Auch Virgin Atlantic führte erfolgreich einen Pilotversuch durch: Mit Google Glass konnte das Unternehmen seinen Business Class-Gästen einen massgeschneiderten Service bieten. Und bei VW wird aktuell die Datenbrille in der Logistik getestet, um Lagerarbeitern das Herauspicken der richtigen Bauteile zu erleichtern.

Die IT-Beratungs- und Marktforschungsfirma Gartner schätzt, dass Smart Glasses in der Field Service-Industrie viel bewirken können. Laut den Forschern könnten Datenbrillen bis im Jahr 2017 zu einer deutlichen Steigerung der Effizienz führen und dadurch die Industriegewinne um eine Milliarde US-Dollar jährlich erhöhen.

Datenbrille erleichtert die Arbeit von Servicetechnikern

Es ist offensichtlich, wie Smart Glasses Servicetechniker bei ihrer Arbeit unterstützen und zur Effizienzsteigerung führen können. Ein Servicetechniker, der Smart Glasses trägt, könnte damit durch einen komplexen Reparatur- oder Wartungsprozess geführt werden. Er könnte das fehlerhafte Teil betrachten und sofort dessen Verlauf, zugehörige Handbücher oder Warenbestände abrufen. Bei sehr komplexen Prozessen könnte der Techniker mithilfe der Datenbrille einen Kollegen anrufen und gemeinsam mit ihm via Live-Stream das Problem lösen. Gleichzeitig könnten die Messwerte aufgezeichnet und in Echtzeit an das Backend-System übertragen werden. Schließlich lässt sich per Videoaufzeichnungen und Fotos aufzeigen, ob der Auftrag vorschriftsgemäß und unter Einhaltung der Sicherheitsrichtlinien ausgeführt wurde.

Wearables im Business-Einsatz
Vuzix M100
Reparatur und Wartung sind neben der Lagerarbeit ein starker Fall für Smart Glasses wie die Vuzix M100. Die Brille nimmt dabei nicht nur wichtige Informationen auf, sondern vermittelt dem Fachmann auch solche.
Vuzix M100 II
Die Datenbrillen zeigen den Mitarbeitern die Position der gesuchten Ware im Lager.
Vuzix M100 III
Die entsprechende Software für die Datenbrillen hat beispielsweise SAP entwickelt.
Marktaussichten
Noch sind Sport-und Fitness-Tracker ganz weit vorn im Wearable-Markt. ABI Research zufolge werden sich bis 2017 aber Smartwatches an die Spitze drängen. Der Gesamtmarkt soll sich bis 2018 ungefähr verzehnfachen
Hands free
Ob im Warenlager, bei der Kommissionierung oder Wartung von Maschinen, erlauben Smart Glasses das freihändige Arbeiten....
Hands free II
SAP hat mit Brillen von Google und Vuzix schon entsprechende AR-Lösungen vorgestellt.
Google
Im Ausland kann sich beim Lesen von Straßenschildern die Übersetzungshilfe von Google Glass bezahlt machen. Gleiches gilt natürlich auch im Lager. Denn Postsprache ist immer noch Französisch.
Google II
Google Glass ist noch gar nicht auf dem Markt, dennoch wurden wie hier von Onoffre Consulting am brasilianischen Instituto Lubeck schon mehrere OPs damit geführt, oft über Hunderte von Kilometern.
Google III
Ein Szenario, das Google für die eigenen Smart Glasses mit integriertem GPS aufzeigt, ist die Navigation einschließlich Anzeige von Mautstellen.
Metaio
AR-Spezialist Metaio hat im September 2013 die erste interaktive Bedienungsanleitung auf Google-Glass-Basis mit neuer 3D-Tracking-Technologie vorgestellt.
Metaio II
Vorläufer der Metaio-Lösung ist die eKurzinformation für Audi.
Navigationsjacke
Ein australisches Unternehmen namens We:Ex (Wearable Electronics) hat unter anderem diese Navigate Jacket entwickelt, welche die Trägerin über optische und haptische Signale sicher zum Ziel führen soll.
BioHarness
Zephyrs Bioharness 3 wird zusammen mit dem PSM Responder ECHO im amerikanischen Profisport zu Trainingszwecken eingesetzt.
Smartwatches
Smartwatches wie die Samsung Galaxy Gear, Sony Smartwatch 2, Pebble und Co. werden meist als reine Consumer-Gimmicks gesehen. Gepaart mit Health oder Fitness Tracking wird daraus aber auch schnell ein B2B-Fall.
Adidas MiCoach
Dieses MiCoach genannte System von Adidas wird unter anderem zum Training der deutschen Fußballmannschaft im Vorfeld der WM 2014 in Brasilien eingesetzt.
Zeiss Cinemizer Oled
Zeiss Bajohr Lupenbrille
Die 3D-Brillen von Zeiss werden unter anderem als Ablenkung bei Angstpatienten eingesetzt.

Realität und Möglichkeit bei der Anwendung

Sich eine Zukunft mit Smart Glasses auszumalen ist zwar aufregend, doch zwischen Realität und Möglichkeit liegt noch ein weiter Weg. Einige der Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, haben smarte Gläser getestet. Die Einsatzgebiete reichen von hochindustriellen und gefährlichen Umgebungen bis hin zu alltäglicheren Umfeldern.

Fazit: Noch Verbesserungsbedarf

Die Tests lieferten einen Vorgeschmack darauf, wie die Zukunft aussehen könnte. Gleichzeitig ist klar, dass noch einiges passieren muss, bis Techniker mit Datenbrillen ausgerüstet werden und ihre Arbeit zuverlässig verrichten können. Das gilt vor allem für jene, die unter schwierigen Bedingungen und in gefährlichen Umgebungen arbeiten. Unsere Tester haben eine Wunschliste an Funktionen zusammengestellt, die verbessert werden müssen, bevor Datenbrillen im Field Service eingesetzt werden können:

Diese Ergebnisse zeigen den Herstellern auf, dass sie für den "at work"-Einsatz noch weitere Hausaufgaben machen müssen. (bw)