Ein Arzt hätte wohl keine Patienten mehr, wenn er statt einer gründlichen Untersuchung jedem Kranken umgehend auf Best-Practice-Basis eine Reihe von Medikamenten verschreiben würde, die der Patient nacheinander einnehmen soll. Doch genau nach dieser Strategie gehen viele Online Marketeer vor, wenn es um die Gestaltung und Conversion-Optimierung ihrer Webseiten geht: Ein Best-Practice-"Mittel" nach dem anderen wird ausprobiert. So werden Veränderungen herbeigeführt, ohne dass zuvor ein Testing gemacht wurde. Doch nur ein daten- und erkenntnisgetriebenes Vorgehen garantiert nachhaltigen Erfolg in der Conversion-Optimierung. Das setzt jedoch eine gründliche Problemanalyse voraus.
Wenn die Conversion trotz Optimierung sinkt
Viele Shop-Betreiber werden das kennen: Um die Konversionsrate zu erhöhen, wird die Eingabemaske für persönliche Daten umgebaut. Der Betreiber gruppiert Eingabefelder, kennzeichnet Pflichtfelder eindeutig, ermöglicht die Eingabe einer abweichenden Lieferanschrift und setzt das Bemerkungsfeld etwas mehr in den Hintergrund. Doch die Konversionsrate sinkt. Bevor nun der nächste Versuch unternommen wird, sollte sich der Shop-Betreiber die Frage stellen, was schief gelaufen ist. Besser noch: Was hätte eine vorherige Analyse verändert?
Eine Zieltrichter- oder auch Funnel-Analyse hätte offenbart, ob und wo im Bestellprozess angesetzt werden sollte. Dabei hätte die Eingabe der persönlichen Daten eventuell gar nicht die oberste Priorität erhalten. Auf jeden Fall hätte die Analyse den Schritt identifiziert, an dem die meisten Webseitenbesucher abspringen. So hätte der Shop-Betreiber erfahren, ob zum Beispiel die Interaktion Schwierigkeiten bereitet oder gar vor einer Nutzung abschreckt. Hierüber gibt die Abschickrate Auskunft.
Um tiefer in die Problemanalyse vorzudringen, untersucht er zusätzlich die Bearbeitungsdauer und Abbruchquote pro Feld und stellt fest: Es ist ganz offensichtlich die Landesauswahl, die bei ihm zum Abbruch führt. Ein Klick auf die Liste der dazugehörigen Besucher hätte sogar die vermeintliche Ursache aufgedeckt, nämlich die mangelnde Liefermöglichkeit außerhalb der DACH-Region. Der Schlüssel zu einer höheren Konversionsrate hatte in diesem Fall also überhaupt nichts mit der Benutzeroberfläche zu tun. Das bedeutet, dass die anfangs vorgenommene UX-Optimierung auch nicht den gewünschten Erfolg erzielen konnte.
Kein Test ohne echte Hypothese
Ebenso hilft eine UX- und Feedback-Analyse bei der Ursachenforschung, wenn zum Beispiel ein Webseitenbetreiber, der seinen Online-Auftritt nach dem Relaunch am Onepager-Konzept orientiert, plötzlich eine sinkende Konversionsrate feststellt, obwohl sich die Startseite wesentlich aufgeräumter präsentiert als vor dem Relaunch und eine gradlinige Hierarchie hinsichtlich der Call-to-Action-Elemente bietet.
Jedoch offenbart die sogenannte Scrollmap, dass nur ein geringer Teil der Webseitenbesucher unter die "Fold" scrollen und somit die relevanten Call-to-Action-Elemente überhaupt erst sieht. Zusätzlich ergibt die Feedback-Analyse, dass die Besucher mehr "an die Hand" genommen werden müssen. Die Lösung: eine permanent sichtbare Message Bar mit Zugang zu einer Guided Tour.
Ohne eine Problemanalyse ist Testing und Konversionsoptimierung reines Glücksspie, kein Test ohne echte Hypothese. Folgende Vorgehensweise hat sich dabei bewährt:
Weil wir erkannt haben, dass (Data, Feedback, Beobachtung), erwarten wir, wenn wir für (die Zielgruppe) folgendes verändern (Variation), diese Verbesserung eintritt (Beschreibung des Nutzerverhaltens), die wie folgt gemessen werden kann (Kennzahl, Ziel).
Segmentierung und Signifikanz
Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Zielgruppe zu legen, denn speziell bei der Web- und Testanalyse wird häufig mit Durchschnittswerten operiert, die eine etwaige Heterogenität der jeweiligen Zielgruppe nur unzureichend wiedergeben. Wenn ein Kunde 2 und der andere 1,50 m groß ist, wird der Online-Mode-Shop nicht glücklich, wenn er Kleidung für 1,75 m große Menschen anbietet.
Die Lösung heißt Segmentierung. Ein ähnliches Phänomen ist bei der Analyse von Testergebnissen zu beobachten. A/B-Tests können drei verschiedene Resultate aufweisen, ganz gleich mit wie vielen Varianten sie arbeiten: Entweder gibt es einen eindeutigen Gewinner, alle Varianten weisen eine mehr oder weniger gleiche Performance auf oder je nach Besuchersegment sieht das Ergebnis unterschiedlich aus. Wichtig hierbei ist die Signifikanz, das heißt, die Fallzahl muss eine entsprechende Größe besitzen, um verlässliche Aussagen treffen zu können.
Auf das richtige Werkzeug kommt es an
Soweit die Theorie, die jedoch ohne die Praxis nicht viel Wert ist. Viele Bestrebungen zur Konversionsoptimierung scheitern am vermeintlich hohen IT-Aufwand, denn häufig wird unzureichendes Werkzeug in Form eines einfachen Split-URL-Testing eingesetzt. Im Gegensatz zur praktischen Variantenerstellung mittels visuellem Editor oder Injektion von Javascript- und CSS-Blöcken müssen mühsam komplette URL-Varianten erstellt, getestet und veröffentlicht werden.
Analysieren statt vermuten
Ein weiteres Problem tritt auf, wenn Web-Analysesegmente nicht in Echtzeit zur gezielten Ausspielung von Tests zur Verfügung stehen, weil Lösungen nicht miteinander verbunden sind. Abhilfe schaffen Tools, die anpassbare Templates für Overlay-Messages und einfach konfigurierbare Regelwerke bereitstellen und die idealerweise direkt mit A/B-Testing und den Web-Analysesegmenten verbunden sind.
Anstatt also auf Vermutungen, Trends oder Best Practices zu setzen, lohnt es sich die Conversion-Optimierung mit Testing und einer ganzheitlichen, integrierten Analyse auf eine solide Basis zu stellen. Nur soWenn Sie dann auch noch das richtige Werkzeug zur Hand haben, steigt die Konversionsrate und der Erfolg im Online Marketing stellt sich ein. (rw)
Zum Video: Daten- und Erkenntnis-getriebene Conversion-Optimierung führt zum Erfolg