Sein Vermögen kann jeder grundsätzlich so verteilen, wie er es für richtig hält. Diese so genannte Testierfreiheit ermöglicht es aber auch, die gesetzlichen Erben im Testament zu enterben, sie also vom Erbe auszuschließen.
Wem steht ein Pflichtteil zu?
Wurden Sie enterbt, gehen Sie trotzdem nicht leer aus. Sie können den so genannten Pflichtteil verlangen. Damit haben Sie Anspruch auf die Zahlung im Wert des halben gesetzlichen Erbteils, den Sie ohne das Testament erhalten hätten. Ehepartner, Lebenspartner und Kinder sind immer pflichtteilsberechtigt, die Eltern des Erblassers nur dann, wenn keine Kinder oder Enkel vorhanden sind. Partner aus eheähnlichen Gemeinschaften erhalten keinen Pflichtteil.
Es geht ums Geld
Beim Pflichtteil geht es immer um Geld, also den Wert des Nachlasses, und nicht um einzelne Gegenstände. Wie schwierig es manchmal ist, diesen Wert zu bestimmen, zeigt ein Rechtsstreit über eine Lebensversicherung, den der Bundesgerichtshof in letzter Instanz entscheiden musste. Die Karlsruher Richter bestimmten, dass der Wert einer Lebensversicherung unmittelbar vor dem Tod des Versicherungsnehmers - das ist in aller Regel der Rückkaufswert - bei der Pflichtteilberechnung zugrunde gelegt wird. Zuvor waren die Prämien als Berechnungsgrundlage herangezogen worden. Pflichtteilberechtigte profitieren heute von dem Urteil (Az.: IV ZR 230/08). Nicht immer ist genug Bares da, um Ihren Pflichtteil direkt auszuzahlen. Wer zur Erfüllung Ihrer Ansprüche beispielsweise das geerbte Haus verkaufen müsste, kann von Ihnen eine Stundung verlangen.
Wann der Anspruch auf den Pflichtteil verjährt
Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren. Das heißt, dass Sie als Pflichtteilsberechtigter nach Ablauf dieser Frist keine Forderungen gegen die Erben mehr stellen können. Diese Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Todesfall eingetreten ist, aber nur dann, wenn Sie wissen, dass Ihr Verwandter gestorben ist und dass er Sie enterbt hat. Ohne eine solche Kenntnis verjähren Pflichtteilsansprüche in 30 Jahren.
Ist "Sich-arm-Schenken" möglich?
Häufig verschenken Erblasser kurz vor ihrem Tod Vermögensteile beispielsweise an Pflegepersonen oder Menschen, die sie versorgen möchten - und um bewusst den Pflichtteil zu schmälern. Doch das Motto "Was weg ist, ist weg!" geht nicht auf, denn Sie dürfen als Pflichtteilsberechtigter verlangen, dass Schenkungen der letzten zehn Jahre zum Nachlass hinzugerechnet werden. Dabei gilt allerdings: Je länger die Schenkung her ist, desto weniger wird sie berücksichtigt.
Gleitende Frist
So funktioniert die gleitende Frist:
Eine Schenkung wird nur im ersten Jahr vor dem Erbfall voll in die Berechnung einbezogen.
Zeitpunkt der Schenkung - Berücksichtigung in %
im 1. Jahr vor dem Erbfall - 100
im 2. Jahr vor dem Erbfall - 90
im 3. Jahr vor dem Erbfall - 80
im 4. Jahr vor dem Erbfall - 70
im 5. Jahr vor dem Erbfall - 60
im 6. Jahr vor dem Erbfall - 50
im 7. Jahr vor dem Erbfall - 40
im 8. Jahr vor dem Erbfall - 30
im 9. Jahr vor dem Erbfall - 20
im 10. Jahr vor dem Erbfall - 10
im 11. Jahr vor dem Erbfall - 0
Wann kann der Pflichtteil entzogen werden?
In recht seltenen Fällen kommt es vor, dass pflichtteilsberechtigte Kinder erbunwürdig sind. Die Eltern können ihnen unter sehr engen Voraussetzungen den Pflichtteil entziehen: So zum Beispiel, wenn der Pflichtteilsberechtigte ihnen oder seinen Geschwistern nach dem Leben trachtet (Beispiel: Der Sohn der Erblasserin tötet ihren langjährigen Lebensgefährten). Auch bei Verbrechen oder schweren Vergehen gegen diese Personen kann der Pflichtteil entzogen werden. Unter Umständen genügt auch bereits eine andere vorsätzliche Straftat mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe, wenn der Pflichtteilanspruch des Kindes den Eltern dadurch nicht zumutbar wäre. Früher konnte "ehrloser und unsittlicher Lebenswandels" ein Grund für einen Pflichtteilsentzug sein. Das war aber oft zu unbestimmt und wurde bei der letzten Erbrechtsreform gestrichen.
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