Über allem schwebt das Damoklesschwert der Digitalisierung: Unternehmen müssen nicht nur über ihre Prozessketten, sondern über ihre Geschäftsmodelle insgesamt nachdenken. Die IT gerät zunehmend in eine Schlüsselrolle. Nicht immer ist sie darauf vorbereitet.
Januar
Die weltweiten IT-Geschäfte standen 2015 ganz im Zeichen des starken Dollars - sehr zum Leidwesen der US-Hersteller, denn die Stärke der amerikanischen Währung machte die Produkte von IBM, Oracle und Co. außerhalb der USA teurer. Ein Effekt, der sich deutlich in den Bilanzen der US-Anbieter widerspiegelte. Für die vielfach stagnierenden oder rückläufigen Einnahmen und Gewinne waren neben strukturellen Marktveränderungen auch Währungsschwankungen verantwortlich.
Gartner sah sich denn auch gleich zu Jahresbeginn veranlasst, seine Vorhersagen für das Wachstum der weltweiten IT-Ausgaben zu senken. Statt des zuvor prognostizierten Anstiegs von 3,9 Prozent sollten es jetzt nur noch 2,4 Prozent mehr werden, das globale Volumen sollte nun 3,8 Billionen Dollar betragen. Bald schon folgten weitere Korrekturen. Im April sprachen die Analysten erstmals von einem Minus - um 1,3 Prozent auf 3,66 Billionen Dollar. Im Juli korrigierten sie ihre Prognose auf 3,5 Billionen Dollar, ein Minus von 5,5 Prozent.
Die Analysten sprachen von einem regelrechten "Währungsschock". Im Sommer warnten die Marktbeobachter die CIOs, sie müssten angesichts der starken US-Währung mit anhaltend teuren Preisen für in Dollar zu bezahlende Produkte rechnen und ihre Budgets entsprechend planen und anpassen.
Keine leichte Aufgabe in einer Zeit, in der viele Veränderungen und Umbrüche anstehen. Zentrale Trendthemen, die den Schwung unvermindert aus 2014 mit ins laufende Jahr nehmen konnten, waren Industrie 4.0 und die Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen quer durch viele verschiedene Branchen. In der Trendumfrage des Bitkom zu Anfang des Jahres tauchte Industrie 4.0 erstmals unter den Top Five der Hightech-Themen auf - neben Klassikern wie Cloud Computing, IT-Sicherheit und Big Data Analytics.
Konkrete Formen nahm die Digitalisierung im Straßenverkehr an. Google kündigte zu Jahresbeginn an, für Tests seines ersten selbstfahrenden Autos eine Flotte von 150 Wagen bauen zu wollen. Partner des Projekts sind unter anderem die deutschen Zulieferer Bosch, Continental und ZF Lenksysteme. Und auch rund um Apple verdichteten sich die Spekulationen um ein mögliches iCar. Angeblich habe der Konzern die Entwicklung an seinem Elektroauto beschleunigt und als Zieldatum das Jahr 2019 gesetzt, hieß es unter Berufung auf informierte Kreise. Die Verantwortlichen hätten zudem die Erlaubnis bekommen, das bisher 600 Mitarbeiter starke Team zu verdreifachen. Offiziell äußert sich Apple 2015 aber nicht dazu.
Im Zuge der Diskussionen über autonom fahrende und vernetzte Fahrzeuge trat im Jahresverlauf jedoch mehr und mehr auch der Sicherheitsaspekt in den Blickpunkt. Experten des ADAC berichteten im Januar über eine Sicherheitslücke im "ConnectedDrive"-System von BMW. Per Funk ließen sich die betroffenen Fahrzeuge entriegeln. Im Juni sorgte ein Bericht der Security-Forscher Charlie Miller und Chris Valasek für Aufsehen. Ihnen war es gelungen, eine kritische Schwachstelle im Infotainment-System von Fiat Chrysler auszunutzen. So konnten sie die Kontrolle unter anderem von Bremsen, Beschleunigung und sogar Lenkung übernehmen. Und nicht nur Automobile weisen offenbar gravierende Sicherheitslücken auf.
Sicherheitsexperte Chris Roberts gab im Mai zu Protokoll - nachdem ihn das FBI erst einmal festgesetzt hatte -, dass es ihm in den vergangenen Jahren mehrfach gelungen sei, sich in die Systeme von fliegenden Passagierflugzeugen einzuklinken. Dabei habe er eigenen Angaben zufolge sogar die Kontrolle über die Steuerung übernehmen und beispielsweise einen Steigflug einleiten können.
Für Aufregung sorgte zu Jahresanfang auch ein Bericht des IT-Wirtschaftsjournalisten Robert X. Cringely. Seinen Recherchen zufolge plant IBM unter dem Codenamen "Project Chrome", sich von einem Viertel seiner rund 430.000 Mitarbeiter zu trennen. Die Entlassungen seien auf Misswirtschaft des Managements zurückzuführen und Teil eines gewaltigen Umstrukturierungsvorhabens. IBM wies die Berichte postwendend zurück. Es gebe zwar Umbauten. Davon seien jedoch nur einige Tausend Mitarbeiter betroffen.
Februar
Auch 2015 wurde heftig über die Rolle des CIO diskutiert. Ist er nun Hausmeister für den IT-Betrieb oder Treiber und Innovator für das digitale Business? Öl ins Feuer goss Gartner mit seiner Studie "2015 CIO Agenda: A German Perspective". Darin beschrieben die Analysten deutsche CIOs als konservativ, kostenfixiert und kontaktscheu gegenüber dem Business. Nach wie vor kümmerten sie sich vorwiegend um ihr Stammgeschäft rund um ERP, die Infrastruktur und das Rechenzentrum. Einziger Lichtblick: In puncto Industrie 4.0 könne sich die Bundesrepublik durchaus sehen lassen, zumindest im europäischen Vergleich.
Der SaaS-Pionier Salesforce.com entwickelte sich 2015 weiter zu einer immer beachtlicheren Größe im weltweiten Software-Business. Im Geschäftsjahr 2014/15, das im Januar endete, verzeichnete die Cloud-Company Einnahmen in Höhe von knapp 5,4 Milliarden Dollar. Einziger Wermutstropfen: Das 1999 gegründete Unternehmen steckt immer noch in den roten Zahlen. Zuletzt belief sich das Jahresdefizit auf fast 263 Millionen Dollar. Im Frühjahr kursierten Gerüchte um einen möglichen Verkauf. Angeblich habe Salesforce Banker damit beauftragt, Übernahmeanfragen zu sichten. Angesichts einer Marktkapitalisierung von damals rund 46 Milliarden Dollar wäre so ein Deal aber nur von wenigen Unternehmen zu schultern gewesen. Als mögliche Kaufinteressenten wurden Microsoft, IBM, Oracle, Google sowie SAP gehandelt. Weiter konkretisiert haben sich die Spekulationen indes nicht.
Die Enthüllungen über Schnüffel- und Spähaktionen westlicher Geheimdienste rissen 2015 nicht ab. Die Enthüllungs-Website "The Intercept" berichtete unter Berufung auf Dokumente des Whisteblowers Edward Snowden, dass der US-Geheimdienst NSA sowie dessen britisches Pendant GCHQ in großem Stil Verschlüsselungscodes für SIM-Karten gestohlen hätten, um die Handy-Kommunikation von Millionen Menschen abzuhören. Und auch der hiesige Bundesnachrichtendienst (BND) arbeitet wohl längst nicht so integer, wie deutsche Politiker gern glauben machen wollten.
Im Februar kam heraus, dass die Agenten Millionen Metadatensätze aus der Überwachung von Satellitenkommunikation speicherten. Später im Jahr sickerte zudem durch, dass auch der BND westliche Verbündete ausspioniert habe. Die frühere Empörung von Bundeskanzlerin Angela Merkel - "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht" - verkam damit zu einer Peinlichkeit auf höchster politischer Ebene.
März
Die Diskussionen rund um die Digitalisierung und die damit verbundenen Veränderungen in der Art und Weise, wie Unternehmen ihre Prozesse und ihr Geschäft abwickeln, erreichten im März zur CeBIT einen vorläufigen Höhepunkt. Berater wie die Experten von Deloitte mahnten, der digitale Wandel bringe die deutsche Wirtschaft unter Zugzwang. Geschäftsmodelle und Produktionsprozesse müssten umgestellt und die Beziehungen zu den Kunden neu definiert werden. Doch viele Firmen, vor allem aus dem Mittelstand, reagierten zu behäbig auf die neuen Herausforderungen.
Der Großteil der Unternehmen sei nicht einmal ansatzweise so weit, räumte der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) ein. Rund ein Fünftel der kleinen und mittelgroßen Firmen sei noch immer nicht mit einer Website im Internet vertreten, beklagten die Verbandsvertreter. Eine Umfrage des Bitkom ergab zudem, dass viele Geschäftsführer hierzulande die Folgen der Digitalisierung eher skeptisch sehen. Jeder fünfte Firmenlenker befürchtet, dass der digitale Wandel sein Unternehmen gefährde. Jeder Dritte gab zu, mit den anstehenden Veränderungen überfordert zu sein.
Derweil plädierte Günther Oettinger, EU-Kommissar für die digitale Wirtschaft, dafür, einen digitalen Binnenmarkt in Europa zu etablieren. Das wirtschaftliche Potenzial werde derzeit bei Weitem nicht genutzt, monierte der CDU-Politiker. Zudem beständen hohe Hürden durch nicht abgestimmte, ausufernde nationale Bürokratien. Oettinger sprach in der Folge von einem digitalen Flickenteppich und warnte, der zersplitterte Markt mit seinen fragmentierten Silos sei eine klare Benachteiligung gegenüber dem US-Markt. Im Mai legte die EU-Kommission ein Konzept vor, das Europas Digitalwirtschaft in Schwung bringen soll. So sollen Hürden für grenzüberschreitenden Online-Handel fallen, Nutzerrechte gestärkt und das Gebaren der großen US-Internet-Plattformen besser überwacht werden.
Zu schaffen macht allen Beteiligten allerdings der nach wie vor grassierende Fachkräftemangel. Eine Expertenbefragung des VDI (Verein Deutscher Ingenieure) unter 360 Mitgliedern ergab, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit des IT-Standorts Deutschlands nur noch von rund der Hälfte der Befragten als "gut" oder "sehr gut" angesehen wird. Im Vorjahr lag dieser Wert noch bei deutlich über 50, im Jahr 2013 sogar bei über 60 Prozent. Eine der Ursachen für das schlechter werdende Ergebnis sieht der VDI im mangelnden Angebot an IT-Fachkräften auf dem deutschen Markt. Schon mehr als ein Viertel der Befragten bezeichnet die aktuelle Verfügbarkeit von IT-Fachkräften als "schlecht", der Großteil sieht sie nur mehr als "durchschnittlich".
Währenddessen bemühten sich die Hersteller um eine möglichst gute Ausgangsposition für die kommenden Geschäfte. Die Deutsche Telekom und SAP erklärten in Hannover, ein Konsortium für die Entwicklung von Standards für Industrie 4.0 auf die Beine stellen zu wollen. Damit wolle man Firmen den Weg in das neue digitale Industriezeitalter ebnen. Es müsse darum gehen, in Deutschland und Europa in Sachen Digitalisierung nicht von den großen Wirtschaftsregionen in Nordamerika und Asien abgehängt zu werden. IBM kündigte an, groß in dieses Geschäft einsteigen zu wollen. Dafür baut der Konzern eine eigene Cloud-Plattform und richtet eine spezielle Sparte in seiner Organisation ein. Drei Milliarden Dollar will sich IBM dies in den nächsten vier Jahren kosten lassen. Außerdem schmiedet der US-Konzern Allianzen mit anderen Anbietern. Im weiteren Verlauf des Jahres wurden Kooperationen unter anderem mit den Chipherstellern Texas Instruments und ARM bekannt gegeben.
April
Zwar trimmt IBM sein Business massiv in eine neue Richtung - wie viele andere Anbieter auch. Doch das neue Geschäft rund um Cloud Computing und Analytics wächst nicht schnell genug, um die Rückgänge in den klassischen Sparten auszugleichen. So brach im ersten Quartal das Hardwaregeschäft - auch durch den Verkauf der x86-Server an Lenovo - um 22 Prozent ein. Insgesamt rutschte IBM mit seinem Quartalsumsatz von 19,6 Milliarden Dollar erstmals seit langer Zeit wieder unter die 20-Milliarden-Dollar-Marke. Auch im weiteren Jahresverlauf stotterte der IBM-Motor.
Intel machte vor allem der weiter schwächelnde PC-Markt zu schaffen. In den ersten drei Monaten des Jahres fiel der Umsatz der PC-Sparte im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent auf 7,4 Milliarden Dollar. Das Geschäft mit PC-Prozessoren werde eine Herausforderung bleiben, verlautete wenig zuversichtlich aus der Konzernzentrale. Intel gelang es jedoch - im Gegensatz zum Konkurrenten AMD -, den Rückgang mit wachsenden Geschäften mit CPUs für Rechenzentren auszugleichen. Außerdem setzt der weltgrößte Halbleiterhersteller auf neue Geschäftsfelder wie das Internet der Dinge. Dafür wurde mit der "New Technology Group" eine eigenständige Entwicklungs- und Forschungseinheit gegründet.
Während die Granden des weltweiten IT-Business darum kämpfen müssen, ihr künftiges Geschäft richtig zu justieren, kommen viele der großen Internet-Companies immer besser in Fahrt - und fahren dabei auch den alten Hasen in die Parade. Der Online-Händler Amazon präsentierte im April erstmals Zahlen für sein Cloud-Geschäft, und die konnten sich durchaus sehen lassen. 1,57 Milliarden Dollar verdiente Amazon Web Services (AWS) im ersten Quartal des Jahres, ein Plus von fast 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das operative Ergebnis der Sparte betrug 265 Millionen Dollar. Facebook steigerte in den ersten drei Monaten des Jahres seine Einnahmen um 42 Prozent auf über 3,5 Milliarden Dollar. Google schaffte ein Plus von zwölf Prozent auf einen Quartalsumsatz von 17,3 Milliarden Dollar.
Allerdings gibt es auch Internet-Companies, die sich schwertun. So will es CEO Marissa Mayer nicht gelingen, den Web-Pionier Yahoo wieder auf Kurs zu bringen. Seit Jahren stagnieren die Einnahmen, die Gewinne sind ebenfalls rückläufig. Die Twitter-Verantwortlichen schaffen es ebenfalls nicht, ein funktionierendes und profitables Geschäftsmodell rund um den Kurznachrichtendienst aufzubauen. Die Folge: Wechsel an der Unternehmensspitze und immer wieder aufkeimende Übernahmegerüchte. So warf im Juni Konzernlenker Dick Costolo das Handtuch. Das Ruder übernahm in der Folge Twitter-Mitbegründer Jack Dorsey.
Mai
Angriffe aus dem Internet erreichten im gerade zu Ende gehenden Jahr eine neue Dimension. Im Mai wurde bekannt, dass Hacker über Monate Zugriff auf Daten in den IT-Systemen der obersten US-Steuerbehörde hatten. Zuvor war durchgesickert, dass es russischen Hackern offenbar im Vorjahr gelungen war, das Netz des Weißen Hauses zu entern. Cyber-Terroristen des "Islamischen Staats" (IS) legten zudem den französischen Sender TV5 Monde über Stunden hinweg lahm. Hacker aus China drangen in die Personalsysteme der US-Regierung ein. Andere Cyber-Gangster attackierten erfolgreich die Bodencomputer der polnischen Airline LOT. Und ein weiterer trauriger Höhepunkt: Security-Spezialist Kaspersky Labs musste zugeben, selbst Opfer eines ausgeklügelten Virenangriffs geworden zu sein.
In Deutschland standen vor allem politische Einrichtungen im Visier der Hacker. Anfang des Jahres hatte die prorussische Hacker-Gruppe CyberBerkut aus der Ukraine für Stunden die Internet-Seiten des deutschen Kanzleramts und Bundestags geentert. Im Frühjahr attackierten dann Unbekannte direkt das interne Netz des Bundestags. Den Experten gelang es nicht, die Schadsoftware zu stoppen. Schließlich musste im Sommer das gesamte System heruntergefahren und neu aufgesetzt werden. Woher der Angriff kam, ist bis heute nicht bekannt - oder wurde nicht mitgeteilt. Angesichts der Komplexität gehen die Experten von einem ausländischen Geheimdienst aus.
Der amerikanische Präsident Barack Obama hat die zunehmende Zahl an Cyber-Attacken auf Wirtschaft und Behörden als nationalen Notfall klassifiziert und härtere Sanktionen gegen Hacker und deren Unterstützer angekündigt. Die Aufarbeitung des eigenen Ausspähskandals rund um die NSA kam dagegen nur schleppend voran. Im Mai stimmten die Abgeordneten im Repräsentantenhaus mit überraschend großer Mehrheit dafür, den eigenen Geheimdiensten mehr auf die Finger zu schauen. Außerdem hatte zuvor ein US-Bundesgericht das massenhafte Sammeln von Telefon- und Internet-Daten als gesetzwidrig eingestuft. Auch der Bundesnachrichtendienst (BND) geriet in den Strudel der NSA-Affäre. Demnach habe der deutsche Geheimdienst den Amerikanern geholfen, europäische Firmen und Institutionen auszuspionieren. Die Verantwortlichen räumten Fehler ein, verteidigten die Kooperation mit der NSA jedoch grundsätzlich als unverzichtbar.
Für etliche Schlagzeilen sorgte 2015 wieder einmal der umstrittene Fahrdienstvermittler Uber. Die Company sammelte erneut Milliarden bei Geldgebern ein, vor allem um ihre internationale Expansion zu finanzieren, beispielsweise in China. Die Investorenbewertung von Uber soll mittlerweile bei 50 Milliarden Dollar liegen. Kratzer bekam das Image allerdings im Sommer, als das US-Magazin "Gawker" interne Geschäftszahlen veröffentlichte. Demnach kann Uber seinen Umsatz zwar schnell steigern - angeblich waren es im vergangenen Jahr rund 400 Millionen Dollar. Unter dem Strich stehen aber tiefrote Zahlen, allein im zweiten Quartal 2014 soll das Defizit 109 Millionen Dollar betragen haben.
Juni
Microsoft lüftete im Juni das Geheimnis um den Erscheinungstermin von Windows 10: Seit Ende Juli ist die neue Windows-Generation verfügbar. Microsoft hatte das System bereits seit geraumer Zeit mit mehr als vier Millionen "Windows-Insidern" getestet. Windows 10 bekam wieder ein Startmenü, soll schneller arbeiten und überdies mit Defender-Bordmitteln besonders sicher sein. Für die meisten Nutzer ist das Upgrade auf Windows 10 kostenlos. Microsoft will das System außerdem kostenlos aktualisieren und erweitern, solange die verwendete Hardware offiziell unterstützt wird.
Sehr zum Leidwesen der PC-Bauer sorgte Windows 10 aber nicht wie sonst üblich für eine Belebung des PC-Markts. Wie schon zuvor brach auch im dritten Quartal 2015 der Absatz weiter ein, wie Gartner und IDC berichteten. Microsoft habe den Herstellern wenig Zeit gelassen, Geräte mit dem neuen Windows vorzubereiten, begründeten die Analysten die weiter schwachen Absatzzahlen. Außerdem habe das kostenlose Upgrade-Angebot wohl viele Nutzer bewogen, ihre bisherigen Computer zu behalten.
Windows 10 ist indes ein wichtiger Baustein im Konzernumbau, den CEO Satya Nadella forcierte. Beispielsweise wurde das Management weiter gestrafft. Im Juni mussten der frühere Nokia-Chef Stephen Elop, der für die Unternehmenssoftware zuständige Kirill Tatarinov sowie Eric Rudder gehen. Die Gerätesparte wurde der Windows Group zugeschlagen (Windows and Devices Group = WDG), die Dynamics-Produkte wanderten unter das Dach des Bereichs Cloud and Enterprise (C+E).
Im Juli räumte Microsoft zum Abschluss des Geschäftsjahres 2015 zudem mit seinen Altlasten auf. Im Zuge der desaströsen, 9,5 Milliarden Dollar teuren Übernahme des Handy-Herstellers Nokia, die noch Nadella-Vorgänger Steve Ballmer eingefädelt hatte, schrieb Microsoft 7,6 Milliarden Dollar ab. Die Folge: Ein Quartalsverlust von 3,2 Milliarden Dollar - der höchste in der Firmenhistorie. Zudem kündigte der Konzern an, weitere 7800 Stellen in seinem Handy-Geschäft zu streichen.
Noch unter dem Eindruck des massiven Angriffs auf das Bundestagsnetz haben die Abgeordneten im Juni das IT-Sicherheitsgesetz verabschiedet. Dadurch entstehen für Betreiber kritischer Infrastrukturen neue Pflichten zur Einführung von Abwehrmaßnahmen sowie Nachweis- und Meldepflichten. Allerdings lässt der Gesetzesentwurf offen, wer ein Betreiber einer kritischen Infrastruktur ist.
Juli
McKinsey hat eine umfangreiche Studie zum Internet of Things (IoT) präsentiert und darin dessen wirtschaftlichen Mehrwert im Jahr 2025 auf weltweit bis zu 11,1 Billionen Dollar taxiert. Das entspräche mehr als einem Zehntel der globalen Wirtschaftsleistung, die laut Weltbank-Prognose in zehn Jahren etwa 99,5 Billionen Dollar erreichen wird. Obwohl der Hype bereits groß sei, werde das Potenzial des IoT noch unterbewertet, sagen die Experten im Rahmen der Studie "Internet of Things: Mapping the Value beyond the Hype".
Im Sommer ist passiert, wovor diverse Experten aus der Softwarebranche lange gewarnt haben: Ein Roboter hat einen Menschen getötet. Berichten zufolge wollte der Mitarbeiter in der Produktion von Volkswagen im Werk in Baunatal den stationären Roboter einrichten. Der packte den Mitarbeiter, der zu einem Team von Menschen gehörte, die das System installieren wollten, und schleuderte ihn gegen eine Metallplatte. Unabhängig davon warnten etliche Wissenschaftler und Technologieexperten in einem offenen Brief vor der Entwicklung selbständig agierender Roboter wie beispielsweise intelligenter Drohnen für Kampfeinsätze. Unterzeichnet wurde das Schreiben unter anderem von dem Astrophysiker Stephen Hawking, Apple-Mitgründer Steve Wozniak sowie dem Silicon-Valley-Star und Tesla-Chef Elon Musk.
August
Von wegen Sommerloch: Google baut sein Unternehmen radikal um - das war die Schlagzeile im August. Zu diesem Zweck hat der Internet-Riese die Holding Alphabet gegründet. Larry Page, zuletzt CEO von Google, wird CEO von Alphabet; Kompagnon Sergey Brin wird President. Den Chefsessel für die bei Google verbleibenden Internet-Aktivitäten besetzt der mächtige bisherige Produktchef Sundar Pichai. Alphabet ist laut Page "zuvörderst eine Ansammlung von Firmen".
Deren größte ist - und bleibt sicher auch auf absehbare Zeit - Google. Vom Suchmaschinengeschäft werden jetzt Aktivitäten getrennt, die nicht unmittelbar damit zu tun haben - als da wären Life Sciences und Lebensverlängerung (Calico), die zugekauften Nest-Geräte für das Smart Home, das "Geheimlabor" Google X für die Suche nach neuen Techniken, Google Ventures und Google Capital für die Finanzierung von Startups und langfristigen Technologietrends sowie Google Fiber für Breitbandinfrastruktur.
Das neue Firmenkonstrukt trägt die Handschrift der im Mai 2015 von Morgan Stanley zu Google gewechselten Finanzchefin Ruth Porat. Die Geschäfte liefen gut, könnten jedoch sauberer und klarer aufgestellt sein, hatte sie verlauten lassen. Allerdings läuft auch bei Google nicht alles rund. Der Konzern hat ein Verfahren der EU-Kommission wegen unfairen Wettbewerbs am Hals. Im September begann eine internationale Rechtsanwaltskanzlei, Schadenersatzklagen gegen Google zu organisieren. Und in Russland droht dem US-Unternehmen eine hohe Kartellstrafe.
September
Apple stellte im September mit dem iPhone 6s und 6s Plus eine neue Smartphone-Generation sowie mit dem iPad Pro das lange erwartete 12,9-Zoll-Tablet vor. Damit dürfte die Erfolgsgeschichte ihre Fortsetzung finden.
Im Geschäftsjahr 2015, das im September endete, legte der Konzern erneut Rekordzahlen vor: Einen Jahresgewinn von 43,4 Milliarden Dollar und Einnahmen in Höhe von 233,7 Milliarden Dollar, das entspricht fast dem gesamten Bruttoinlandsprodukt von Griechenland im Jahr 2014 (238 Milliarden Dollar). Die Apple-Verantwortlichen sitzen mittlerweile auf einem Geldberg von über 200 Milliarden Dollar. 90 Prozent davon liegen aus Steuergründen außerhalb der USA.
Würde das Unternehmen das Geld zurück in die Vereinigten Staaten holen, würde der dortige Fiskus kräftig zulangen. Ein Grund, warum auch andere große amerikanische IT-Anbieter ihr Geld im Ausland horten.
Oktober
Für einen Paukenschlag sorgte im Oktober Dell. Der texanische PC-Hersteller verkündete, für 67 Milliarden Dollar den Speicherspezialisten EMC übernehmen zu wollen. Das ist die größte Akquisition aller Zeiten in der weltweiten IT-Branche. 33,15 Dollar je Anteil wollen Dell, sein Großinvestor Silver Lake, die Private-Equity-Firma MSD Capital und Temasek, eine staatlich geführte Beteiligungsgesellschaft aus Singapur, für 70 Prozent an EMC zahlen. Allein der Virtualisierungsspezialist VMware, an dem EMC 81 Prozent der Anteile hält, wird an der Börse mit knapp 30 Milliarden Dollar gehandelt. Für den Deal brauchen die Partner 40 Milliarden Dollar von Banken.
Einen Rekord gab es auch in der deutschen IT-Szene. Erstmals wurde bei den IT-Jobs die Millionen-Marke geknackt. So erwartet der Bitkom bis Jahresende mehr als eine Million IT-Beschäftigte. Damit seien in den vergangenen fünf Jahren rund 135.000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden. Die Branche festige ihre Rolle als zweitgrößter industrieller Arbeitgeber, knapp hinter dem Maschinenbau.
Allerdings dürfte die Arbeitswelt in Zukunft etwas durcheinandergeraten. Industrie 4.0 hat Folgen für den Arbeitsmarkt. Marktforschern zufolge stehen bis zu 60.000 Jobs auf der Kippe. Zwar dürften mit dem digitalen Wandel in der Produktion in Deutschland rund 430.000 neue Arbeitsplätze entstehen. In derselben Zeit sollen aber 490.000 meist einfachere Jobs verloren gehen, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) errechnet.
Nach einem bahnbrechenden Urteil wird die Übermittlung persönlicher Daten europäischer Internet-Nutzer in die USA schwieriger. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte die 15 Jahre alte Vereinbarung zur unkomplizierten Datenübertragung ("Safe Harbor") für ungültig. Die Informationen seien in den USA nicht ausreichend vor dem Zugriff von Behörden und Geheimdiensten geschützt, das verletze die Rechte der Europäer, urteilten die Richter in Luxemburg (Rechtssache C-362/14). Die Entscheidung hat eine weitreichende Bedeutung für die Internet-Wirtschaft. Vor allem kleinere Unternehmen verließen sich bisher darauf, dass Datenübermittlung in die USA unbedenklich ist. Ohne "Safe Harbor" müsste jede Firma selber dafür sorgen, dass der rechtliche Rahmen nach der Datenschutz-Grundverordnung eingehalten wird.
Auch eine andere Entscheidung sorgte für Diskussionen. Nach jahrelangem Streit und gegen den scharfen Protest von Opposition und Datenschützern hat der Bundestag eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Telekommunikationsdaten sollen künftig für zehn Wochen aufbewahrt werden, damit Ermittler bei der Bekämpfung von Terror und schweren Verbrechen darauf zugreifen können. Linke, Grüne, Piraten, FDP und Netzaktivisten halten das Vorhaben für verfassungswidrig und unverhältnismäßig. Mehrere Politiker und Initiativen kündigten an, gegen das Gesetz zu klagen.
November
2015 war auch das Jahr der großen Spaltungen. Im Juli trennte Ebay seinen Bezahldienst Paypal ab, und seit Anfang November ist Hewlett-Packard in seiner bisherigen Form Geschichte. Der seit Jahren kriselnde Konzern hat sein Geschäft zweigeteilt. Das Business mit PCs und Druckern läuft nun in der HP Inc. und wird von Dion Weisler als CEO geführt. Die wachstumsstärkeren, aber bislang noch weniger ertragreichen Produkte und Dienstleistungen für Unternehmen wandern dagegen in die Hewlett-Packard Enterprise, wo Meg Whitman als CEO die Führung übernimmt. Einzeln könnten die Sparten ihre Wachstumspotenziale besser entfalten, hoffen die HP-Verantwortlichen.
Doch die Vorzeichen stehen schlecht, die letzte Bilanz für Gesamt-HP fiel enttäuschend aus. Im vierten Fiskalquartal belief sich der Umsatz beider Konzernbereiche zusammen auf 25,7 Milliarden Dollar und lag damit nicht nur um neun Prozent unter dem Vorjahreswert, sondern auch unter dem, was die Finanzanalysten an der Wallstreet erwartet hatten (26,5 Milliarden Dollar). Im gesamten Geschäftsjahr erzielte das Unternehmen Einnahmen von 103,4 Milliarden Dollar, ein Minus von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die Spaltung war teuer: HP taxierte die Kosten auf drei Milliarden Dollar. Sie kostete zudem mehr Mitarbeiter den Job als zuvor angenommen. Nachdem der Konzern bereits einen Abbau von 55.000 Stellen bekannt gegeben hatte, hieß es kurz vor der offiziellen Teilung, es würden weitere 25.000 bis 30.000 Jobs wegfallen. Die drakonischen Personalmaßnahmen sollen laut Firmenchefin Meg Whitman "jegliche zukünftige Restrukturierung des Unternehmens überflüssig machen".
Für HP Enterprise wird es vor allem darum gehen, sich im Cloud-Business richtig aufzustellen. Hier hatte der Konzern jüngst erklärt, sein Public-Cloud-Angebot rund um die Helion-Plattform einzustellen und sich stattdessen verstärkt um Hybrid- und Private-Cloud-Lösungen zu kümmern. Andere Anbieter forcieren dagegen ihre Public-Cloud-Strategien. Nachdem bereits etliche Provider Rechenzentren in Deutschland eingerichtet haben - vor allem um die hierzulande sehr hohen Ansprüche in Sachen Datenschutz zu erfüllen -, zog zuletzt auch Microsoft nach.
Allerdings ging der Konzern noch einen Schritt weiter. Statt sich nur einen deutschen Rechenzentrumsbetreiber zu suchen, setzte der US-Konzern seinen künftigen Cloud-Partner T-Systems auch als Datentreuhänder ein. Mit dieser bis dato einmaligen Konstruktion soll jeder Zugriff von US-Behörden auf Daten deutscher Kunden ausgeschlossen werden.