Herr Ruban, seit Anfang Mai sind Sie CEO von Conrad Electronic. Ihr Vorgänger Jörn Werner hatte mit der Neuausrichtung des Unternehmens auf den E-Commerce eine wichtige Weichenstellung vorgenommen. Da liegt die Frage nahe, inwiefern der Chefwechsel auch ein Richtungswechsel ist...
Holger Ruban: Inhaltlich wird sich bei Conrad nicht viel ändern. Ich war auch vor der Übernahme der CEO-Position schon Mitglied der Geschäftsführung und damit an der Entwicklung der letzten Jahre beteiligt. Jörn Werner hat in seiner Zeit als CEO auch bewusst Leute an Bord geholt, um die eingeleitete Strategie umzusetzen. Deshalb bleibt das Thema E-Commerce weiterhin für uns wichtig. Wir haben in diese Richtung schon viel getan, nicht nur im Online-Handel, sondern zum Beispiel auch mit unserer Ende 2014 gestarteten Online-Community, die viele wichtige Funktionen für die Kunden bietet und uns damit sehr hilft.
Dennoch: Sie waren in den vergangenen Jahren bei Conrad eher für das B2B-Geschäft zuständig und haben zuvor für den Elektronikbauteile-Hersteller Farnell gearbeitet. Wird das Ihre Schwerpunktsetzung als CEO beeinflussen?
Ruban: Es stimmt, dass ich aus dem B2B-Bereich komme, auch von meiner Tätigkeit bei Farnell her. Bei Conrad war ich in den letzten Jahren vor allem mit dem internationalen Geschäft betraut und habe dabei das B2B-Geschäft mitaufgebaut. Trotzdem wird mein Schwerpunkt das weitere Umsetzen der eingeleiteten Strategie sein. Dazu gehören viele digitale Themen und auch der Aspekt Mobile wird uns in nächster Zeit sehr stark beschäftigen. Sie werden sehen: Wir haben noch viele Pfeile im Köcher.
"Die Entwicklung von Getgoods und HOH läuft in die richtige Richtung"
Nach allem, was man weiß, entwickelt sich das Kerngeschäft bei Conrad weiterhin positiv. Ein Bereich, in dem es schwieriger laufen könnte, sind die Ende 2013 über das Tochterunternehmen Get-it quick übernommenen Onlineshops Getgoods und Home of Hardware. Sind Sie auch hier auf einer Linie mit Ihrem Vorgänger?
Ruban: Wir sind mit den Zukäufen zufrieden. Natürlich machen wir uns dazu auch weiter strategische Überlegungen. Aber bisher sind das noch interne Überlegungen, was wir wo machen werden. Grundsätzlich läuft der Gang bei Getgoods und Home of Hardware in die richtige Richtung. Das gilt übrigens auch für unsere Akquisition im B2B-Bereich - den Distributor SOS Electronic, den wir Mitte 2013 übernommen haben.
Welche Effekte zeigt Ihre E-Commerce-Ausrichtung bereits: Entwickelt sich heute bei Conrad das stationäre Geschäft oder der Online-Bereich dynamischer?
Ruban: Grundsätzlich hat sich Conrad im letzten Jahr sehr vernünftig entwickelt - und das, obwohl wir uns im B2B-Bereich sehr anspruchsvolle Ziele gesetzt haben. Dabei entwickelt sich Online heute klar dynamischer, schon deshalb, weil Stationär nun einmal einen begrenzten Einzugsbereich hat und es dann irgendwann zu einer Sättigung des Geschäfts kommt. Online sind wegen der potenziellen Unendlichkeit des Geschäfts die Zuwächse dagegen immer höher. Ich denke, dass der Trend dabei in Zukunft noch stärker in Richtung Mobile gehen wird. Man sieht auch bei den Neugewichtungen bei Google, dass das ein sehr wichtiges Thema ist.
Lesen Sie auf Seite 2, was Conrad-CEO Holger Ruban zum neuen "3D-Printhub", der Kooperation mit der Entwickler-Community Hardware.co sowie zu der Affäre um Fake-Accounts von Conrad bei dem Schäppchenportal MyDealz zu sagen hat.
Conrad-CEO Ruban zum "3D-Printhub", der Hardware.co-Kooperation und der MyDealz-Affäre
In Deutschland beträgt die Zahle der stationären Conrad-Filialen derzeit 25. Planen Sie einen weiteren Ausbau des Filialnetzes?
Ruban: Es wird sicher keine massenhafte Erweiterung geben, doch wir überlegen uns die Eröffnung weiterer Filiale. Konkrete Eröffnungspläne gibt es im Moment aber nicht.
In der Filiale in München-Moosach haben Sie mit dem "3D-Printhub" nun einen Copyshop-ähnlichen 3D-Druckservice gestartet. Welche strategische Überlegung steht hinter dem Projekt?
Ruban: Zum einen verkaufen wir ja auch 3D-Drucker. Und da bietet es sich an, das Thema stärker in den Fokus zu rücken, um den Verkauf von Druckern anzuheizen, aber auch von Verbrauchsmaterial. Andererseits sehen wir, dass 3D-Drucker für viele Menschen - gerade im jüngeren Alter - noch zu teuer sind. Da sich Conrad als Partner für Lösungen versteht, die den Kunden helfen, ist unser "3D-Printhub" hier eine naheliegende Idee. Wenn wir damit heute Studenten und junge Ingenieure unterstützen, ist das für uns auch strategisch interessant. Und wenn der Nutzen des "3D-Printhub" für unsere Kunden so groß ist, wie wir meinen, dann handelt es sich dabei um ein zukunftsträchtiges Thema, das wir ausrollen werden und zu einem Geschäft machen.
"Start-up-Kooperationen bleiben ein Zukunftsmodell"
Sie wollen mit Innovationen wie dem "3D-Printhub" also frühzeitig eine technisch interessierte Kundenklientel an sich binden. Eine ähnliche Motivation steckt ja auch hinter der Zusammenarbeit mit der Entwickler-Community Hardware.co. Wie entwickelt sich die Kooperation bisher aus Ihrer Sicht?
Ruban: Die Kooperation funktioniert gut. Seit dem Beginn unserer Zusammenarbeit hat sich Hardware.co auch stark weiterentwickelt. Durch unsere Unterstützung ist unter anderem die Einrichtung des Hardware.co LAB in Berlin gelungen. Unser Fokus ist es hier - wie auch beim "3D-Printhub" -, die Maker-Szene zu unterstützen.
Inwiefern verbindet sich mit der Kooperation mit Hardware.co auch die Strategie, dadurch frühzeitig und exklusiv Zugang zu Produktneuentwicklungen in Bereichen wie Wearables oder Internet of Things zu erhalten?
Ruban: Das ist nur bedingt der Fall. Viele Start-ups bei Hardware.co befinden sich noch sehr stark in der Anfangsphase. Aber wir machen auch unabhängig davon Deals mit Start-ups. Das Internet of Things Starter-Kit Wunderbar ist ein gutes Beispiel für ein Start-up, das wir frühzeitig unterstützt haben - und dafür auch eine gewisse Exklusivität haben wollen. Für uns liegt in diesem Modell weiterhin die Zukunft. Allerdings werden wir nicht mit einem Schlag 20 oder 30 Unternehmen unterstützen, sondern selektieren stark, wo es für uns am meisten Sinn macht.
Die Ende 2014 gestartete Online-Community, die sowohl Endkunden wie auch Business-Kunden und Entwickler an Conrad binden soll, haben Sie bereits angesprochen. Wie entwickelt sich diese Internet-Plattform?
Ruban: Das Kundeninteresse daran ist sehr groß und wir sind mit der Entwicklung zufrieden. Aber natürlich wollen wir in Zukunft noch mehr Traffic auf die Community bringen. Auch ein Thema wie 3D-Druck ist hier gut geeignet, um das Interesse weiter zu verstärken. Außerdem wollen in Zukunft industrielle B2B-Anwender noch stärker in die Community einbinden.
Kein strategisches Interesse am Schnäppchengeschäft
Im Online-Handel sorgte zuletzt der zeitweise Ausschluss von Conrad bei dem Schnäppchenportal MyDealz für Aufsehen - Ihr Unternehmen soll über bis zu 100 User-Accounts eigene Deals verdeckt beworben haben. Was können Sie dazu sagen?
Ruban: Das war das Werk eines überambitionierten Mitarbeiters, nicht die Strategie unseres Unternehmens und es tut uns sehr leid, wenn Kunden dadurch schlechter gestellt worden sind. Nachdem wir von den Fake-Accounts erfahren haben, haben wir diese sofort abgeschaltet und auch mit dem betreffenden Mitarbeiter gesprochen.
Man muss aber auch klar sagen, dass MyDeals kein strategischer Partner von Conrad ist. Die Art von Kundennachfrage, die dort hergestellt wird, ist für uns nicht von Interesse. Alles in allem handelte es sich bei der Angelegenheit für uns um Negativ-Publicity und um eine unerfreuliche Sache. (rw)