Mancher denkt: Telefonieren kann jeder. Stimmt! Am Telefon quasseln ist einfach. Aber nur wenige Menschen können Gespräche am Telefon so führen, dass sie ihr gesetztes Ziel auch erreichen. Hierfür sind gewisse Eigenschaften und Fähigkeiten nötig. Zum Beispiel muss man sich auf fremde Personen schnell einstellen können. Außerdem muss man die Botschaften zwischen den Zeilen wahrnehmen. Das ist gerade bei Telefonaten sehr wichtig, weil man dabei weder die Gestik noch die Mimik seines Gegenübers sieht.
Das will gelernt sein. Dies merken insbesondere Unternehmen, die ihren Kunden erklärungsbedürftige Güter verkaufen immer wieder. Also schulen seriöse Callcenter ihre Agents sehr gründlich und bezahlen sie angemessen. Die Betreiber wissen: Gute Telefonverkäufer sind rar. Und bis eine Person wirklich fit am Telefon ist, dauert es einige Zeit.
Anrufen oder angerufen werden
Bei der Telefonkommunikation wird zwischen Inbound- und Outbound-Gesprächen unterschieden. Inbound-Gespräche werden alle Telefonate genannt, bei denen der Kunde oder Interessent von sich aus anruft. Dies ist zum Beispiel wegen einer Frage zu einem PC-Programm, das er gekauft hat, der Fall. Als Outbound-Gespräche werden Telefonate bezeichnet, bei denen der Agent selbst bei potentiellen Kunden anruft - zum Beispiel, um ihm etwas zu verkaufen.
Inbound-Gespräche zu führen, ist anstrengend. Ein Telefonat folgt aufs andere und die Anrufer sind häufig gestresst oder verärgert. Oft lautet zudem die Vorgabe für die Agents: Bei mindestens 50 Prozent der Gespräche muss ein neuer Vertragsabschluss zustande kommen.
Die Königsdisziplin beim Telefonieren ist aber das Führen von Outbound-Gesprächen mit dem Ziel, der angerufenen Person ein "Ja" zu entlocken - zum Beispiel zum Kauf eines neuen Staubsaugers, zum Besuch eines Finanzberaters oder die Bereitschaft zu einem telefonischen Interviews. Für diese Aufgabe setzen Callcenter in der Regel ihre besten Agents ein, beziehungsweise diejenigen mit der größten Verkaufserfahrung. Denn sie wissen, wie schnell Kunden genervt reagieren, wenn abends während der Tagesschau, der Vertreter einer Telefongesellschaft anruft und einen neuen Vertrag abschließen will. Aus Kundensicht wirkt dieses "am Ball bleiben" zuweilen lästig, aus Unternehmenssicht ist es vielfach nötig.
Die zentrale Frage beim Telefonverkauf lautet deshalb nicht, ob die potenziellen Kunden regelmäßig angerufen werden sollen. Sie lautet vielmehr: Wie führen Sie die Gespräche so, dass die angerufenen Personen nicht das Gefühl haben, Sie seien schon wieder so ein lästiger, telefonischer Klinkenputzer?
Die einzelnen Gespräche gut vorbereiten
Hier kommt ein großer Vorteil zum Tragen, den Outbound- gegenüber Inbound-Gesprächen haben: Sie können sich darauf vorbereiten und den Zeitpunkt des Anrufs selbst bestimmen. Diesen Vorteil sollten Sie nutzen. Das tun viele Callcenter, allerdings nur scheinbar. Sie verfassen für ihre Agents ausführliche Telefonleitfäden. Die Folge: Zumeist wirken die daraus entstehenden Telefonate standardisiert. Spätestens nach dem fünften Telefonat des Agents fragt man sich deshalb oft als angerufene Person: "Warum spulen die kein Tonband ab? Das wäre billiger und besser." Arbeiten Sie deshalb nie mit ausformulierten Telefonskripten. Machen Sie sich lieber einen Stichwortzettel. Und üben Sie mit einem Kollegen, das Gespräch locker und mit wechselnden Formulierungen zu führen.
Überlegen Sie sich zudem vor jedem Gespräch: Wen rufe ich an? Wie könnte ich das Interesse der betreffenden Person wecken?
Den Kunden persönlich ansprechen
Bei den meisten Telefonverkäufern sind die Gespräche wie folgt aufgebaut: "Guten Tag, mein Name ist Hans Müller. Ich arbeite für das Unternehmen xy. Wir vertreiben Kopierer. Wir haben zurzeit ein besonderes Angebot ..." Der Kunde kommt in diesem Gespräch nicht vor. Er wird wahrscheinlich nicht auf das Angebot eingehen.
Mehr Erfolg verspricht hingegen folgender Gesprächsaufbau: "Guten Tag, mein Name ist Hans Müller vom Unternehmen xy. Herr Maier, Sie haben doch eine Werbeagentur. Dann müssen Sie vermutlich auch oft Entwürfe vergrößern, ohne dass die Druckqualität sinkt?" ... "Ja!" ... "Dann möchte ich Ihnen gerne ... Sind Sie daran interessiert?"
Versuchen Sie stets, den Kunden persönlich anzusprechen und mit ihm möglichst schnell in einen Dialog zu treten. Denn das Telefon ist ein persönliches Kommunikationsinstrument. Lassen Sie auch den Kunden zu Wort kommen, sonst wäre es günstiger und besser, ihm einen Werbebrief zu senden.
"Und was habe ich davon?"
In jedem Gespräch sollten Sie zwei oder drei persönliche Nutzenargumente parat haben. Die Person, die Sie anrufen, will erfahren, was Sie davon hat, wenn Sie auf Ihr Angebot eingeht.
Warum dies wichtig ist, sei am Beispiel eines Hals-Nasen-Ohren-Arztes illustriert. Ruft ihn ein Pharmareferent an, um einen Besuchstermin zu vereinbaren, fragt er stets zurück: "Und was habe ich davon?" Die Pharmavertreter antworten dann meist: "Ich stelle Ihnen beim Besuch unser neues Medikament vor, das ..." Die Rückfrage des Arztes: "Und was habe ich davon?" Hierauf erwidern die meisten Referenten sinngemäß: "Damit können Sie Ihre Patienten besser therapieren." Woraufhin der Arzt erneut fragt: "Und was habe ich davon?"
Das Fazit des Arztes: "Noch kein Pharmareferent nannte mir ein Argument, warum ich mir als selbstständiger Unternehmer Zeit für dessen Besuch nehmen sollte. Verdiene ich dann mehr Geld? Habe ich dann mehr Zeit für meine Familie? Warum sollte ich mich mit ihm treffen?"
Viele Telefonverkäufer agieren auf diese Weise. Sie reden viel und schnell, sie kommunizieren aber nicht mit ihren Kunden. Sie legen ihren potentiellen Kunden nicht dar, was diese persönlich davon haben, wenn sie auf das Angebot eingehen.
Sicherlich erfordert es Zeit, solche kundenspezifischen Argumente zu entwickeln. Aber das Ziel des Telefonmarketings ist es ja nicht, möglichst viele Telefonate zu führen, sondern möglichst viele oder hohe Abschlüsse zu erzielen. Ein Telefonverkäufer, der bei zwar nur 30 Telefonate führt, aber damit drei Abschlüsse erzielt, steht auf jeden Fall besser da, als ein Verkäufer der mit 100 Telefonaten einen Abschluss erzielt. Auf die Klasse kommt es an, nicht auf die Masse.
Ein weiterer Pluspunkt einer guten Gesprächsvorbereitung: Weil Sie häufiger mit Kunden ins Gespräch kommen, macht Ihnen auch Ihre Arbeit mehr Spaß und Sie fühlen sich seltener als "telefonischer Klinkenputzer". Ganz vermeiden lässt sich dies beim aktiven Telefonverkauf leider nicht. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Sie für sich selbst immer wieder für Gesprächs-Highlights sorgen. Mit einer standardisierten Gesprächsführung gelingt Ihnen dies allerdings auf keinen Fall.
Zum Autor: Bernhard Kuntz, Darmstadt, ist Autor der Bücher "Die Katze im Sack verkaufen" und "Fette Beute für Trainer und Berater", Verlag managerSeminare, Bonn, Telefon: 06151/896 59-0; Email: info@bildung-kommunikation.de; Internet: www.bildung-kommunikation.de (gn)