Bechtle-Chef Thomas Olemotz

Das Systemhaus und die Cloud

16.11.2010
In einem Exklusivinterview mit ChannelPartner kommentiert Bechtle-Chef Thomas Olemotz das Ergebnis des Systemhauses in den ersten neun Monaten 2010 und äußert sich zum Hype-Thema Cloud.

Vergangene Woche hat die Bechtle AG ihr Ergebnis für die ersten neun Monate 2010 präsentiert. CEO Thomas Olemotz kommentiert diese Zahlen und äußert sich zum Hype-Thema Cloud in einem Exklusivinterview mit ChannelPartner.

Dr. Thomas Olemotz, Vorstandssprecher der Bechtle AG: "Reelle Chance, 2010 den Rekordumsatz von 2008 deutlich zu übertreffen"

Herr Olemotz, in den ersten neun Monaten 2010 haben Sie Ihre Umsätze um 20 Prozent und Ihr Vorsteuerergebnis gar um 50 Prozent gegenüber 2009 steigern können. Im adäquaten Vergleich 2008 zu 2010 haben Sie dagegen mit Einbußen zu kämpfen, wie erklären Sie sich das?

Thomas Olemotz: Einbußen auf Ertrags-, nicht aber auf Umsatzseite. 2009 hatten wir sozusagen den "Malus" des sehr erfolgreichen zurückliegenden Jahres 2008 als Maßstab und gleichzeitig die krisenbedingten Umsatzrückgänge zu verkraften. Deswegen vergleichen wir immer die drei Geschäftsjahre 2008 bis 2010 miteinander, um der tatsächlichen Entwicklung am Markt Rechnung zu tragen.
Wenn wir auf der Zielgerade in diesem Jahr keine Stockfehler mehr machen - und danach sieht es laut aktuellem Auftragseingang nicht aus - haben wir eine reelle Chance, 2010 unseren Rekordumsatz von 2008 sogar deutlich zu übertreffen, das ist für uns eine positive Überraschung.

In Ihrem Quartalsbericht rechnen Sie allerdings mit einer verringerten Wachstumsdynamik Ende 2010.

Olemotz: Hier machen sich die sogenannten Basiseffekte bemerkbar. Wir sind sehr schwach ins Jahr 2009 gestartet. Dann hat sich unsere Performance aber von Quartal zu Quartal verbessert. So müssen wir uns nun immer auch mit den stets besser werdenden Quartalsergebnissen 2009 messen. Deswegen wird es für uns 2010 viel schwieriger sein, auch im letzten Jahresviertel so deutlich über Vorjahr zu liegen, wie in den zurückliegenden drei Quartalen.

Aber Ihre Forecasts für 2010 werden Sie dennoch übertreffen?

Olemotz: Auf jeden Fall! Auch wenn unsere Wachstumspläne für 2010 sehr sportlich waren, so hat doch keiner von uns damit gerechnet, dass die krisenbedingten Umsatzausfälle bereits 2010 verdaut sein würden. Das war in dieser Deutlichkeit nicht zu erwarten.

Gibt es hier regionale Unterschiede?

Olemotz: Ja, Südeuropa hat auch heute noch mit der Krise zu kämpfen, aber auch dort liegen wir 2010 wieder deutlich über dem Vorjahr.

Aber dort sind Sie ja nur mit Ihrem E-Commerce-Standbein vertreten.

Olemotz: Genau. Das klassische Systemhausgeschäft betreiben wir nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz, und das wird in absehbarer Zeit auch so bleiben. Hier sind wir mittlerweile mit Systemhäusern fast flächendeckend vertreten. Mit der Akquisition der iits haben wir eine der wenigen Lücken in Norddeutschland geschlossen. Auch den Schweizer Raum haben wir gut abgedeckt und mit dem Markteintritt nach Österreich gute Voraussetzungen dafür geschaffen, auch dort eine führende Wettbewerbsposition einzunehmen. Über unsere Systemhäuser in Wien und St. Pölten hinaus sind wir mit Geschäftsstellen in Graz und Innsbruck vertreten.

Aus Ihrem Quartalsbericht lässt sich entnehmen, dass sich Ihr Tätigkeitsschwerpunkt leicht vom Systemhaus-Segment in Richtung E-Commerce verschiebt.

Olemotz: Das mag den Anschein haben. In der Vergangenheit sind die E-Commerce-Umsätze stärker gewachsen. Aber 2009 gab es dort größere konjunkturbedingte Probleme als im Systemhausumfeld. Da haben die Systemhäuser in Deutschland ganz entscheidend zur Stabilisierung unseres Konzerns beigetragen und dafür gesorgt, dass wir 2009 nur 3,6 Prozent Umsatz verloren haben. Nun erholt sich der E-Commerce-Markt wieder stärker, und so lässt sich dort das höhere Wachstum 2010 erklären. Insgesamt aber messen wir bei Bechtle beiden Segmenten den gleichen Stellenwert zu.

Werden sie im E-Commerce-Umfeld weiter international expandieren?

Olemotz: Ja, aber erst müssen wir das in diesem Jahr gegründete E-Commerce-Business in Polen stabilisieren, bevor wir Anfang 2011den nächsten Schritt nach Tschechien gehen.

Die kundenfreundlichsten Systemhäuser Deutschlands
ChannelPartner Award: "Bestes Systemhaus 2010"
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Die kundenfreundlichsten Systemhäuser Deutschlands 2010 mit einem Jahresumsazt unter 50 Millionen Euro: Schuster & Walther, BSH Systemhaus, Advanced Unibyte
Die kundenfreundlichsten Systemhäuser Deutschlands 2010 mit einem Jahresumsatz über 250 Millionen Euro: Cancom, Bechtle und PC-Ware
Die kundenfreundlichsten Systemhäuser Deutschlands 2010 mit einem Jahresumsatz zwischen 50 und 250 Millionen Euro: MR Datentechnik, IT-Haus und Datagroup
Die kundenfreundlichsten Systemhäuser Deutschlands 2010 - Newcomer des Jahres: Controlware
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Bechtle & Cloud Computing

Cloud Computing stellt derzeit eine Riesenherausforderung für Systemhäuser dar. Hersteller und Analysten prophezeien geringere Software-Lizenzerlöse und weniger Geschäft im Hardware-Umfeld. Wie ist denn Ihre Cloud-Strategie?

Olemotz: Schon heute macht Bechtle weit mehr Umsätze rund um Cloud Computing, als es viele unserer Wettbewerber glauben. Wir kommunizieren allerdings unsere Umsätze nicht unterteilt nach Produktgruppen.

Wie steht Bechtle generell zu Cloud Computing?

Olemotz: Nun, für uns ist die Public Cloud kein relevantes Thema. Dort wird der Mittelstand keine sicherheitssensiblen Applikationen hin verlagern. In der Private wie in der Hybrid Cloud sehen wir hingegen attraktive Geschäftsmöglichkeiten für uns - und zwar aus den bestehenden Strukturen heraus. Wir müssen keinen neuen Geschäftsbereich "Cloud Computing" aus der Taufe heben, sondern können schon heute die infrastrukturellen Voraussetzungen für die private Cloud schaffen und die notwendigen Anpassungen bei Kunden vornehmen - inklusive der Bereitstellung von Software als Service. Das Ganze konfigurieren wir kundenindividuell. Hier sind wir gut aufgestellt und befürchten nicht, dass wir durch Cloud Computing an Geschäft einbüßen.

Also liefern Sie Ihren mittelständischen Kunden weiterhin die Hardware für deren eigene private Cloud?

Olemotz: Ja.

Aber was werden dann Ihre kleineren Kunden tun?

Olemotz: Bis "Cloud Computing" bei kleineren Unternehmen ankommt, dürfte noch einige Zeit vergehen. Alle ernst zu nehmende Cloud-Anbieter kehren die Treppe von oben nach unten. Daher bleiben wir in dieser Frage erst einmal zurückhaltend.
Der breite Mittelstand, den wir als unser Zielklientel begreifen, muss erst für die neue Technologie begeistert werden. Es gilt Vertrauen zu schaffen. Ohne ein überzeugendes Security-Konzept lässt sich dem mittelständischen Kunden kein Cloud-Service verkaufen. Datensicherheit spielt auch bei kleineren Unternehmen eine große Rolle.
Deswegen werden wir noch eine lange Zeit interessantes und valides Business außerhalb der Cloud mit unseren mittelständischen Kunden aus der Industrie betreiben. Installation und Wartung der IT-Infrastruktur beim Kunden vor Ort bleibt unser Brot- und Buttergeschäft.

Aber befürchteten sie keine geringeren Lizenzerlöse, wenn Software nur noch als Service angeboten wird?

Olemotz: Davon spüren wir noch nicht allzu viel. Aber uns ist diese Gefahr bewusst und bringt uns mittelfristig sicherlich auch unter einen gewissen Handlungsdruck. Denn die Umsatz-Struktur im Softwaregeschäft könnte sich ändern. Möglicherweise werden wir im reinen Lizenzgeschäft in Zukunft weniger erlösen als heute, was wir natürlich in anderen Segmente wieder kompensieren müssen, diese Entwicklung will ich nicht ausschließen.
Aber wir sind kein Markttreiber: Als Reseller besteht unsere Aufgabe darin, eine Geschäftsbeziehung zwischen dem Hersteller und Kunden so auf- und auszubauen, dass das Ganze für uns profitabel ist - das ist unser Job. Und wenn der Hersteller in gewissen Teilbereichen direkt mit dem Endkunden Business macht, so kann ich dazu nur sagen, das war schon in der Vergangenheit oft der Fall. Es ist uns gleichwohl immer gelungen, unseren Mehrwert deutlich zu machen und damit auch neues Geschäftspotential zu erschließen, um diese möglichen Umsatzverluste zu kompensieren.

Das könnte Ihnen zum Beispiel mit den so genannten Managed Services gelingen.

Olemotz: Diesen Geschäftsbereich bauen wir ja heute bereits deutlich aus.

Neue Kunden gewinnen

Welche neuen Kundensegmente wollen Sie 2011 adressieren?

Olemotz: Wir legen uns nicht auf bestimmte Branchen fest, wir sind der IT-Partner des Mittelstands und unsere Kunden bilden exakt die Industriestruktur Deutschlands ab. Nach der überstandenen Krise im Maschinenbau und im Automobil-Bereich samt Zulieferer werden wir in diesem Segment 2010 wieder zulegen können. Unser Geschäft mit der öffentlichen Hand haben wir 2009 um sagenhafte 32 Prozent gesteigert. 2010 werden wir das zwar nicht wiederholen können, aber mit einer deutlich zweistelligen Wachstumsrate bleiben die öffentlichen Auftraggeber ein wachstumsstarkes Kundensegment für Bechtle.

Und wie schätzen Sie Ihre Aussichten für 2011?

Olemotz: 2011 dürfte es schwierig werden, die Wachstumsdynamik von 2010 zu wiederholen. Aber das ist keine Überraschung. 2010 wurden viele 2009 noch aufgeschobene IT-Projekte nachgeholt. Die Investitionsbremse ist nun gelöst und Investitionen in neue IT-Infrastruktur realisiert. Bezüglich unserer Entwicklung 2011 mache ich mir grundsätzliche aber keine Sorgen, auch wenn derzeit noch eine gewisse Unsicherheit am Markt herrscht. Das finde ich gut, denn nun beobachten alle Teilnehmer die Entwicklungen am Markt sehr aufmerksam. Ich jedenfalls sehe derzeit keine Anzeichen dafür, dass die bisher positive wirtschaftliche Entwicklung abreißt, der Trend nach oben bleibt, unser Auftragseingang ist sehr gut und ich bleibe unverändert zuversichtlich für das kommende Jahr.

Und wie sehen Sie die Entwicklung im gesamten Systemhausmarkt?

Olemotz: Die Konsolidierung wird anhalten, da der Markt immer noch sehr atomistisch strukturiert ist. Die Tendenz, dass es eine Handvoll Top-Player und eine Vielzahl von kleineren Systemhäusern geben wird, die relativ gesehen nur wenige Kunden bedienen und mit einem klaren regionalen Fokus agieren, wird sich fortsetzen.
Mittelgroße Systemhäuser suchen hingegen immer öfter den Anschluss an einen der Großen der Branche, wie zum Beispiel die dieses Jahr von uns übernommene iits-Gruppe. Dieses mittelgroße Systemhaus mit 40 Millionen Euro Jahresumsatz musste entscheiden, wie es sich in Zukunft am Markt positionieren will. Denn es sind ja auch die Anforderungen und Erwartungen von Kunden, die zu der Konsolidierung führen.
Ein kleines erfolgreiches Systemhaus kann sehr flexibel Kunden mit regionalem Fokus gewinnen, stößt aber an seine Grenzen bei überregional tätigen, größeren Kunden. Um sowohl diesen Kunden als auch den eigenen Mitarbeitern eine Perspektive zu bieten, muss sich dieses Systemhaus überlegen, wie es eine kritische Größe erreichen kann - oft geht das organisch gar nicht. Alternativ können kleinere Systemhäuser auch eine Nische besetzen. Wollen sie aber wachsen, kommen sie um Fusionen oder Akquisitionen nicht herum.
Wenn nun Bechtle Systemhäuser wie die iits übernimmt, so wird dessen Inhaber zwar immer in unsere Struktur integriert, aber er behält weitgehende Freiheiten bei der Gestaltung seines Business.

Wo wird dann Bechtle selbst 2020 stehen?

Olemotz: 2020 wollen wir fünf Milliarden Euro Umsatz erzielen und die Zielmarge von fünf Prozent erreichen. Dafür schaffen wir jetzt die Voraussetzungen. Wir werden die traditionellen Stärken von Bechtle, die das Unternehmen in den vergangenen 27 Jahren so erfolgreich gemacht haben, bewahren. So können wir uns den zukünftigen Herausforderungen stellen. Wo notwendig, werden wir das Geschäftsmodell nicht grundlegend verändern, sondern an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen.
Und das tun wir bereits heute. Sei es beim Cloud-Computing oder der Virtualisierung, aber auch bei der Optimierung unserer internen Zusammenarbeit. Gelingt uns das, bleibt Bechtle auch in Zukunft wettbewerbsfähig, wachstumsstark und wirtschaftlich solide. (rw)