Genau zehn Jahre ist es her, als die Deutsche Telekom der staunenden Öffentlichkeit in Berlin ein voll vernetztes "intelligentes" Musterhaus, das T-Com-Haus präsentierte. Im Zentrum stand die Möglichkeit, angeschlossene Hausgeräte einzeln oder als zusammengefasste Gerätegruppen zu steuern und Statusabfragen von unterwegs durchzuführen. Zur Steuerung wurde dabei ein PDA verwendet - heute eine geradezu museale Produktkategorie. Das T-Com-Haus lockte innerhalb 15 Monaten tausende, neugierige Besucher, die sich in täglichen Führungen zeigen ließen, wie moderne Technik unseren Alltag verbessern kann. Das einzige Problem: Die Nachfrage nach den teils schon damals serienreifen Produkten blieb dürftig. Zu kompliziert, zu teuer, zu wenig kompatibel, lautete damals das Urteil der Besucher.

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Erst mit dem Boom der Smartphones und Apps entstand ab 2008 aus den vielen, kreativen Einfällen zum smarten Zuhause langsam ein reales Marktsegment, das bis heute kontinuierlich zulegt. Laut einer Prognose des Consulting-Unternehmens Deloitte könnte der europaweite Jahresumsatz für das vernetzte Wohnen bis 2017 rund 4,1 Milliarden Euro erreichen. Das heute bei fast Jedermann vorhandene Smartphone dient dabei als zentrale Steuereinheit für alle Anwendungen, die das Heim intelligenter machen.
Zukunftsmusik für Otto Normalverbraucher
Eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie des Bluetooth-Verbands, für die im Januar 2015 mehr als 4.000 Konsumenten aus Deutschland, Großbritannien und aus den USA befragt wurden, macht aber deutlich: Für die Mehrheit der Verbraucher ist das Smart Home noch Zukunftsmusik. Während nur sechs Prozent aller Befragten (Deutschland: vier Prozent) glauben, dass die Ära des intelligenten Heims bereits begonnen hat, denken zwei Drittel, dass sie im nächsten Jahrzehnt in automatisierten Heimen leben werden (Deutschland: 69 Prozent).

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Die Verbraucher haben in der Untersuchung auch benannt, was ihrer Meinung nach Smart Home-Lösungen für eine allgemeine Verbreitung benötigen. An erster Stelle stehen bei mehr als der Hälfte eine einfache Bedienung (gesamt: 54 Prozent, Deutschland: 57 Prozent) sowie eine einfache Einrichtung des Geräts (gesamt: 41 Prozent, Deutschland: 40 Prozent). Preis und Sicherheit wurden ebenfalls häufig genannt. 42 Prozent der Konsumenten glauben, dass sowohl Datensicherheit (Deutschland: 45 Prozent) als auch konkurrenzfähige Preise (Deutschland: 33 Prozent) Smart Home-Geräte deutlich attraktiver machen. Derzeit haben aber 67 Prozent der Verbraucher (Deutschland: 63 Prozent) Bedenken, dass einige Smart Home Devices ihre Daten angreifbar machen könnten.
"Die Studie belegt, dass die Nachfrage der Konsumenten nach Smart Home Devices existiert und dass sie Produkte möchten, die einfach funktionieren", sagt Mark Powell, Executive Director der Bluetooth SIG. Die Schlussfolgerung des Verbandspräsidenten: "Hersteller von Smart Home-Produkten, die einfach, kostengünstig und sicher sind, werden die Gewinner in diesem Segment sein".
Erfolgsfaktor Energieeffizienz
So wundert es kaum, dass hierzulande vor allem Hersteller aus dem Netzwerk- und Telekommunikationsbereich ihr Portfolio um Produkte für die Heimvernetzung erweitert haben: Wer verstanden hat, wie man Verbrauchern die Nutzung eines WLAN-Routers oder eines DECT-Telefons so erklärt, dass die Leitungen der Kundenhotline nicht glühen, kann auch Smart Home-Lösungen erfolgreich an den Mann bringen.
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Was angeboten wird, ist genau auf die Anwenderbedürfnisse zugeschnitten: "Die Anwender erwarten von Smart-Home-Produkten in erster Linie mehr Komfort, Sicherheit und Energieeffizienz", erklärt Michael Dopmeier, Leiter Indirekter Vertrieb Deutschland bei AVM. Als echter Bestseller unter den Smart Home-Produkten hat sich laut Dopmeier die intelligente Steckdose "Fritz DECT 200" entwickelt. Mit ihr sowie mit "Fritz Powerline 546E" lässt sich die Stromzufuhr angeschlossener Geräte aktivieren oder deaktivieren. Zusätzlich kann der Nutzer den Stromverbrauch messen - über PC, mobile Endgeräte oder das von AVM angebotene Schnurlostelefon "Fritz Fon".
Beim Wettbewerber Gigaset greifen die Kunden zuerst einmal zum Starter Kit, ohne das der Einstieg in die Produktwelt von "Gigaset elements" nicht möglich ist. "Aktuell sind wir insbesondere mit den Verkaufszahlen der Kamera, die wir Ende letzten Jahres eingeführt haben, sehr zufrieden", erläutert Oliver Diener, Head of Convenient Living bei der Gigaset Communications GmbH. Eine ähnliche Entwicklung verzeichnet man bei D-Link: "An erster Stelle stehen die IP-Kameras, die Anwender häufig als Einstieg in den Smart Home Bereich nutzen. Im Plug & Play Segment sind Smartplugs (intelligente Zwischenstecker), Bewegungsmelder, Rauchmelder sowie Tür- und Fensterkontakte stark nachgefragt", erklärt Mike Lange, Director Business Development bei D-Link Deutschland.
Starke Baumarkt-Nachfrage
Grundsätzlich könnte man meinen, dass bei Interesse an den nicht immer selbsterklärenden Smart Home Produkten der Weg zuerst einmal in den Fachhandel führt. Das ist aber nicht so, berichtet Gigaset-Manager Oliver Diener: "Unsere Smart Home Produkte werden vor allem im Online Kanal nachgefragt, natürlich spielt der klassische CES-Markt aber auch eine wichtige Rolle. Ein zuletzt erfolgter Markteintritt bei einer großen deutschen Baumarktkette läuft sehr gut an und deutet darauf hin, dass es auch hier eine Nachfrage gibt."
Bei AVM schreibt Michael Dopmeier dem Fachhandel eine gewichtigere Rolle zu: "Der Markt ist sehr vielseitig und daher ist Beratung gefragt, um den Kunden bedarfsgerechte Produkte anzubieten. Dies leistet insbesondere der Fachhandel, den wir umfassend in Workshops, mit Informationen und Material zu unseren Produkten unterstützen." Bei Smart Home sei es besonders wichtig, am POS den konkreten Nutzen zu beschreiben, unterstreicht Dopmeier.
Nach Einschätzung von D-Link ist der stationäre Handel insbesondere dann gefragt, wenn es um erklärungsbedürftige Lösungen geht: "Der Fachhandel verfügt mit seiner lokalen Präsenz und der Affinität zu Serviceleistungen über wichtige Erfolgsfaktoren, um Smart Home Lösungen an den Endverbraucher zu bringen. Gerade bei Haushalten oder Unternehmen, in denen komplexere Anwendungen zum Einsatz kommen und Serviceleistungen benötigt werden, steht der Fachhandel beratend zur Seite", meint Mike Lange von D-Link.
Impulskäufe im unteren Preissegment
Haben Fachhändler also nur eine Chance im sogenannten Premium-Markt, wo es um aufwändige Smart Home Installationen für technisch interessierte Eigenheim-Errichter geht? Die Wahrheit liegt wie so häufig in der Mitte: Preisgünstige Smart Home Produkte sind häufig Impuls-Käufe: Wenn der Verbraucher auf Anhieb versteht und benötigt, was ein Produkt in der Preisklasse bis 50 Euro leistet, wird auch im Ladengeschäft schnell zugegriffen. Für komplexere Plug- and Play-Lösungen werden Preise verglichen und häufig dürften hier Onlineanbieter im Vorteil sein. Geht es um Festeinbauten, also die Verkabelung und Anbindung zahlreicher, technologisch heterogener Systeme, hat wiederum der stationäre Spezialist die Nase vorne.