Die Rechenzentren-Szene in Deutschland ist in puncto Energieverbrauch in den vergangenen Jahren bereits effizienter geworden. Dennoch zeigten sich Experten auf dem jüngst in Darmstadt bereits zum sechsten Mal ausgerichteten Future Thinking-Kongress davon überzeugt, dass das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist. Werden vorhandene und bald marktreife Konzepte und Techniken umgesetzt, lassen sich wohl noch weitere 50 Prozent der heute weitgehend sinnlos in Kühlsystemen verblasenen Energie einsparen.
"Wir haben erreicht, dass das Thema Energieeffizienz in den Köpfen der Verantwortlichen mittlerweile mehr oder weniger fest verankert ist und auch bei Bau- oder Kaufentscheidungen Einzug gefunden hat", betont Ulrich Terrahe, Geschäftsführer der dc-ce Rechenzentren-Beratung in Frankfurt am Main, treibende Kraft und Organisator von "Future Thinking".
Zum fünften Mal wurde im Rahmen der Rechenzentrum-Kongress-Messe der Deutsche Rechenzentrumspreis vergeben. Terrahe: "Damit schaffen wir Anreize, sich über Effizienzsteigerung Gedanken zu machen, und wollen innovative Forschungen und Projekte auch belohnen." Ausgezeichnet wurde unter anderem das Projekt "Datacenter Power Plant: Rechenzentren als Rückgrat der Energiewende" von Dr. Ralph Hintemann vom Borderstep Institut.
Angefangen bei einfachen Serverschränken und Serverräumen über kleine und mittlere Rechenzentren bis hin zu Großrechenzentren mit über 5.000 Quadratmetern Fläche gibt es dem Borderstep Institut zufolge insgesamt rund 50.000 Unternehmensrechenzentren aller Kategorien in Deutschland.
Luftzuführung optimieren und Temperaturen hochschieben
War vor zehn Jahren ein Rechenzentrum noch relativ heterogen mit frei in den Raum gestellten Datenschränken / Racks aufgebaut, ist seit einigen Jahren technologisch das Thema Einhausung en vogue. Im Gegensatz zu der anfangs betriebenen, sehr ineffizienten Methode der planlos hineingepumpten kalten Luft wird mit dem Konzept der Einhausung versucht, die Luft ganz gezielt zu den Rechnern und auch wieder von ihnen abzuführen. Terrahe: "Dieses System sorgt gleichzeitig dafür, dass sich kalte und warme Luft nicht mehr vermischen können."
State of the Art ist es dem Rechenzentrum-Experten zufolge heute, noch darüber hinauszugehen und die Temperaturen im Serverraum schrittweise zu erhöhen. Allgemeine Faustformel: Ein Wärmegrad ergibt zwischen zwei und vier Prozent Energieeffizienzsteigerung. Von ehemals eiskalten Zulufttemperaturen von 11/12 Grad über 16/17 Grad als langjährigen Standard werden die Rechenzentrums-Server heute problemlos bereits mit 20 bis 22 Grad gekühlt. Innovative Raumlufttemperaturen liegen dagegen mittlerweile bei 23/24 Grad. Terrahe: "Ganz Mutige gehen mit der Zulufttemperatur sogar noch höher."
Die Wirklichkeit hinkt dem heute bereits technisch Möglichen jedoch noch weit hinterher: Lediglich 20 bis 30 Prozent der deutschen Rechenzentrumsbetreiber verfolgen bereits Konzepte und Lösungen zum "Hochschieben der Temperaturen". Dennoch werden die Optimierung der Luftführung und die Angleichung der Temperaturen in den nächsten Jahren den Weg zum anerkannten Standard finden, zeigt sich der Rechenzentrum-Experte optimistisch. Terrahe: "Die Einhausungslösung ist heute in den meisten Köpfen fest verankert und in der Praxis zu 50 Prozent umgesetzt. Jetzt machen die Betreiber ihre Erfahrungen damit und werden sich allmählich auch trauen, die Temperaturen im Rechenzentrum anzuheben."
Marktreife Technologien wie effizientere USV-Anlagen oder ausgeklügelte Klima-Kältekonzepte stehen bereits heute zur Verfügung. Weitere Effizienzsteigerungen werden durch Innovationen in naher und mittlerer Zukunft möglich.
Infrastruktur und IT wachsen zusammen
Als einen der mittelfristigen Trends haben die Experten die Einebnung der noch überwiegend vorherrschenden Trennung zwischen Infrastruktur wie Klimatisierung, Stromversorgung und IT selbst ausgemacht. "Die Branche fängt an, beides integral zu sehen", analysiert Terrahe. Für genau diesen Ansatz wurde das Projekt "Temperatursensor-Matrix für DCIM" von Fujitsu Technology, ausgezeichnet. Der Preisträger unterscheidet in seinem Forschungsprojekt nicht mehr zwischen Klimatisierung des Raums und der Server. "Beides wächst ineinander. Solche Gesamtsysteme werden in naher Zukunft kommen", zeigt sich der Veranstalter überzeugt.
Rechenzentren aus dem Container
"Die Standardisierung der Server-Infrastruktur ist an und für sich größer als in der Automobilindustrie, trotzdem sehen viele Rechenzentren innen heute noch komplett anders aus", bricht auch Alexander Hauser, Geschäftsführer der e3-Computing in Frankfurt am Main, eine Lanze für mehr industrialisierte und standardisierte Rechenzentrum-Produkte. Verschiedene Hersteller böten bereits heute interessante Container-Lösungen, primär mit Fokus auf den Mittelstand. "Kurz- und mittelfristig stehen die Unternehmen vor der Notwendigkeit, ihre Rechenzentren zu modernisieren oder komplett neu zu bauen", schlussfolgert Bernd Hanstein, Produktmanager IT bei Rittal. Investitionen in moderne Rechenzentren trügen dazu bei, die laufenden Betriebskosten zu senken und die eigene Wettbewerbsstärke zu erhöhen. Hanstein: "Gleichzeitig könnten Unternehmen so schneller auf geänderte Marktanforderungen reagieren."
Das Funktionsprinzip: Bei Container-Rechenzentren wird kein separater Raum mehr für IT und Server zur Verfügung gestellt, sondern nur noch eine fertige Box mit bereits integrierter IT aufgestellt. Langwierige Planungsprozesse und die Kosten eines Neubaus können so optimiert, Vorteile in der Supply-Chain besser ausgenutzt werden.
Virtuelle Infrastrukturen geerdet
Gibt es in zehn Jahren überhaupt noch ein Unternehmensrechenzentrum im klassischen Sinn oder managen virtuelle Maschinen in virtuellen Netzen die Daten an irgendwelchen Standorten? Auch diese Frage wurde auf dem Darmstädter Rechenzentrum-Kongress auf den Podien und unter den Fachbesuchern heiß diskutiert.
Den Ansätzen der Software-Industrie wie beispielsweise von VMware, nach und nach alle Aspekte eines Rechenzentrums wie Rechenleistung, Prozessorleistung, Netzwerk und Speicher (Storage/Platten) zu virtualisieren, wurde im Kongresszentrum Darmstadtium ein allgemeingültiges Naturgesetz gegenübergestellt: Daten können letztendlich nicht allein in einer virtuellen Welt vorgehalten werden; es muss immer auch ein physisches Element geben. Michael Würth, Leiter Rechenzentrums-Infrastruktur bei der SAP, präzisiert: "Ich glaube nicht, dass wir in zehn Jahren eine komplett andere Rechenzentrums-Landschaft haben werden als heute. Die Annahme, dass sich die Daten virtuell in der Cloud verteilen, bedeutet für mich, dass Daten gegebenenfalls verteilt in unterschiedlichen Rechenzentren liegen."
Über die bereits aufgezeigten Trends hinaus wird auch im Rechenzentrum-Umfeld eine immer weitere Verkleinerung der Technik Einzug halten: Auf immer weniger Raum wird zunehmend mehr Rechen- und Speicherkapazität zur Verfügung gestellt, heutige Handy-Technologie auf die Server übertragen etc. Bereits auf dem Kongress im vergangenen Jahr präsentiert wurden Hochleistungsserver mit 50 bis 70 Chips auf einer Einheit. Sie verbrauchen verdichtet, also auf eine kleinere Fläche komprimiert, die gleiche Energie wie früher fünf bis acht Intel- oder AMD-Chips. Auch die Wärmeabgabe der neuesten Servergeneration ist weit geringer.
Weitere Zukunftsszenarien
In puncto Virtualisierung wird, auf zehn Jahre hin gesehen, eine Mischform als gängige Rechenzentrum-Praxis wahrscheinlich. Klaus Jansen aus dem VMware-Vertrieb betont: "Das Verhältnis zwischen Workflow und Diensten im eigenen Rechenzentrum wird sich massiv in Richtung Workflow aus einer Public Cloud verschieben." Dabei müsse aber zentral eine stringente Verwaltung über den Workflow gelegt werden, die auch über den Verbleib der einzelnen Maschinen im Bilde ist.
"Was sich vor allem verändert, ist die Gestalt eines Rechenzentrums. Die Leistungsdichte bei den Servern wird noch mehr zunehmen, das Thema Speicher viel stärker in den Vordergrund treten, weil die Datenmengen immens anwachsen", prognostiziert Veranstalter Terrahe: "Es wird auch weiterhin die großen Kästen geben. Aber sie werden von innen anders aussehen als heute."
Vieles spricht der versammelten "Future Thinking"-Expertenrunde zufolge dafür, dass es mittelfristig beide Welten parallel geben wird - sowohl das herkömmliche individuelle Rechenzentrum als auch die neu aufkommenden, zusammensteckbaren Module und Container. Zudem werden immer mehr Rechenzentren von Energieversorgern und Mittelständlern in kleineren oder mittelgroßen Städten gebaut.
Last, but not least bleibt die Energieeffizienz stets im Fokus: Moderne Rechenzentren sind bereits heute indirekt große Energiespeicher. Terrahe: "USV-Dieselanlagen usw. könnten daher in Zeiten der Energiewende bei Schwachwind oder unzureichender Sonneneinstrahlung Energie in das Stromnetz-Netz einspeisen - eine Dynamik, die aktuell sehr stark diskutiert wird."
Im Folgenden stellen wir Ihnen übersichtlich noch einmal alle Trends für das "Rechenzentrum der Zukunft" vor.
Allgemeine RZ-Trends
Automatisierung und Vereinfachung: Effizienzsteigerung auch aus dem Humanbetrieb, weniger aus der Technik selbst.
Rechenzentren-Management: weg von Infrastrukturkomponenten und hin zum logischen Zusammenhang. Die Anwendung selbst wird zum bestimmenden Objekt, dem sich alles unterordnet.
Temperaturen (über neue Hardware) weiter nach oben fahren
Rechenzentren künftig ganz ohne Kühlung betreiben
Für die heute noch gängige Abwärme eine neue, sinnvolle und vor allem auch wirtschaftliche Nutzung finden.
RZ-Trends in der Umsetzung
Einsatz von Einhausungen in Rechenzentren
Einführung von Monitoring-Systemen (DCIM)
Erfassung von Energiedaten, um den PUE-Wert zu ermitteln (Effizienz des Stromverbrauchs)
Modernisierung der klimatechnischen Anlagen zur Steigerung der Energieeffizienz
Anhebung der Zulufttemperatur
RZ-Trends für die fernere Zukunft
Freikühlkonzepte direkt mit Außenluft oder mit Kreuzwärmetauschern
Direkte Kühlung von Serverkomponenten mit Wasser
Dynamische Speichersysteme:
Einbindung von Batterien in das Netz
Eisspeicher
Phase Changing Material (PCM), um Kompressionskühlung einzusparen
Einbindung der Notstromaggregate in die Netzversorgung
Zusammenspiel von IT und Infrastruktur: Server und Klimaschränke kommunizieren miteinander! (sh)