Die erste starke Verschiebung ist der Wechsel von On-Premise Software bis hin zu cloud-basierten Lösungen. Dieser unaufhaltsame Trend, der durch Vorreiter wie salesforce.com Marktreife erlangte, ist zwischenzeitlich ein Geschäftsmodell für zahlreiche Start-Up's und auch für langjährig bestehende Software-Unternehmen. Damit einher geht die massive Reduzierung für große, langwierige und oftmals teure IT-Projekte zur Implementierung unterschiedlichster Software-Lösungen. Und genau das war über Jahrzehnte hinweg das "Brot & Butter-Geschäft" für Reseller.
Der Einsatz beziehungsweise die Nutzung einer Cloud-Lösung erfordert sicherlich immer noch unterstützende Leistungen wie Anpassung oder Schnittstellenmanagement, aber der Aufwand und damit die Projektgröße ist ein Bruchteil der Vergangenheit. Und genau deswegen sind Cloud-Lösungen besonders für mittelständische Anwender interessant - diese waren für die meisten Reseller in der Vergangenheit die Kernzielgruppe.
Alle Experten sind sich einig, dass sich dieser Trend hin zu Cloud-Lösungen fortsetzen wird. Die nachstehende Grafik zeigt eindrucksvoll das erwartete Wachstum in den nächsten Jahren.
Wie sollen die Reseller nun Ihr Geld verdienen, wenn die typischen IT-Projekte wegbrechen? Die Margen aus dem reinen Hardware- und Lizenzverkauf reichen nicht aus, da diese in der Vergangenheit nur einen kleinen Teil dargestellt haben, die Ertragsquelle waren die Projektdienstleistungen.
Wechsel der Budgetverantwortung
Die zweite massive Veränderung ist die von Gartner herausgegebene Prognose, dass bis 2017 der Löwenanteil von IT-Ausgaben von den Chief Marketing Officers und nicht mehr vom CIO verantwortet werden.
Dass dies nicht irgendeine subjektive Meinung der Gartner Analysten darstellt, unterstreichen sicherlich die zahlreichen Akquisitionen der großen Software-Riesen der letzten Jahre, die durchwegs stark auf Marketing-Lösungen fokussiert waren:
Salesforce hat 3,5 Milliarden investiert um über Lösungen zu verfügen, die es Salesforce erlaubt ihre eigene Marketinglösung aus der Cloud anzubieten.
IBM hat CoreMetrics und Unica für 1 Milliarde Dollar übernommen.
Oracle hat 1,2 Milliarden Dollar ausgegeben, um sich Vitrue und Eloqua zu sichern.
Microsoft hat Marketing Pilot und Netbreeze übernommen, um Dynamics CRM abzurunden.
Der Vertrieb der Reseller ist es seit Jahren gewohnt mit der IT zu sprechen, es wurde überwiegend an die IT-Abteilung verkauft. Die persönlichen Kontaktnetzwerke sind stark auf die IT-Abteilungen ausgerichtet.
Was passiert nun, wenn der wirklich relevante Kontakt, der Budget-Inhaber nicht mehr aus der IT-Abteilung stammt, sondern aus den Bereichen Marketing und Vertrieb?
Was passiert, wenn die seit Jahren gewachsenen Netzwerke massiv an Bedeutung verlieren?
Was passiert, wenn die seit Jahrzehnten erfolgreich angewandten technisch orientierten Verkaufsargumentationen plötzlich nicht mehr funktionieren, da auf der Gegenseite Menschen mit Verantwortung für Marketing und/oder Vertrieb die Entscheidungen treffen?
Was passiert, wenn bei der Nutzung von Cloud-Lösungen, die IT-Abteilung plötzlich nur noch eine Nebenrolle spielt, da Verantwortliche aus den Bereichen Finance, Marketing und Vertrieb sowie Personal der Hauptkontakt sind?
Wenn man diese Herausforderungen betrachtet, ist das nichts für schwache Nerven und es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich einige Reseller nicht von heute auf morgen dieser neuer Situation anpassen können. Es erfordert auf Seiten der Reseller ein komplettes Umdenken hinsichtlich des zukünftigen Service-Portfolios und des zukünftigen Vertriebsansatzes, um auch in Zukunft ein profitables Geschäft machen zu können.
Der bis dato von vielen Resellern stark technisch getriebene Vertrieb wird zusätzlichen Herausforderungen gegenüberstehen. Wenn der Entscheider in der Vergangenheit ein IT-Leiter war, konnten die Reseller und Systemhäuser mit diesem technischen Ansatz immer wieder punkten. Die Entscheider der Zukunft haben jedoch nur im Ausnahmefall eine technische Expertise, hier geht es um den reinen Lösungsvertrieb. Dieser ist nur dann erfolgreich, wenn die Verkäufer ihren Kunden zuhören, ihre Kunden verstehen und eine bedarfsgerechte Lösung vorstellen, die nur vom Nutzen für den Kunden und nicht von Technologien, Daten und Fakten lebt.
Vom Projektgeschäft zum Retainer-Modell
Meine Empfehlung für Reseller lautet dringend, das Business Modell so schnell wie möglich umzustellen: Weg vom Projektgeschäft und hin zu festen wiederkehrenden Umsätzen.
Wenn Reseller Cloud-Lösungen inklusive Dienstleistungen anbieten, wird es möglich diese wiederkehrenden festen Umsätze zu realisieren. Dies trifft vor allem auf Managed Services zu - heutzutage werden Reseller mit Hosting Services kaum mehr Geld verdienen. Renommierte Anbieter, wie Amazon, Microsoft, Google und viele hochspezialisierte kleinere Hosting-Anbieter, können dies für verträgliches Budget abbilden. Aber dafür gewinnen Software Services massiv an Bedeutung, denn die wenigsten kleinen und mittelständischen Unternehmen sind in der Lage den Support für die Vielzahl von Anwendungen mit eigenen Ressourcen zu leisten.
Erfahrungen belegen, dass Reseller, die ein Managed Service Paket anbieten, die bisherigen Projektbudgets von 20.000 bis 100.000 Euro heute in einen monatlichen Retainer von 2.000 bis 10.000 Euro pro Monat wandeln können. Das hat zwei Vorteile:
a) erleichtert dies das oftmals kritische Thema "Personaldisposition", da IT-Reseller/Systemhäuser die immensen Schwankungen an benötigten Ressourcen ausgleichen und
b) bieten die Retainer-Modelle ein hohes Maß an finanzieller Planbarkeit und Sicherheit.
Kombination von Inbound Marketing und proaktiver Akquise
Reseller setzen naturgemäß oftmals noch auf die traditionellen Wege zur Kundengewinnung: Empfehlungen, Netzwerke, Events und Messen. Jeder, der seit längerer Zeit in der IT-Branche zu Hause ist weiß, wie sich die Aufwendungen um beispielsweise Interessenten und Kunden für die Teilnahme an einem Event zu gewinnen, entwickelt haben. Der Aufwand hat sich um ein Mehrfaches vervielfacht.
Auch die Wirtschaftlichkeit und Effektivität von Messen darf hinterfragt werden.
Analog haben Empfehlungen teilweise an Wirksamkeit verloren, da der Anteil von Käufern/Entscheidern, die sich nicht blind auf Empfehlungen verlassen und stattdessen im Netz nach Lösungen suchen, ständig steigt.
Historisch bedingt und - wie oben beschrieben - oftmals sehr technisch getrieben, haben Reseller ihr Eigenmarketing vernachlässigt und es als ein notwendiges Übel betrachtet. Die Denkweise der Reseller muss sich kurzfristig ändern, wenn sie zukünftig ihre neuen Ansprechpartner/Entscheider erreichen wollen.
Marketing und Vertrieb der Händler muss eine intelligente Kombination aus Inbound Marketing, einem hoch automatisierten Lead Nurturing-Prozess und einer qualifizierten, proaktiven Leadgenerierung sein. Reseller, die sich bereits heute auf die neuen Entscheider ausrichten, Bedürfnisse kennen und deren Sprache sprechen, werden diesen massiven Wandel meistern. (bw)