Kennen Ihre Kunden eigentlich den Unterschied zwischen einem Notebook und einem Netbook? Und ist das Samsung Galaxy Tab ein Tablet oder doch eher ein Smartphone? Die Grenzen zwischen den Produkten und den Möglichkeiten mobiler Geräte verschwimmen zunehmend.
Kurz vor Einführung des Apple iPad tauchten erste Meldungen auf, wonach Hersteller wie HP und Dell ihre Investitionen im Netbook-Segment zurückfahren würden. Vorangegangen waren bereits zwei Jahre Preiskampf. Hinzu kam der zu erwartende Tablet-Boom nach dem Launch des iPads, der auch tatsächlich eingetreten ist. Die Entscheidung war daher durchaus nachvollziehbar.
HP Deutschland sagt dazu: "Die Slate-Produktkategorie wird unserer Meinung nach die Netbooks nicht ganz verdrängen, sondern eine interessante Alternative beziehungsweise auch Ergänzung darstellen. Nicht für jeden Kunden, der ein mobiles Produkt sucht, ist ein Slate die optimale Lösung. Ein Geschäftsreisender beispielsweise, der unterwegs viel schreiben muss, wird auf den Komfort einer Full-Size-Tastatur, wie sie unsere Minis oder Notebook-PCs bieten, langfristig nicht verzichten wollen", so Thomas Karg, Director Category Management der Personal Systems Group.
Auch andere Hersteller wie Asus stehen nach wie vor voll hinter dem Netbook-Konzept: "Tablets werden Netbooks in absehbarer Zeit nicht ablösen. Genauso wie bei unserem Launch des Eee PC im Jahr 2007 mancher schon das Ende der Einsteiger-Notebooks prophezeit hat, wird es sich auch bei den Tablets um Ergänzungsprodukte mit einem relativ spitzen Anwendungsgebiet handeln. Natürlich gehen wir davon aus, dass es entsprechende Kannibalisierungseffekte geben wird; diese werden sich aber in einem relativ überschaubaren Bereich bewegen", meint Jan Schneider, Sales Director der Asus Computer GmbH.
Von Kannibalen und Symbiosen
Immer häufiger fällt der Ausdruck "Kannibalisieren", wenn Hersteller und Marktforscher vom derzeitigen mobilen Produktangebot sprechen. So stellt sich die Frage, ob einige Gerätekategorien in absehbarer Zeit das gleiche Schicksal ereilen könnte wie vor wenigen Jahren die PDAs, die für Smartphones den Platz räumen mussten. Würde es einem Kleinunternehmer nicht reichen, nur mit einem Smartphone und einem Netbook unterwegs zu sein?
"Schon", meint Zili Zhao, Produktmanager bei der Wortmann AG, "besonders für ganz kleine Business-Kunden reichen sogar ein Handy plus ein Netbook und ein PC fürs Büro und unterwegs." Da aber manche Kleinunternehmer, zum Beispiel aus dem Handwerksbereich, oft die spezifischen Funktionen der unterschiedlichen Produktkategorien gar nicht kennen und nicht wissen, was für ihre Bedürfnisse das richtige ist, ist hier - mehr als früher - der Fachhandel gefragt.
Consumer-Produkte sind zwar günstiger und können oft viele Anforderungen befriedigen, aber der Kunde sollte über alle Vor- und Nachteile aufgeklärt sein. Und dass am Ende eines solchen Verkaufsgesprächs ein Consumer-Produkt reicht, glaubt die Mehrzahl der großen Hersteller eher nicht. "Wir bezweifeln, dass SMB-Kunden mit anderen mobilen Geräten anstelle eines B2B-Notebooks derzeit zufriedenstellend beraten wären. Diese Kunden sind auf ein zuverlässiges und leistungsstarkes Notebook angewiesen, das zudem über eine optimale Ausstattung, wie ein hervorragendes Display oder eine angenehme Tastatur, verfügen sollte. Netbooks und Tablets werden diesen Ansprüchen zu diesem Zeitpunkt nicht gerecht", behauptet Stefan Holländer, Marketing Director der Sony Deutschland GmbH.
Ein friedliches Miteinander von Business- und Consumer-Geräten bei Firmenkunden beobachtet dagegen Asus-Manager Schneider - mit gewissen Einschränkungen: "Wir sehen, dass es auch im Business-Segment durchaus Möglichkeiten gibt, sich mit Consumer-Geräten zu positionieren. Auch unsere Stückzahlen im Systemhausbereich beruhen zum Teil auf Produkten, die eigentlich für den Consumer-Markt entwickelt wurden. Allerdings gibt es insbesondere in Deutschland einige ganz konkrete Features wie Non-Glare-Displays, die in diesem Segment von vielen Kunden vorausgesetzt werden. Die Akzeptanz von Consumer-Geräten ist daher in Teilbereichen vorhanden, in Summe aber sind sie ein Nischenmarkt."
Während noch vor wenigen Jahren das Thema Mobile Computing nur mit Notebooks besetzt war, geht der Trend immer mehr zum Zweit- und Drittgerät - von den mobilen Geräten, die über WLAN-Verbindung innerhalb von Privathaushalten dazukommen, mal ganz abgesehen. Dieser Meinung ist auch Dirk Thomaere, General Manager Computer Systems Central Europe bei Toshiba: "Der SMB-Kunde stellt an sein System Anforderungen, wie beispielsweise die Anbindung an seine vorhandene Hard- und Software sowie Security. Diese Punkte erfüllt ein B2B-Notebook wesentlich besser als ein entsprechendes Consumer-Modell. Je nach Anwendungsbereich sind weitere Geräte wie beispielsweise Media-Tablets auch im SMB-Segment als Zweitgerät sinnvoll und haben ihre Vorteile. Mit Einbindung eines Citrix-Clients sind sie unterwegs eine interessante Bereicherung für den Business-Kunden, da sie lange Akku- und Stand-by-Zeiten bieten und innerhalb von Sekunden betriebsbereit sind."
Mobil in der Wolke
Apropos betriebsbereit: Ob per Smartphone, Netbook, Tablet oder Notebook - eines wollen alle: den Zugriff auf Anwendungen und Daten. Während vor allem im Smartphone- und Tablet-Bereich das Thema Anwendungen durch die schnell zunehmende Anzahl von Apps bedient wird, liegen die Daten entweder auf Netzwerkspeichern oder im privaten Bereich auf dem Gerät selbst (MP3, Bilder etc.). In diesem Zusammenhang wird auch im Mobility-Segment das Thema Cloud Computing eine immer wichtigere Rolle spielen.
Michael Melzig, Manager Marketing Business Clients bei Fujitsu Technology Solutions, sieht die künftige Entwicklung so: "Cloud-Services und das Applikationsangebot für mobile Endgeräte werden zunehmen - das ist der Einstieg, aber mitnichten das Ende der Evolution. Private Anwender werden hier in Bezug auf die Akzeptanz solcher Angebote sicherlich die Vorreiterrolle einnehmen, gefördert durch Angebote der DSL-Netzbetreiber. Alternativ werden bodenständige deutsche Unternehmen sicherlich auch ihre eigenen Firmennetze weiter ausbauen. Aber die Ergänzung durch Cloud-Services steht auch hier ganz klar auf der Agenda, weil die Preisvorteile die Entscheider überzeugen nach der Formel: Ich zahle nur, was ich nutze und solange ich es nutze."
Es scheint so, als seien es wieder einmal die Privatanwender, die ein für Unternehmen entworfenes Konzept ohne Vorbehalte mittels ihrer mobilen Geräte ganz selbstverständlich in das tägliche Leben integrieren. Das glaubt auch Jan Vollrath, Vertriebsdirektor bei der Bluechip AG: "Cloud Computing ist und wird stark von den privaten Nutzungsmöglichkeiten getrieben. Verschiedene Devices wie Smartphones, Tablets und iPads sind bestens geeignet, internetbasierte Angebote zu nutzen. Insbesondere private Nutzungsmöglichkeiten wie Facebook, Youtube und Xing, aber auch Speichermöglichkeiten für Daten und Bilder sind zurzeit schon wesentlich besser greifbar als Cloud-Angebote für den Business-Bereich. Der Nutzungsgrad wird noch stärker steigen, je besser die Geräte für den Webeinsatz geeignet sind. Dazu zählen Faktoren wie Displaygröße, Navigationsfähigkeit oder die Integration von Datenkonsolidierungssoftware. Mit Spannung bleibt abzuwarten, wie private mobile Geräte auch den Weg zu den Business-Anwendungen finden beziehungsweise in diese integriert werden."
Was die Zukunft bringt
Wäre es nicht schön, wenn in Zukunft nur ein einziges Gerät alle mobilen Anforderungen der Consumer- und Business-Kunden befriedigen würde? Da müssen wir Sie leider enttäuschen. Aus heutiger Sicht der Hersteller wird es das, zumindest in den nächsten fünf Jahren, nicht geben. Dennoch haben die Anbieter verschiedene Visionen, etwa FTS-Manager Melzig: "Um die Flexibilität der Work-Life-Balance für den Anwender zu steigern, werden vor allem die smarten Hilfefunktionen zunehmen. Da wäre zum Beispiel die Renaissance der Spracheingabe in Kombination mit Sprachausgabe - zum Beispiel bei einem Feature, bei dem eine soeben eingetroffene Mail über Headset oder Lautsprecher direkt vorgelesen wird. Und ganz wichtig: Diese Funktionalität wird nicht den heutigen 'Luxuslimousinen' vorbehalten bleiben, sondern sich generell durchsetzen."
Lenovo sieht Entwicklungspotenzial vor allem im Consumer-Segment unter dem Dach der Konvergenz: "Neue Technologien werden drei Themen folgen: Preis, Bedienungsfreundlichkeit und günstiger Energieverbrauch. Eine neue/alte Konvergenz ist sicherlich das Verschmelzen von Anwendungen, wie Fernsehen+Internet, Spiele+Fernsehen und Kino+Spiele", erklärt Lars Henkel, Business Manager IDEA Regions GII & Nordics, bei Lenovo.
Weniger Veränderungen auf Produktseite, dafür aber Weiterentwicklungen auf technologischer Basis könnten neue Kaufanreize aus dem B2B-Umfeld bringen, meint Sebastian Fernando Eiden, Channel & Product Manager der Samsung Mobile Computing Division: "Notebooks, Netbooks und Tablets werden auch in fünf Jahren noch die größten Anteile im IT-Segment haben. Hinzukommen werden neue intelligente Lösungen, die individuelle Bedürfnisse bedienen und daher eher als Nischenprodukte anzusehen sind. Bestehende Technologien werden sich weiterentwickeln und einen Anwendernutzen bieten wie zum Beispiel 3D-Anwendungen im Ingenieur-, Architektur- oder Medizin-Bereich."
Der Entwicklung des Mobility-Marktes bleibt also nach wie vor spannend, und Fachhändler können zunehmend mit ihrer Beratungsqualität punkten. (bw)