Frank Obermeier ist seit Februar 2015 als Country Leader Oracle und Head of Technology Sales für das Deutschland-Geschäft von Oracle verantwortlich. Er berichtet direkt an seinen Vorgänger Jürgen Kunz, der als Senior Vice President Northern Europe Oracle in Nordeuropa führt. Obermeier blickt auf eine über 20-jährige Karriere in leitenden Funktionen innerhalb der IT -Industrie zurück und war in dieser Zeit unter anderem für Dell und Hewlett-Packard tätig.
Zuletzt führte er als Vice President Worldwide Channel Sales das weltweite Channel-Geschäft der Firmenkunden-Sparte von HP (Enterprise Group). Von 2011 bis 2013 war er dort als General Manager und Vice President für den Geschäftsbereich Personal Systems Group in Deutschland verantwortlich. Vor seinem Einstieg bei HP leitete Frank Obermeier als Executive Vice President den internationalen Vertrieb und das Marketing beim Service Provider Teleplan International. Von 2007 bis 2010 war er bei Dell beschäftigt, zunächst als General Manager & Sales Director Global Segment Germany, ab 2009 als Area Vice President Global500 Central Europe. Frank Obermeier studierte an der Berufsakademie Stuttgart Wirtschaftsinformatik.
Sie sind seit einem guten halben Jahr Deutschland-Chef von Oracle. Was stand für Sie am Anfang im Fokus?
Frank Obermeier: Die ersten Monate habe ich genutzt, um die Teams, die Kunden und die Partner kennenzulernen – und von deren Seite so viel Feedback wie möglich aufzunehmen. Da gibt es sicher die eine oder andere Herausforderung. Mir war zunächst wichtig zu verstehen: Wo steht die Mannschaft, wo stehen die Kunden, was läuft gut, was läuft weniger gut.
Und wie sieht Ihre erste Bilanz aus?
Obermeier: Es steckt unglaublich viel Energie in dem Laden. Das muss man zwar an der einen oder anderen Stelle herauskitzeln, aber wenn man offen auf die Menschen zugeht, dann merkt man schnell, was da an Potenzial da ist. Wir haben uns überlegt: Für was steht Oracle hier in Deutschland? Und welche Themen, wollen wir treiben?
Welche sind das?
Obermeier: Das erste, wofür Oracle in Deutschland steht, ist: Wir wollen unsere Kunden auf dem Weg in die Cloud begleiten. Das ist unser oberstes Ziel. Daran schließt der zweite Punkt an: unsere Kunden stehen im Fokus. Wir wollen ihre Business-Ziele verstehen und und sie mit unserem Oracle Portfolio unterstützen. Drittens wertschätzen wir unsere Mitarbeiter, und kommunizieren offen, klar und authentisch. Und der letzte Punkt ist: Wir sind ein amerikanisches Unternehmen – all das tun wir im Rahmen unserer Corporate Strategy und konzentrieren uns darauf, was wir auch beeinflussen können.
US-Firmen werden meist sehr zentralistisch gesteuert. Inwieweit haben Sie überhaupt Freiräume, um auf die Besonderheiten des deutschen Markts und der deutschen Kunden eingehen zu können?
Obermeier: Wenn Sie ein Land wie Deutschland vertreten, dann liegt es an Ihnen, dass Sie in der Corporation die Bedürfnisse dieses großen Marktes auch entsprechend nachhaltig darstellen und repräsentieren. Sie müssen ein klares Bild des Marktes und der Bedürfnisse der Kunden zeichnen. Dann bekommen Sie auch den entsprechenden Support.
Das Cloud-Business ist ein Marathon
Sie sprachen das Cloud-Geschäft an. Oracle ist hier erst spät eingestiegen – warum?
Obermeier: Für mich ist das Cloud-Businessvergleichbar mit einem Marathon. Es geht nicht darum, schnell aus den Blöcken zu kommen und die Kunden schnell in die Cloud zu führen. Es geht darum, die gesamte Strecke in einer guten Zeit und gut trainiert zu bewältigen. Tatsache ist, dass unsere Kunden – ob groß oder mittelständische – natürlich die Flexibilität und die Möglichkeiten einer Cloud nutzen wollen.
Aber jeder steht bezogen auf sein On-Premise-Business vor einer individuell anderen Situation. Und genau darauf haben wir uns sehr gut vorbereitet. Wir bieten eine komplette Suite an. Diese Suite erlaubt es unseren Kunden, zwischen On-Premise und Cloud hin- und her zu manövrieren. Das erlaubt unseren Kunden absolute Flexibilität und Optimierung ihres Businesses.
Wie wichtig ist das Cloud-Geschäft für Sie?
Obermeier: Wir sind an dieser Stelle sehr gut unterwegs. Wie man in den Quartalsberichten sieht, zeigen wir schnelles Wachstum. Wir haben unsere Hausaufgaben sehr solide gemacht und sind breit aufgestellt – wir haben eine ganze Palette an Lösungen angefangen bei Finance, Marketing und Sales. Wir wollen unsere Kunden bei der Transformation nachhaltig und umfassend begleiten und nicht schnell vorne wegpreschen – sondern sauber vorbereitet.
Ist die Situation hier in Deutschland hinsichtlich der Cloud eine besondere?
Obermeier: Es gibt bestimmt Länder, in denen die Cloud-Adaption schneller passiert. Wir sind in Deutschland vorsichtiger, das gilt für die Kunden wie auch für unser Unternehmen. Wir schauen genau, ob das auch alles funktioniert, und man diesen Schritt gehen kann. Wenn wir diesen Schritt dann aber machen, dann gehen wir ihn auch richtig. Das sehen wir auch bei unseren Kunden.
Die Cloud bedeutet auch eine Transformation für Oracle selbst – vor allem vom Business-Modell, das hier dahintersteckt. Von den Margen, die Oracle beispielsweise im Wartungsgeschäft erzielt, kann in der Cloud überhaupt keine Rede sein – ein Problem?
Obermeier: Auch wenn Sie ein Business-Modell haben wie das Lizenz-Wartungs-Geschäft, das die vergangenen Jahre hervorragend funktioniert hat, müssen Sie sich dem Neuen stellen. Das heißt natürlich auch, dass sich mit dem Cloud-Geschäft unsere Geschäftsbasis verändern wird. Wir haben im vergangenen Jahr rund 1,5 Milliarden Dollar Umsatz in der Cloud gemacht. Ein Dollar im Cloud-Geschäft bedeutet aber auch, auf zehn Jahre gesehen, den zehnfachen Umsatz, weil es wiederkehrender Umsatz ist. Damit bauen wir auch unser Geschäft Schritt für Schritt um.
In welchen Zeitdimensionen denken Sie hier – gerade auch vor dem Hintergrund der Sicherheitsdiskussionen?
Obermeier: Ein Zeitrahmen ist nur schwer absehbar. Wir Deutsche werden uns das Thema sehr genau anschauen und dann Schritt für Schritt vorgehen. Aber ich glaube auch, dass uns die Anforderungen der Kunden an dieser Stelle überrollen werden. Das sehen Sie auch an den Wachstumsraten der reinen Cloud-Wettbewerber.
Trotz der aktuell heiß diskutierten Security-Thematik wollen die Unternehmen eher schneller in Richtung Cloud gehen. Ich glaube, dass die Private Cloud mehr als etabliert ist, die Hybrid Cloud ist auch da. Beim Thema Public Cloud gibt es einfach noch Bedenken. Was der IT Branche in Deutschland hilft, sind Statements wie beispielsweise von Bundesinnenminister Thomas de Maizière über die Entwicklung einer Bundes-Cloud.
Für wie realistisch halten Sie das Szenario einer Bundes-Cloud? Die Bundesregierung hat sich zuletzt in Sachen IT-Sicherheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Obermeier: Wenn verschiedene Ministerien in ihren Bereichen Cloud-Services anbieten, kann ich mir gut vorstellen, dass das Thema Cloud den Status des 'Neuen' bald überkommen wird und die Leute das immer mehr annehmen werden. In der Diskussion vergessen wir auch gerne eines: Die nachkommende Generation geht ganz anders mit diesen Services um.
Das sind junge Menschen, die diese Themen sehr schnell adaptieren und weniger in diesem Sicherheitsgedanken leben. In fünf bis zehn Jahren stehen diese Menschen mit ihrem Zugang zu Cloud, Big Data und Co. mitten im Leben. Ich davon überzeugt, dass das Ganze auch eine Generationsfrage ist.
Und wie sieht es heute aus? Wo stehen aus Ihrer Sicht aktuell die Anwenderunternehmen mit dem Thema Cloud Computing?
Obermeier: Meine Wahrnehmung aus den Gesprächen mit CIOs ist folgende: Es ist eine sehr individuelle Thematik für jede einzelne Firma. Es lässt sich nicht pauschal sagen: Diese Branche macht das, die andere Industrie geht so vor. Abhängig vom jeweiligen Setup der Firmen ist es meist eine Integration: Der Anspruch, die Cloud-Lösung schnell testen zu können – in wenigen Wochen live zu stellen und zu pilotieren, um zügig entscheiden zu können, wie die Lösung weiter skalieren soll. Eine Abhängigkeit zur Gesamtstrategie eines Unternehmens ist nicht von der Hand zu weisen.
Firmen, die viel akquirieren, sind meist sehr offen für Cloud-Lösungen, weil sie damit schnell skalieren können und keine langen Projekt-Vorlaufzeiten haben. Und es gibt die ganz jungen Unternehmen: Wenn sie in der Startup-Szene in Berlin unterwegs sind, reden Sie mit diesen Unternehmen nur über ganzheitliche Cloud-Lösungen. Die interessiert weniger, Server aufzustellen oder Lizenzabkommen auszuhandeln. Die sagen: Ich möchte das haben, wenn ich es brauche.
Oracles Wurzeln liegen im Datenbankgeschäft. Werden denn Datenbanken als Cloud-Services nachgefragt?
Obermeier: Absolut - was oft nachgefragt wird, sind Test- und Development-Umgebungen. Und hier gehört auch die Datenbank eindeutig dazu. Die Unternehmen wollen eine IaaS-Umgebung mit Compute und Storage, sie wollen einen Database-Layer as a Service. Optimalerweise noch Middleware as a Service, um in diesem Umfeld ganzheitlich entwickeln und pilotieren zu können.
Gibt es denn über Test- und Entwicklungsumgebungen hinaus Bestrebungen, auch komplette Datenbanklandschaften inklusive geschäftskritischer Daten in eine Cloud zu verlagern?
Obermeier: Es gibt Unternehmen, die kurz davorstehen, das in die Tat umzusetzen. Das ist zwar noch nicht referenzierbar, aber die Überlegungen gehen dort weit über Test und Development hinaus.
Oracle will den gesamten Cloud-Stack anbieten
Die jüngsten Cloud-Ankündigungen Oracles zielten vor allem in Richtung IaaS und PaaS. Hier sind Wettbewerber wie AWS und Microsoft gesetzt. Außerdem ist der Preisdruck hoch. Warum will Oracle hier mitspielen?
Obermeier: Ich würde das Ganze von der Kundenseite betrachten. Kunden wollen heute Zugriff auf das gesamte Technologielayer und zwar in der Cloud. Wenn ich mir unsere Kernklientel ansehe, dann stehen dort vor allem folgende Fragen im Vordergrund: Ist das ganze durchgängig vertikal skalierbar? Optimiert das meine Performance? Habe ich die notwendige Sicherheit? Bei diesen Themen bin ich mir nicht ganz sicher, ob der Wettbewerb das kann.
Aber ich will hier nicht das Angebot des Wettbewerbs kommentieren. Die Kunden fragen das nach, und deshalb werden wir das auch zur Verfügung stellen. Ob wir immer in dem Preissegment spielen, wie das kolpoltiert wird, ist eine ganz andere Frage. Wichtig ist, dass unsere Lösungen integriert, durchgängig und durchdacht sind.
Dann legt Oracle seinen Fokus also auf den gesamten Cloud-Stack inklusive Integration?
Obermeier: Die Kunden transformieren nicht von heute auf morgen in die Cloud. Das ist ein Prozess, der mehrere Jahre dauern kann und teilweise auch muss. Auf diesem Weg begleiten wir unsere Kunden, damit sie die Möglichkeit haben, von On-Premise in die Cloud zu migrieren, möglicherweise auch wieder zurück, eventuell auch Akquisitionen mit dazu nehmen. Es geht darum, die Architektur der Zukunft für unsere Kunden zu bauen.
Das ist kein Thema, das Sie von heute auf morgen entscheiden. Wenn Sie dagegen mit Startup-Unternehmen reden, ist das natürlich etwas ganz anderes. Die bauen ihre IT-Architektur von vornherein in die Cloud. Warum? Es gibt keine Legacy-Altlasten. Dann können Sie natürlich auf die modernste Architektur bauen, die Ihnen zur Verfügung steht. Es geht im Grunde nur darum, den richtigen Cloud-Provider auszusuchen und zu überlegen, mit welchem Schwerpunkt gestartet werden soll. Es wird aber nur wenige Firmen geben, die in allen Bereichen ein Angebot vorlegen können. Das zeichnet uns gegenüber dem Wettbewerb aus.
Oracle will sich also als One-Stop-Vendor positionieren?
Obermeier: Absolut – wir haben ein klares Statement abgegeben, dass wir 95 Prozent unserer Services über die Cloud anbieten wollen, und das bis Ende des Jahres. Wir sind auf einem guten Weg. Hier fließen auch enorme finanzielle Mittel hinein. Es ist ja nicht damit getan, dass Sie etwas Cloud-fähig machen. Sie müssen auch sicherstellen, dass der Wechsel zwischen der Cloud und On-Premise funktioniert. An dieser Stelle ist hoher Forschungs- und Entwicklungsaufwand notwendig.
Wie aufwendig ist es denn, die Oracle-Software Cloud-fähig zu machen?
Obermeier: Wir betreiben hier einen hohen Aufwand – vor allem, um die Interoperabilität zwischen On-Premise und der Cloud zu gewährleisten. Wir haben angekündigt, dass unsere Kunden quasi auf Knopfdruck zwischen On-Premise und der Cloud hin- und herschalten können. Das funktioniert nur, wenn Sie die Lösungen entwicklungsseitig entsprechend angepasst haben. Das bedeutet am Anfang natürlich einen sehr hohen Invest.
Noch scheint aber das Cloud-Profil von Oracle etwas unscharf.
Obermeier: Das höre ich oft. Ich glaube, das lag daran, dass wir erst im letzten Jahr zur Oracle Open World (die alljährlich im Herbst stattfindende Kundenkonferenz in San Francisco, Anm. d. Red.) die verschiedenen Bereiche IaaS, PaaS und SaaS sehr klar positioniert und dargelegt haben, wie unsere Company in der Cloud agieren will und welche Pakete wir dort anbieten.
Das haben wir erst getan, als wir auch soweit waren, diese Dinge konkret im Markt offerieren zu können. Es war ein sehr bewusster Schritt an dieser Stelle. Sie können natürlich auch mit weniger Aufwand etwas in die Cloud stellen. Ob das dann immer die Erwartungen der Kunden erfüllt, steht auf einem anderen Blatt.
Wie offen ist denn die Integration in Nicht-Oracle-Systeme?
Obermeier: Auch unser geschätzter Wettbewerb entwickelt schließlich auf unseren Tools und Datenbanken. Das setzt natürlich voraus, dass es dort Offenheit gibt. Heißt das, dass man heute auf Knopfdruck von der Cloud eines Herstellers A in die Cloud des Herstellers B wechseln kann? Nein, das ist nicht so. Für uns ist wichtig, dass wir nach offenen Standards entwickeln. Wir sehen, dass die Wettbewerber mit unseren Tools entwickeln.
Über Schnittstellen und Web Services lassen sich die Lösungen also herstellerübergreifend miteinander verknüpfen?
Obermeier: Nicht auf Knopfdruck, das muss man fairerweise sagen. Das ist mit einem gewissen Aufwand verbunden und hier muss man natürlich auch auf die Details achten. Wir verfolgen den Anspruch, das Cloud-Portfolio in der ganzen Breite anbieten zu wollen.
Wenn sich Anwender bewusst auf einen Anbieter festlegen – quasi das Rundum-Sorglos-Paket buchen - bedeutet das freilich auch eine gewisse Abhängigkeit.
Obermeier: Wenn ein CIO die IT-Strategie für sein Unternehmen verantwortet, überlegt er genau, wie er sein Risiko ausbalanciert. Ein Sammelsurium an Anbietern kommt da eher selten vor. Meist sind es ein, zwei maximal drei Anbieter, auf die die Kunden setzen. Haben wir das Ziel der alleinige Anbieter für unsere Kunden zu sein? Selbstverständlich - sonst wären wir nicht überzeugt von unseren Produkten. Aber ich sehe durchaus die Tendenz, dass CIOs zweigleisig fahren, was ich auch durchaus verstehen kann. Das hält uns aber nicht davon ab, unsere Kunden tagtäglich davon zu überzeugen, dass ein integrierter Stack seine Vorteile hat. Aber die Kunden gehen damit natürlich in eine gewisse Abhängigkeit und wollen dann auch dort sehr langfristig abgesichert sein.
Klassische Lizenzmodelle passen nicht für die Cloud
Was bieten Sie Ihren Kunden denn an dieser Stelle?
Obermeier: Es gibt mehr und mehr CIOs, die sagen: Ich möchte dann bezahlen, wenn ich es wirklich brauche. Wenn man den Cloud-Gedanken richtig zu Ende denkt, dann sind nicht die klassischen Lizenzmodelle das Modell der Zukunft. Kunden wollen Leistungen, bezahlen diese auch gerne, aber dann, wenn sie wachsen. Das sehe ich ganz deutlich und dem muss man sich als Anbieter auch stellen.
Wie flexibel sind Ihre Lizenzmodelle denn in dieser Hinsicht?
Obermeier: Unsere Lizenzpolitik im On-Premise-Umfeld bleibt unverändert. Das ist sehr klar und nachvollziehbar für die Kunden. Das Cloud-Business wird natürlich nach anderen Gesetzmäßigkeiten abgerechnet. Im Übrigen sehen wir hier auch bei größeren Unternehmen zunächst kleinere Lösungen entstehen. Es sind nicht immer die riesigen Deals auf einen Schlag.
Sind es dann auch in der Cloud eher längerfristige Verträge, die Sie hier abschließen?
Obermeier: Das Cloud-Thema schließen Sie auf einen Zeitraum ab. Das ist ein Total Contract Value, der dann 12, 24 oder 36 Monate läuft, aber auch speziell auf den Use-Case ausgerichtet ist. Ein Beispiel: Ein Kunde braucht ein bestimmtes Volumen für die nächsten 12 Monate. Während er das aufbracht, geht es dann um Fragen: Wird es verlängert oder erweitert etc. Andere Kunden wählen eine längere Laufzeit.
Letztlich legt sich der Kunden dann aber wieder fest, also auf ein fixes Volumen?
Obermeier: Richtig – als Einstieg. Aber in einem wesentlich überschaubareren Rahmen, so wie wir das momentan erleben. Es ist zu beobachten, dass der Zeitraum eher kürzer ist, die Zahl der User eher kleiner. Viele fangen mit diesen kleinen Paketen an. Wenn das dann läuft, kommen Fragen, die User-Zahl zu erweitern und das Ganze längerfristig auszurollen.
Das widerspricht doch aber im Grunde dem eigentlichen Cloud-gedanken – beliebig nach oben, aber eben auch nach unten skalieren zu können?
Obermeier: Das geht durchaus – nehmen Sie die Energiekonzerne. Das ist ein klassisch saisonales Geschäft. Die haben ihre Peak-Zeiten im Winter. Dann knirscht und knarzt es natürlich an allen Ecken und Enden. Das ist ein klassisches Thema für eine Cloud-Lösung. Da spricht auch vom Lizenz-Modell gar nichts dagegen. Natürlich brauchen Sie als Cloud-Anbieter aber von den Kunden eine Einschätzung, wie viele Nutzer er in welchen Zeiträumen braucht, um das dann auch abbilden zu können.
Die Flexibilität bieten Sie also an?
Obermeier: Natürlich – in dem Umfeld wird dann genau passend die Architektur designt, entsprechend dem, was notwendig ist in diesen saisonalen Spitzen. Das geht man dann flexibel an.
Es geht nicht darum, den Kunden Geld aus der Tasche zu ziehen
Im Umfeld der Lizenzthematik gab es Ärger rund um das Thema Virtualisierung. Wie sehen Sie das und wird sich Oracle an dieser Stelle bewegen?
Obermeier: Wir haben unsere Lizenzpolitik nicht verändert. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Tatsache ist, dass sich die Lizenzbedingungen auf der VMware-Seite verändert haben, was dann wiederum Veränderungen hinsichtlich der Oracle-Lizenzierung nach sich zog. Wo wir uns allerdings an die eigene Nase fassen müssen, ist die Kommunikation. Wenn unsere Kunden vor einer Herausforderung stehen, und wir kennen diese Herausforderung, dann müssen wir proaktiv auf die Kunden zugehen. Das ist das, was die Kunden von uns erwarten. Diesen Anspruch sollten wir auch haben. Das haben wir in der Vergangenheit jedoch nur begrenzt getan.
Wird das reichen - laut der DOAG-Umfrage ist der Ärger über Oracle sehr groß?
Obermeier: Die Umfrageergebnisse und auch die Interpretation dieser Umfrageergebnisse teile ich nicht unbedingt. Wichtig ist, es geht uns nicht um eine Lizenzoptimierung, um den Kunden Geld aus der Tasche zu ziehen, wie ich es an der einen oder anderen Stelle gelesen habe. Das ist nicht unsere Intention. Noch einmal: Wir haben unsere Lizenzpolitik nicht geändert. Wenn das der Fall wäre, um es in unserem Sinne zu optimieren, dann hätten wir bestimmt eine ganz andere Diskussion. Hier ist es so, dass es auf Seiten eines anderen Herstellers eine Änderung gegeben hat, und der Wunsch der Kunden da ist, dass wir uns dem völlig öffnen. Den Wunsch sehe ich und wir finden auch Lösungen in den Einzelfällen. Wir haben uns aber entschieden, nicht aufzumachen und diese Entscheidung hat Bestand.
Aber es sind doch die seit Jahren bestehenden Oracle-Konditionen, die die Anwender kritisieren - und jetzt auch mit drastischen Konsequenzen drohen, wie der Ablösung von Oracle-Produkten?
Obermeier: Es gibt Oracle-Kunden, die sich nicht richtig abgeholt fühlen und kundtun, dass sie sich auch Alternativ-Szenarien überlegen. Dem treten wir proaktiv entgegen. Ich sehe, dass wir hier Schritt für Schritt vorankommen. Es ist im Übrigen nicht so, dass die Lösung, die wir für ein, zwei oder drei Kunden finden, die Copy-and-paste-Lösung für alle Kunden ist. Die virtualisierten Umgebungen bei den Kunden sind schließlich durchaus unterschiedlich. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, die Anwender dort abzuholen, wo sie derzeit stehen. Und das tun wir jetzt und arbeiten sehr hart daran.
Big Data kann ganze Industrien aus den Angeln heben
Zu Ihrer Produktstrategie: Gerade im Umfeld der Datenbank und Datenmanagement-Lösungen tut sich derzeit extrem viel im Markt - Beispiel Hadoop. Wie beeinflusst das Oracle in der Produktentwicklung?
Obermeier: Wenn ich mir das Big-Data-Umfeld ansehe, dann glaube ich, dass dies einer der wesentlichen Treiber in den nächsten fünf bis zehn Jahren sein wird. Das liegt daran, dass gerade durch die Unmenge an verfügbarer Information disruptive Business-Modelle entstehen, die ganze Industrien aus den Angeln heben werden. Ich habe in den letzten Jahren viel Zeit im Silicon Valley verbracht und gesehen, dass wenige Leute mit einem kleinen, cleveren Tool ganze Geschäftsmodelle aushebeln beziehungsweise fundamental verändern können. Uber ist nur ein Beispiel. Und jeder hat mittlerweile verstanden, dass das wesentlich weiter geht als ein bloßer Taxi-Service. Ich glaube, dass alle Werkzeuge und Tools die Sie brauchen, um Big Data mit Leben zu füllen, wirklich wichtig sind für Softwareunternehmen - auch für Oracle.
Was bedeutet das dann für ihre Softwareprodukte?
Obermeier: Sie müssen heute in der Lage sein, eine hochperformante Datenbank anzubieten, um Datenmengen in einer Geschwindigkeit verarbeiten zu können, an die sie vor zwei Jahren noch gar nicht zu denken wagten. Und schließlich wächst das Ganze auch noch exponentiell. Deshalb ist das Thema Engineered Systems - also vertiefende Systeme, die die Datenbank optimiert laufen lassen – für uns ganz wichtig.
Auch die Tools, die darauf für die Datenanalyse laufen, haben einen ganz hohen Stellenwert für uns. Das ist schließlich der eigentlich smarte Teil des Ganzen: Was macht man mit den Daten? Wie wertet man sie aus? Diese Fragen haben eine große Bedeutung für uns und prägen unsere gesamte Produktstrategie. Sowohl in der Cloud wie auch On-Premise.
Der hochintegrierte Architekturansatz ist also Oracles Antwort auf die Big-Data-Herausforderungen unserer Zeit?
Obermeier: Wir glauben, dass eine starke Vertikalisierung und Verzahnung dieser Systeme nicht nur gut ist, sondern letztlich auch die Performance liefert, die man heute braucht. Die Herausforderung heute ist, schnell zu sein und den exponentiell wachsenden Datenmengen Herr zu werden. Was wir feststellen: Wir sind noch performanter, wenn wir das integriert tun.
Unsere Antwort sind die Engineered Systems. Aus Architekturperspektive gibt es zwei Wege: Entweder Sie arbeiten mit riesigen Compute-Farmen, wo Sie aber immer das Problem haben, dass die Software optimiert darauf laufen muss. Oder Sie haben die Möglichkeit, Engineered Systems zu nutzen. Hier ist die Hardware auf den Bedarf der Software optimiert. Das ist unsere Strategie seit der Übernahme von Sun.
Sehen das die Anwender denn genauso?
Obermeier: Viele Unternehmen stecken immer noch in der Architektur-Diskussion. Je größer das Unternehmen, desto größer sind auch die Altlasten, die dort mitgeschleppt werden - ob das Software oder bestehende Infrastruktur sind. Das können sie auch nicht von heute auf morgen einfach ausschalten.
Was ist die Lösung?
Obermeier: Die Architekturfrage zu lösen, heißt nicht, dass ich nicht auch individuelle Anpassungen vornehmen muss, um meine Anforderungen abdecken zu können. Die IT-Verantwortlichen müssen sich entscheiden, auf welche Tools sie setzen wollen. Interessant wird es, wenn es um die Frage geht, wie schnell sie das umsetzen können und wie gut die Werkzeuge sind, die Daten zu manipulieren und auszuwerten. Hinsichtlich der Perfomance-Frage haben sie einen riesigen Vorteil, wenn sie den gesamten Stack unter sich haben.
Entscheidet das künftig weiter die IT-Abteilung oder spielen die Fachbereiche aus Ihrer Sicht eine immer größere Rolle, wenn es um IT-Fragen geht?
Obermeier: IT wird immer mehr zu einem Thema für die Business-Entscheider. Nehmen sie die Automobilbranche: Wenn Sie früher ein Auto gebaut haben, dann hat IT nur eine nachgeordnete Rolle gespielt. Heute wird es für Konzerne wie Daimler, BMW und Volkswagen immer relevanter zu wissen, was kann ich mit IT-Hilfe in meinem Auto tun, um neue Services für meine Kunden anzubieten. Ob das in der Cloud passiert, oder das Ganze anders heißt, spielt für das Business keine Rolle.
Nur eines ist klar: Wenn ich heute ein gutes Auto bauen will, dann brauche ich IT als integralen Bestandteil. Das verschiebt die Diskussion zu den Business-Entscheidern, die den IT-Leuten klar vorgeben, in welche Richtung sie das Thema treiben möchten. Das ist eine sehr interessante Dynamik in der ganzen Transformation, weil sie viel stärker Business-getrieben ist. Und als Anbieter muss man klar verstehen: was will mein Kunde für seine Kunden erreichen und wie passen wir unsere Services entsprechend an.
Das ist eine neue Rolle für die alten Hasen im IT-Geschäft. Mit einem Mal spielen ganz neue Player eine wichtige Rolle. Wie sehen Sie Ihr Standing in der Zukunft?
Obermeier: Die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung hat in kürzester Zeit sämtliche Branchen und Industrien erfasst. Das sehen wir auch bei unseren Kunden. Was erwarten die von ihrem IT-Lieferanten? Schnelligkeit und Flexibilität. Wenn Sie sehen, wie schnell Cloud-Companies wachsen, dann ist es schon so, dass die Arrivierten des Marktes wie IBM, SAP, HP oder Oracle sich darauf einstellen müssen und in der Lage sein müssen, dort ebenfalls flexible Pakete anzubieten. Da schließt sich für mich wieder Kreis zu unserem Cloud-Angebot.
Wir sind dort sicher noch nicht so präsent wie wir es sein wollen. Ich glaube aber auch: Das ist ein Marathon, wo verschiedene Industrien verschieden weit sind. Der eine ist zur Halbzeit eine Bombenzeit gelaufen und muss jetzt mal eine Pause machen, um zu sehen, wie er seine unterschiedlichen Dinge wieder zusammenbringt. Der andere geht es langsamer an, Stück für Stück.
Wird man als IT-Anbieter nicht austauschbar, wenn man nur die Technik liefert?
Obermeier: Wenn man nur taktische Tools liefert, dann ist man nicht besonders relevant für seine Kunden. Erst wenn Sie aber mit dem Business im Gespräch sind, und die Architektur der Zukunft mit den Kunden diskutieren, dann sind Sie relevant und dann haben Sie auch eine strategische Partnerschaft mit den Kunden. Das ist unser Ziel.
Oracle als Berater für die Cloud
Die Oracle-Geschäftsführer sind hierzulande meist einige Jahre am Ruder. Welchen Stempel wollen Sie dem Konzern in Deutschland in Ihrer Zeit aufdrücken?
Obermeier: Ich will mich auf keinen Zeitrahmen festlegen. Ich glaube, dass wir ein echter Berater in Sachen Cloud für unsere Kunden sein werden. Das ist unser übergeordnetes Ziel. Ich würde mich freuen, wenn uns die Kunden in drei, vier Jahren genau in dieser Rolle sehen. Dass Oracle bei unseren Kunden sofort präsent ist, wenn es um Cloud Infrastruktur geht. Das zweite große Thema für mich ist, dass Oracle ein Platz sein soll, wo gute, talentierte Menschen gerne arbeiten.
Das sind die beiden Dinge, die mir sehr wichtig sind. Wenn uns das gelingt, dann werden Zahlen und Erfolg automatisch folgen. Klassischerweise sind die Themen, die man nicht von heute auf morgen umsetzen kann. Das muss man sich in der Kooperation mit den Kunden erarbeiten, damit Vertrauen wächst und sich unser Profil nach außen schärft.