Es war zu erwarten: kaum ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft, haben die Arbeitsgerichte schon die ersten "Diskriminierungsfälle" zu bearbeiten.
Der spektakulärste Antidiskriminierungsfall betrifft momentan die Deutsche Lufthansa. Drei Piloten haben ihren Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht Frankfurt a. M. verklagt, um die für sie geltende Altersbeschränkung außer Kraft zu setzen. Denn der für die Piloten geltende Haustarifvertrag der Lufthansa sieht eine Altersbeschränkung von 60 Jahren vor. Demgegenüber möchten die Piloten durchsetzen, bis zu einem Alter von 65 Jahren ihren Dienst im Cockpit verrichten zu können. Dies entspricht der gesetzlichen Regelung, welche Berufspiloten bis zu einem Alter von 65 Jahren zulässt, sowie den Vereinbarungen bei anderen Fluggesellschaften.
Die Lufthansa hält dagegen eine Weiterbeschäftigung aus gesundheitlichen Gründen nicht für sinnvoll und verweist sowohl auf den entsprechenden Haustarifvertrag als auch auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), welches in der Vergangenheit die Zulässigkeit der Altersbeschränkung im Tarifvertrag der Lufthansa bereits mehrfach bestätigt hat.
Das Arbeitsgericht Frankfurt a. M. hat nun in einem Urteil vom 14.03.2007 der Lufthansa Recht gegeben und die Klage der Piloten auch unter Berücksichtigung der neuen Regelungen zum AGG abgewiesen. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts müssen die Sicherheitsinteressen im Luftverkehr über den Interessen der Piloten nach einer Weiterbeschäftigung stehen. Die Regelungen zur Altersbeschränkung dienen dem Schutz von Leib und Leben der Besatzung, der Passagiere und der Menschen in den überflogenen Gebieten. Die Regelungen seien mithin durch ein legitimes Ziel im Sinne des § 10 S. 1 AGG gerechtfertigt und daher angemessen und erforderlich (Arbeitsgericht Frankfurt a. M., Urteil vom 14.03.2007, Az.: 6 Ca 7405/06, allerdings noch nicht rechtskräftig).
Im Einklang mit diesem Urteil steht auch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 13.09.2006. Auch dieses Gericht hatte sich in seinem Beschluss vom 13.09.2006 mit einer Altersbeschränkung zu befassen: die Altersgrenze von 68 Jahren für flugmedizinische Sachverständige in § 24 Abs. 6 S. 1 LuftVZo stand zur Überprüfung an. Die Richter sahen eine Benachteiligung wegen des Merkmals "Alter" an sich als verwirklicht an. Diese Benachteiligung sei aber durch ein legitimes Ziel im Sinne des § 10 S. 1 AGG gerechtfertigt. Denn nach Ansicht der Richter gehe nach allgemeiner Erfahrung von älteren, nicht mehr voll leistungsfähigen flugmedizinischen Sachverständigen eine Gefährdung aus. Diese Gefährdung könne in zu-lässiger Weise durch eine generalisierende und typisierende Regelung mit einer Altersgrenze von 68 Jahren vermieden werden (OVG Lüneburg, Beschluss vom 13.09.2006, Az.: 12 ME 275/06).
Einen Fall der geschlechtsspezifischen Diskriminierung hatte dagegen das Landesarbeitsgericht Berlin am 19.10.2006 zu entscheiden. Geklagt hat eine leitende Mitarbeiterin gegen ein Unternehmen der Musikbranche. Diese hatte sich zuvor um eine Direktorenstelle beworben, obwohl sie zum Zeitpunkt der Bewerbung schwanger war. Ihr Arbeitgeber lehnte die Bewerbung ab und zog einen männlichen Mitbewerber vor. Bei der Bekanntgabe der Entscheidung hat der Arbeitgeber sogar auf die familiäre Situation der Klägerin Bezug genommen. Die Klägerin sah hierin eine geschlechterspezifische Benachteiligung und verlangte von ihrem Arbeitgeber Schadensersatz.
Die Richter des Landesarbeitsgerichts Berlin wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass allein mit dem Umstand, dass der Arbeitgeber sich nicht für die schwangere Klägerin, sondern für einen männlichen Mitarbeiter entschieden habe, keine geschlechterspezifische Diskriminierung indiziert sei. Es sei in dem zu entscheidenden Fall nicht zwingend ersichtlich gewesen, dass das Geschlecht für die ungünstige Beförderungsentscheidung ursächlich gewesen sei. Auch war nach Ansicht der Richter die vom Arbeitgeber abgegebene Erklärung ihrem Gesamtzusammenhang nach nicht auf die für die Klägerin ungünstige Besetzungsentscheidung bezogen (LAG Berlin, Urteil vom 19.10.2006, Az.: 2 SA 1776/06).
Wegweisend für die künftige Anwendung des AGG wird jedoch vor allem eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 30.03.2006 werden, welche ebenfalls eine geschlechtsspezifische Diskriminierung zum Gegenstand hatte. In dem konkreten Sachverhalt hatte sich ein männlicher Bewerber auf eine Stelle für eine Chefsekretärin/Assistentin beworben. Diese Stelle war also nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben. Aus der Bewerbung ging jedoch hervor, dass der Bewerber tatsächlich kein Interesse an der ausgeschriebenen Stelle hatte, da zum einen völlig überzogene Gehaltsvorstellungen genannt wurden und zu den wesentlichen Einstellungsvoraussetzungen keine Angaben erfolgten. Nachdem der Bewerber abgelehnt wurde, klagte er vor dem Arbeitsgericht Berlin auf Schadensersatz in Höhe von 3 Monatsverdiensten.
Auch wenn die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin nicht konkret zum AGG getroffen wurde, sondern zu dessen "Vorgängerregelung" in § 611a BGB, wird dieses Urteil auch Ausfluss auf die Anwendung des AGG haben. Denn die Richter entschieden, dass ein Entschädigungsanspruch voraussetze, dass der Bewerber sich subjektiv ernsthaft beworben hat und objektiv für die zu besetzende Stelle in Betracht komme. Ergibt sich jedoch aus mehreren Indizien, dass eine ernsthafte Bewerbung nicht gewollt ist, steht dem Bewerber auch keine Entschädigung wegen einer geschlechterbezogenen Diskriminierung zu (LAG Berlin, Urteil vom 30.03.2006, Az.: 10 SA 2395/05).
Damit hat die Rechtsprechung bereits erste Tendenzen vorgegeben, wonach evidente Missbrauchsfälle künftig sehr viel weniger Aussicht auf Erfolg haben werden, als zunächst befürchtet. Die weitere Entwicklung hierzu bleibt aber abzuwarten.
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