Interview mit COO Maik Friedrich

Cyberport-Chef: „Galaxus und Coolblue haben keine Blaupause für den nachhaltigen Erfolg“

05.12.2024 von Matthias Hell
Im großen ChannelPartner-Interview erklärt der seit diesem Jahr neue Cyberport COO Maik Friedrich, mit welcher Strategie sein Unternehmen gegen schwache Zahlen angeht, warum stationäre Stores dabei weiterhin wichtig sind und weshalb er die Erfolgsaussichten der neuen Wettbewerber Galaxus und Coolblue skeptisch sieht.
Seit Mai 2024 bildet Maik Friedrich gemeinsam mit Stefan Köhler die Geschäftsführung von Cyberport
Foto: Cyberport

ChannelPartner:Herr Friedrich, mit Ihnen hat Burda Digital erstmals einen Geschäftsführer an die Spitze von Cyberport bestellt, der von dem kleineren Schwester-Onlineshop Computeruniverse kommt. Nachdem bereits im Herbst 2023 die organisatorischen Strukturen der beiden Elektronikversender zusammengeführt wurden, liegt die Frage nahe, ob die Zwei-Marken-Strategie künftig überhaupt noch Sinn macht?

Maik Friedrich: Burda hat sich entschieden, an den Marken Cyberport und Computeruniverse festzuhalten - und das mit einer bewussten Positionierung: Cyberport ist der Generalist, mit einer Premiumausrichtung, historisch von der Marke Apple kommend und bis heute auch mit stationären Stores aufgestellt. Computeruniverse ist dagegen ursprünglich aus der Amiga-Szene entstanden, war schon immer stark auf Computerbauteile und Komponenten spezialisiert und ist deshalb als Onlineshop bei Technikbegeisterten sehr stark verwurzelt. Und angesichts dieser unterschiedlichen Kundenkreise glauben wird, dass die beiden Marken weiterhin bestehen sollten.

Keinen Sinn haben für uns dagegen die Doppelstrukturen gemacht, die wir in der Organisation und in der Logistik über Jahre aufgebaut haben. In einem Markt, der sich stark konsolidiert, wäre es schwierig gewesen, weiterhin alles zweifach zu erledigen - zumal das Lager in Siebenlehn Cyberport als Eigentum gehört, anders als das bei Computeruniverse der Fall war. Ich denke, indem wir solche Doppelstrukturen aufgelöst haben und gleichzeitig die Marken beibehalten, ist es uns gelungen, das Beste aus beiden Welten zu vereinen.

Gilt das auch für die neue Managementstruktur, wo die Geschäftsführung von Cyberport statt wie bisher fünfköpfig nun nur noch von Ihnen und ihrem Geschäftsführungskollegen Stefan Köhler gebildet wird?

Maik Friedrich: Auch hinter der Verkleinerung der Geschäfsführungvon fünf auf zwei Personen steht der Gedanke, Strukturen zu verschlanken. Die neue Aufstellung ermöglicht es uns, gewisse Dinge schneller und effizienter zu regeln. Stefan Köhler bekleidet dabei die Rolle des CFO und ist auch für die Logistik und den Kundenservice zuständig, während ich als COO alle Verkaufskanäle und die IT verantworte. Als Team treiben wir so die Umsetzung unserer Strategie stetig voran.

Seit einigen Jahren publiziert Burda keine eigenständigen Zahlen mehr für Cyberport und Computeruniverse. Orientiert man sich am jährlichen Umsatz-Ranking von EHI Retail, hat sich Ihr Unternehmen im schwierigen Marktumfeld der letzten beiden Jahre zwar solide behauptet und konnte zuletzt sogar Notebooksbilliger.de überholen. Doch auch für Cyberport und Computeruniverse weist die Studie Umsatzrückgänge aus - ist dieses Stimmungsbild zutreffend?

Maik Friedrich: Die Transformation, die wir im ersten Quartal 2024 eingeleitet haben, zeigt dass wir mit unseren Zahlen nicht zufrieden sind. Insofern ist der in der EHI-Studie dargestellte Trend sicher richtig. Nachdem wir auch zu Anfang des Jahres noch etwas Federn lassen mussten, beobachten wir inzwischen aber wieder ein leichtes Wachstum gegenüber dem Vorjahr - und das auch mit Blick auf das laufende Jahresendgeschäft. Wir befinden uns weiter in einer stagnierenden Marktlage, in der einige neue Wettbewerber aus dem Ausland mit hohen Investitionen nach Deutschland drängen. Wir glauben an einen Weg aus eigener Kraft, deshalb ist es für uns um so wichtiger, unsere Hausaufgaben gut zu machen und die Kostenstrukturen zu reduzieren. Und unser Mutterkonzern Burda unterstützt uns dabei und steht weiterhin fest zu uns.

Im Rahmen der Transformation wurde die Verwaltung der Onlineshops Cyberport und Computeruniverse in Dresden zusammengelegt
Foto: Cyberport

"Es setzen sich eher die Händler durch, die keine Online Pure Player sind"

Wie schwierig die gegenwärtige Lage im Consumer-Geschäft mit Elektronikartikeln ist, hört man unisono von allen Marktteilnehmern, online und offline. Inwiefern hat man in so einer Situation die Möglichkeit, gegenzusteuern und eigene Akzente zu setzen? Und was sind die wichtigsten Stellschrauben dafür?

Maik Friedrich: Um uns vom allgemeinen Trend abzusetzen, ist sicher unsere Marktbekanntheit im Premiumsegment ein wichtiger Hebel. Hier profitieren wir davon, dass wer sich zum Beispiel für ein hochwertiges Macbook interessiert, von der Wirtschaftslage meistens weniger betroffen ist. Ein weiterer Hebel ist das Abo-Modell, das wir vor vier Jahren eingeführt haben und jetzt auch auf B2B-Kunden erweitern. In einer Situation, wo sich Kunden ein neues Gerät vielleicht gerade nicht leisten können, sagen wir ihnen, dass man dieses nicht unbedingt besitzen muss, sondern auch mieten kann. Damit erzielen wir gute Resonanz. Darüber hinaus ist es schwer, selbst Impulse zu setzen in einem Markt, der immer austauschbarer wird. Deshalb ist es besonders wichtig, agil auf den Markt zu reagieren sowie nah an den Kunden zu sein und zu verstehen, was diese jetzt benötigen.

Sie sagen, dass die Elektronik-Onlineshops aus Kundensicht oft austauschbar sind. In der Tat landen Kunden oft über Preissuchmaschinen in den betreffenden Shops. Wie versuchen Sie, in diesem Umfeld ein Alleinstellungsmerkmal zu behaupten?

Maik Friedrich: Indem wir über Emotionen, über Hochwertigkeit verkaufen. Natürlich müssen wir Preise bieten, die marktgerecht sind. Aber darüber hinaus investieren wir in ein kuratiertes Sortiment und in Beratung und wollen so erreichen, dass sich die Kunden bei uns wohlfühlen. Deshalb wollen wir unsere Webseite noch persönlicher machen, wir forcieren den Service-Content, den wir gemeinsam mit Burda und der Medienmarke Chip anbieten und wir geben beim weiteren Ausbau des Themas Beratung Gas. Um all das noch konsequenter umsetzen zu können, haben wir auch unsere Shop-Entwicklung Anfang 2024 vom gemeinsamen Burda E-Commerce Hub in München wieder an den Firmensitz nach Dresden zurückgeholt. Die größere Nähe zur Marke hilft uns da wesentlich.

Wenn man von der Transformation von Cyberport spricht, muss man auch den Blick auf Ihre stationären Stores richten. Vor der Coronapandemie lag die Zahl der Cyberport-Stores fast bei 20, darunter einige Shop-in-Shops in inzwischen geschlossenen Galeria-Kaufhäusern. Heute betreiben Sie noch sieben Ladengeschäft in Deutschland, zwei in Österreich sowie eine Abholtheke am Logistikstandort Siebenlehn. Bleibt Cyberport weiterhin strategisch als Omnichannel-Händler aufgestellt?

Maik Friedrich: Ja, wir wollen weiterhin die Cyberstore-Kundschaft auch in unseren Stores bedienen. Ich denke, dass sich auch heute noch eher die Händler durchsetzen, die keine Online Pure Player sind. Denn so können wir den Kunden, die gerne in einen stationären Laden gehen, ein Mehr an Emotion bieten, können im Premiumsegment mit Beratung punkten und mit einem kuratierten Sortiment für Inspiration sorgen. Dass das funktioniert, sehen wir daran, dass wir in unseren Stores nicht nur viele Abholer haben, sondern auch generell im Einzugsgebiet unserer Geschäfte eine stärkere Kundschaft registrieren.

Bei diesen positiven Effekten stellt sich die Frage, ob auch wieder ein Ausbau des Store-Netzes geplant ist?

Maik Friedrich: Gerade sind wir in dieser Hinsicht vorsichtig, ich schließe es aber für die Zukunft nicht aus.

Für Cyberport ein Erfolgsmodell: Der stationäre Store in Hamburg
Foto: Cyberport

"Cyberport will sich nicht mit einer Bechtle oder Cancom messen"

Ein weiteres Standbein von Cyberport ist seit der Übernahme zweier iTeam-Systemhäuser 2021 das Service-Geschäft der 2022 formierten Cyberport IT-Services GmbH. Während auch andere große Elektronikversender einen signifikanten Umsatzanteil im B2B-Geschäft machen, haben Sie sich damit entschieden, noch einen Schritt weiter zu gehen. Warum?

Maik Friedrich: Unser Grundgedanke war es schon immer, unseren Kunden die passenden Lösungen zu bieten. Und im B2B-Umfeld ist das nun einmal die Kombination aus Hardware und Dienstleistung, insofern war es naheliegend, das als eine One-Stop-Lösung anzubieten. Durch die Übernahme der beiden Systemhäuser und den Aufbau der Cyberport IT-Services GmbH konnten wir in diesem Bereich gute Synergien schaffen. Zum Beispiel sind wir seitdem in einer deutlich attraktiveren Position, wenn es um Ausschreibungen von öffentlichen Einrichtungen geht. Natürlich wollen wir uns nicht mit einer Bechtle oder Cancom messen. Unsere Zielgruppe sind kleinere Kunden, die vor der Entscheidung stehen: Soll ich eine eigene IT aufbauen oder meinen Bedarf durch einen Dienstleister erledigen lassen?

Planen Sie die Verstärkung der Cyberport IT-Services GmbH durch weitere Zukäufe?

Maik Friedrich: Im Moment schauen wir erst einmal, wie wir bei der Umsetzung unserer Transformation vorankommen. Für die Zukunft möchte ich das aber nicht ausschließen.

Cyberport hat sein Abo-Modell in diesem Jahr auch auf den B2B-Bereich erweitert. Warum räumen Sie dem Miet-Commerce so großen Stellenwert ein?

Maik Friedrich: Es handelt sich hier um zwei unterschiedliche Ansätze: Im B2B-Bereich setzen wir das Cyberport Abo Business gemeinsam mit dem Fintech Topi um. Im B2C-Segment wird unser Abo für Apple Produkte gerade neu aufgesetzt und im ersten Halbjahr 2025 den Kunden wieder zur Verfügung stehen. Für beide Bereiche gilt, dass sich der Mietmarkt stark im Wachstum befindet. Ich denke, das ist zum einen so, weil es den Kunden ermöglicht, ein großes Investment in kleinen Teilen zu tätigen und zum anderen sicher wegen des Nachhaltigkeitsaspekts. Beides gilt so auch für den B2B-Bereich. Insgesamt nimmt das Abogeschäft für uns bereits einen zweistelligen Anteil am Umsatz ein.

Der Logistikstandort von Cyberport in Siebenlehn in der Nähe von Dresden
Foto: Cyberport

Die neuen Wettbewereber Galaxus und Coolblue - und Temu und TikTok

Sie haben eingangs darauf hingewiesen, dass aktuell mit Galaxus und Coolblue zwei in ihren Heimatländern marktführende Elektronikversender auf den deutschen Markt drängen und dabei nicht vor hohen Investitionen - auch in das Preisniveau - nicht zurückschrecken. Sehen Sie darin für Ihr Unternehmen eine Bedrohung?

Maik Friedrich: Nach den Erfahrungen der Vergangenheit bin ich da relativ entspannt. Es haben ja schon viele versucht, von außen in den deutschen Markt einzusteigen, doch sogar ein Schwergewicht wie AO hat dann wieder die Reißleine gezogen. Bei Coolblue und Galaxus ist es so, dass sie in ihren Märkten sehr groß sind, nicht aber in Deutschland. Und deshalb ist es auch für die Hersteller hierzulande nicht ersichtlich, warum sie in diese Anbieter investieren sollen. Natürlich ist es sehr interessant, wie die zum Teil sehr niedrigen Preise von Coolblue und Galaxus zustandekommen. Aber es ist ja zu lesen, wie hoch die Investitionen dafür sind. Ich denke, bisher hat keiner der beiden Händler eine Blaupause dafür, wie er nachhaltig auf dem deutschen Markt erfolgreich sein kann.

In der Tat ist der äußerst wettbewerbsintensive deutsche Markt schwer zu knacken. Deshalb sollte, wer sich hier erfolgreich behauptet, gute Chancen auch in den europäischen Nachbarländern haben. Hat sich Cyberport überlegt, auch über Österreich hinaus ins Ausland zu expandieren?

Mai Friedrich: Das ist ein Thema, das bei Cyberport schon lange in den Schubladen liegt. Und auch Computeruniverse war ursprünglich europaweit ausgerichtet. Wir werden schauen, wie sich der deutsche Markt weiterentwickelt. Alle anderen europäischen Märkte haben derzeit im Elektronikbereich weiterhin Wachstumsraten. Insofern ist das Thema Expansion auf jeden Fall interessant.

Wo wir beim Blick in die Zukunft sind: Es scheint, dass nach Jahren der US-Dominanz der E-Commerce zunehmend chinesischer wird. Was halten Sie von den Trends, die aktuell von dort kommen?

Maik Friedrich: Ich war vor vier Jahren selbst in China und habe mich dort mit den Trends auseinandergesetzt. Ich denke, man muss differenzieren: Was Temu und Shein machen, ist zum einen kein wirkliches CE-Thema und ist für das Premiumsegment, in dem wir tätig sind, nur wenig relevant. Trotzdem denke ich, dass es richtig ist, dass nun auf politischer Seite gefordert wird, dass die EU-Regularien auch für diese Anbieter gelten müssen. Wir fordern da faire Wettbewerbsvoraussetzungen für alle - auch im Interesse der Konsumenten.

Der Ansatz von TikTok Shop ist dagegen eher etwas, das auch für uns interessant ist. Wir haben selbst unsere Aktivitäten im Bereich Video-Content ausgebaut, weil das etwas ist, das die Kunden möchten. Ich glaube zwar nicht, dass Kunden durch Livestream-Shopping dazu verleitet werden, spontan ein Macbook zu kaufen. Doch wir beobachten das Geschäftsmodell von TikTok Shop gemeinsam mit unserer Konzernmutter Burda aufmerksam.

Bleibt zum Abschluss noch DAS Zukunftsthema: KI. Inwiefern spielt Künstliche Intelligenz für Cyberport heute schon eine Rolle?

Maik Friedrich: Wir testen und bewerten die Entwicklungen in diesem Bereich. Das ist im Übrigen auch eine klare Direktive von unserem Eigner Burda. Aus Sicht von Cyberport ist KI zum einen für den technischen Background spannend, für Themen wie Automatisierung und die damit verbundenen Einsparungen von Kosten. Die Möglichkeiten entwickeln sich hier wahnsinnig schnell. Zum anderen ist KI dort besonders relevant, wo es um den Use Case Microsoft Office geht: Mit Microsoft Copilot und der Nähe zu OpenAI gibt es hier viel Potenzial, das gerade auch für uns als Händler von Notebooks im B2B-Bereich sehr interessant ist. Insgesamt sehen wir der Entwicklung in Sachen KI positiv entgegen und erwarten, dass das in der nächsten Zeit den Markt klar verändern wird.