Ende Februar versammelte sich in Barcelona wieder alles, was in der Mobilfunkbranche Rang und Namen hat – einmal abgesehen vom iPhone- und iPad-Hersteller Apple, der vom Mobile World Congress nichts wissen will. Der Andrang war groß, Schätzungen zufolge fanden sich an die 75.000 Fachbesucher auf dem Messegelände ein, darunter jede Menge Topentscheider auf Vorstands-Level. Im Mittelpunkt des Interesses standen beim weltgrößten Mobile-Event einmal mehr die neuen Devices: Smartphones, Tablets und als neuester Trend Wearables.
Zu den Highlights zählte dabei Samsungs neues Smartphone-Flaggschiff „Galaxy S5“, das die Koreaner dieses Jahr im Rahmen der Messe in Barcelona auf dem eigens gestalteten Event „Samsung Unpacked“ präsentierten. Mit Features wie einem hochauflösendem 5,1-Zoll-Super- Amoled-Display, 2,5-Gigahertz- Quadcore-Prozessor, 16-Megapixel-Kamera, Fingerprint- Sensor, Schrittzähler, Pulsmesser sowie Staub- und Wasserschutz darf das Galaxy S5 guten Gewissens als die Summe des technisch derzeit Möglichen bezeichnet werden. Ähnliches findet man jedoch auch – teilweise sogar etwas eleganter – bei den Konkurrenten „Sony Xperia Z2“ oder „LG Pro 2“. Auch der für Ende März erwartete Nachfolger des „HTC One“ hat gute Chancen auf die Smartphone-Krone.
Insgesamt machte das Aufgebot im Highend- Bereich aber den Eindruck, dass die Anbieter ihr Pulver weitgehend verschossen haben. Ob die nächste Prozessorgeneration und 64-Bit-Computing neue Impulse bringen, muss sich erst noch zeigen. Nachdem sich in der westlichen Welt allmählich eine Marktsättigung ankündigt, spielt sich das eigentliche Geschäft der Hersteller heute im Bereich der Einsteiger- Smartphones ab. Hier gibt es besonders in Schwellenländern noch einen stark wachsenden Bedarf, und die Positionen der einzelnen Anbieter sind noch nicht so klar bezogen wie bei den Topgeräten. Wie die Beispiele ZTE, Lenovo, Huawei, LG und Alcatel-Lucent zeigen, gibt es hier noch Aufstiegsmöglichkeiten in die Oberliga. Kandidaten sind etwa Alcatels „OneTouch“ oder LG, das auf dem MWC preiswerte Smartphones mit 4G-Technik vorstellte.
Nokia sucht Geschäft mit Android
Auch die künftige Microsoft-Tochter Nokia kann sich dem Lockruf des Geldes in diesem Bereich nicht entziehen – immerhin ist das „Lumia 520“ laut Noch-CEO Stephen Elop das bestverkaufte Smartphone der Welt im Bereich von 75 bis 150 Euro. Um an diesen Erfolg anzuknüpfen, ohne die Marken Lumia und Windows Phone zu beschädigen, stellten die Finnen die Familie „Nokia X“ vor. Sie besteht aus den Geräten Nokia X, „X+“ und „XL“, die alle mit Android laufen (auf Basis der Open-Source- Distribution AOSP) und ausgewählte Nokiaund Microsoft-Programme wie HERE Maps, Nokia Mix Radio, OneDrive und Bing-Suche mitbringen. Die Preise liegen bei 89, 99 und 109 Euro plus Mehrwertsteuer.
Eine andere Strategie der Hersteller, im heiß umkämpften Markt der mobilen Endgeräte neue Umsatzquellen zu erschließen, sind Wearables, allen voran Smartwatches und Fitness-Tracker. Samsung etwa stellte auf dem Mobile World Congress mit „Gear 2“ und „Gear 2 Neo“ seine zweite Generation von intelligenten Uhren vor. Statt Android ist auf den Gadgets die Linux-Variante Tizen installiert, ein schlankes Betriebssystem, das wenig Ressourcen benötigt und für den Einsatzzweck völlig ausreicht.
Ein interessantes Konzept stellt auch das neue „TalkBand B1“ von Huawei dar, das einen Fitness Tracker sowie ein aus dem Band herausnehmbares Headset vereint. Der Clou daran: Aus dem Armband des Geräts lässt sich die Smartwatch lösen und ans Ohr stecken – dann funktioniert sie wie ein Bluetooth-Headset, das direkt mit dem Smartphone verbunden ist.
Netze platzen aus allen Nähten
Die mobilen Endgeräte waren aber nur ein Aspekt des Mobile World Congress. Ähnlich wie zu einer leckeren spanischen Paella neben Fisch und Meeresfrüchten auch Basiszutaten wie Reis, Tomaten und Gewürze gehören, drehte sich ein Großteil der Messe um die Grundlagen prosperierender Mobile-Märkte. In verschiedenen Treffen und Konferenzen wurde eifrig an der Zukunft der Mobilfunkbranche und des gesamten mobilen Ökosystems gefeilt. Im Fokus der Telcos stehen dabei die Möglichkeiten, ihre Mobilfunknetze schneller und effizienter zu gestalten, die Betriebskosten zu senken sowie neue Umsatzströme zu erzeugen.
So verzeichnen die Betreiber nach der kostenintensiven Migration ihrer Netze von 3G auf LTE einen deutlich gestiegenen Datenkonsum bei den 4GNutzern, der mittlere Umsatz pro Kunde (Arpu) liegt bei einem Plus im einstelligen Prozentbereich. Die TK-Provider haben nicht nur Probleme damit, ihre hohen Investitionen in LTE und andere Technologien wieder hereinzuholen, die Netze drohen zudem schon bald wieder aus allen Nähten zu platzen. Schuld daran sind die mit 4G veränderten Nutzungsgewohnheiten der Anwender. So prognostiziert Gartner, dass Videos in den nächsten fünf Jahren rund die Hälfte des mobilen Traffics ausmachen, gegenwärtig sind es bereits mehr als 40 Prozent. Die Folge ist, dass die 4G-Netze zunehmend verstopfen und zu einem schlechten Benutzererlebnis auf den Tablets und Smartphones führen.
Konkurrenz aus der IP-Welt
Auf dem Mobile World Congress wurden rund um diese negative Entwicklung eine ganze Reihe von Lösungsmöglichkeiten diskutiert und vorgestellt, von Video-Caching und Optimierung über Traffic-Analyse und -Management bis hin zu Plänen, Verursacher wie Youtube oder Netflix zur Kasse zu bitten. Doch die klassischen Telcos haben noch andere Sorgen: Konkurrenten aus der IP-Welt dringen mit Over-The- Top-(OTT-)Diensten wie WhatsApp, Viber oder Skype zunehmend in das klassische Geschäftsfeld der Carrier mit Telefonie, SMS und MMS. In ihren Ängsten bestätigt wurden die Telcos durch den Auftritt von Mark Zuckerberg: Der Facebook-Gründer erklärte in seiner Keynote, was es mit dem 19 Milliarden Dollar schweren Kauf von WhatsApp auf sich habe.
Auch dessen Gründer Jan Koum wurde in Barcelona der rote Teppich ausgerollt. Seine Ankündigung, dass Nutzer mit WhatsApp bald auch telefonieren können, war noch relativ harmlos – zumindest im Vergleich zu Zuckerberg, der in seiner MWC-Festrede und angeblich auch im gemeinsamen Dinner mit Carriern um Unterstützung bat. Im Rahmen seines Projekts Internet.org ersuchte er die Telcos, Nutzern in Entwicklungsländern den Zugang zu einigen Diensten wie Facebook, Wikipedia oder Wetterinformationen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Nur als Randnotiz: Mit einer Marktkapitalisierung von 180 Milliarden Dollar ist Facebook inzwischen wertvoller als Vodafone, Orange und Telecom Italia zusammen. Die Mobilfunker sind - gelinde gesagt - empört. Orange-Chef Stéphane Richard sagte in einem Interview, so etwas wie WhatsApp hätte man selbst schon früher auf den Markt bringen können und sollen. „Wir sind sehr entschlossen, aufzuholen“, so der Franzose.
Ob den Worten auch Taten folgen, ist ungewiss. Nachdem Joyn als OTT-Alternative komplett versagte, scheinen die Carrier vorerst mit ihrer Weisheit am Ende zu sein. So fanden sich auch dieses Jahr auf der Messe keine weltbewegenden Angebote, mit deren Hilfe die Telcos ihre Position an dieser Stelle wieder stärken könnten. Stattdessen, so der Eindruck nach Gesprächen auf dem Mobile World Congress, scheinen sich die Telcos mit ihrer Niederlage abgefunden zu haben und wenden sich nun neuen Themen zu. Dazu zählt eine mobile Zukunft, in der neben konventionellen Endgeräten auch Fahrzeuge (Connected Cars) und jede Art von Gegenständen miteinander kommunizieren – und dazu in den meisten Fällen eine Mobilfunkverbindung nutzen.
Hoffen auf mehr Vernetzung
"Creating what‘s next" lautete denn auch das Motto des MWC, denn diese Zukunftsvision nahm in Barcelona bereits erste Züge an. Bekanntester Showcase war die „Connected City“ vom Veranstalter GSMA, wo die Besucher die mobile Vernetzung an verschiedensten Alltagsbeispielen erleben konnten. Aber auch bei den Akteuren hat diese Verknüpfung auf der Mobilfunkmesse längst Gestalt angenommen – zu den Scharen an Netzausrüstern, Smartphone-Herstellern und App-Entwicklern haben sich längst Anbieter aus anderen Industrien gesellt. Der Autobauer Ford zog es gar vor, den mit Fahrassistenzsystem und anderer Elektronik dicht bepackten neuen Focus in Barcelona vorzustellen und nicht auf den zwei Wochen später in Genf stattfindenden Autosalon zu warten.