Insolvenz in Linden

COS-Betriebsrat war ahnungslos

10.08.2009
Der Betriebsrat der COS Distribution GmbH wurde vom Insolvenzantrag überrascht. Auch dort herrscht Rätselraten über die Vorgänge rund um den Verkauf an die Russen.
Dunkle Wolken über COS in Linden: Die Zukunft des Distributors ist ungewiss.

Der Betriebsrat der COS Distribution GmbH wurde vom Insolvenzantrag überrascht. Auch dort herrscht Rätselraten über die Vorgänge rund um den Verkauf an den russischen Investor KCK Association, in Deutschland vertreten durch die GreenGold AG und die KCK Ökologie GmbH.

Was sich in den Tagen zwischen der Übernahme durch die Russen und der darauf folgenden Insolvenz abgespielt habe, "verschließe sich dem Betriebsrat", berichtet der Gießener Anzeiger. Allerdings soll der COS-Betriebsrat seit geraumer Zeit über die "schlechte wirtschaftliche Situation" informiert gewesen sein. Diese Lage habe sich dann zusehends verschärft.

Laut einer Presseerklärung des Betriebsrats, die ChannelPartner vorliegt, waren bereits Ende Mai "mehrere Personen" von GreenGold in Linden, um sich "tagelang ein Bild von der aktuellen Situation vor Ort in Linden" zu machen. Da zeitgleich von Arques ein zweites Angebot geprüft worden sein soll, habe sich die Entscheidung für den Verkauf bis Mitte Juli hingezogen. "Der Betriebsrat der COS war nie direkt an den Verhandlungen oder an sonstigen Gesprächen mit möglichen Investoren beteilig", heißt es in der Mitteilung.

Nachdem per Ad-hoc-Meldung am 20. Juli 2009 der Verkauf der COS-Mutter Tiscon an GreenGold verkündet wurde, fand eine Gesprächsrunde zwischen den neuen Eigentümern, den Abteilungsleitern und dem Betriebsrat statt. Anwesend war dabei auch Hans Halbach, der angeblich zum Vorstand der Tiscon AG berufen wurde. Halbach dementierte die Berufung jedoch später gegenüber ChannelPartner.

Am Nachmittag des 20. Juli wurde dann die Belegschaft in einer Betriebsversammlung vom Verkauf informiert. Dort wurden Hans Halbach und der, seit 2007 für das Finanzressort der Tiscon zuständige und seit 2002 als CFO bei der COS geschäftsführend tätige Jochen Strack, als neue Vorstände der Tiscon vorgestellt. An der Versammlung nahmen auch die Ex-Vorstände Michael Krings und Leonhard Reznicek teil. Krings verabschiedete sich von der Belegschaft mit dem Hinweis, dass das Unternehmen gut aufgestellt sei. Weil man in den letzten Jahren die Kostensituation deutlich verbessert habe könne jetzt mit den entsprechenden Mitteln eines finanzstarken Investors der Fortbestand des Unternehmens gesichert werden.

Betriebsrat erwägt rechtliche Schritte

Auch Komponentenspezialist Chikara ist in den Insolvenzstrudel geraten.

Allerdings kam alles anders als erwartet. Eine Woche später stellte COS den Insolvenzantrag. "Klar scheint zu sein, dass die russischen Investoren dann aber plötzlich doch nicht mehr die zugesagten finanziellen Mittel zur Verfügung stellen wollten, angeblich, weil erst jetzt das Ausmaß der Misere bekannt geworden sei", schreibt der Betriebsrat. Man frage sich, wieso erst nach dem Kauf diese Erkenntnis gewonnen wurde, trotz "intensiver Prüfung" des Objekts. Allen Beteiligen sei die Situation der Firma klar gewesen. "Ein möglicher Investor hätte zunächst mal die fälligen Verbindlichkeiten bedienen müssen, damit kurzfristig das Unternehmen weitergeführt werden kann", heißt es in der Erklärung.

Der Betriebsrat der COS hofft nun, dass sich aus den vertraglichen Gegebenheiten noch Rechtsansprüche ableiten lassen. Man werde in den nächsten Tagen das vorläufige Insolvenzverfahren begleiten und prüfe derzeit sehr intensiv, ob man "einen Rechtsbeistand zur Unterstützung und Wahrung der Interessen" hinzuziehen soll.

Mittlerweile sind auch die Tiscon-Töchter Avitos und Topedo in den Pleite-Strudel geraten und haben jeweils Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Zudem wurde am 4. August 2009 bei der Komponentendistributionstochter Chikara vorläufige Insolvenzverwaltung zur Sicherung des Schuldnervermögens vor nachteiligen Veränderungen angeordnet.

Auch wenn die Belegschaft, viele Hersteller und Händler auf einen Fortbestand der COS hoffen und dem Distributor die Treue halten wollen, werden dem Unternehmen wenig Chancen eingeräumt. In einer Online-Umfrage der ChannelPartner glaubt über die Hälfte der Befragten, dass COS vom Markt verschwinden wird. Nur jeder Fünfte meint, dass sich ein neuer Investor findet. (awe)