Die Meldungen, mit denen Conrad Electronic in den letzten Jahren an die Öffentlichkeit trat, waren durchwegs positiv: Als Chief Sales Officer richtete Ralf Bühler das Geschäft erfolgreich auf den B2B-Onlinehandel aus und wurde dafür mit dem Posten des CEO belohnt. Auch in der Coronapandemie schlug sich Conrad dank seiner konsequenten Online-Ausrichtung besser als andere Händler mit stationärer DNA. Umso überraschender kam die Nachricht, dass Conrad bereits einen Großteil seiner Filialen geschlossen hat und im Laufe des Jahres bis auf das Geschäft am Unternehmenssitz in Wernberg-Köblitz alle B2C-Filialen aufgeben will.
Vor diesem Hintergrund lohnt sich der Blick in die Geschäftsberichte, die Conrad Electronic zuletzt für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 veröffentlicht hat. Nachdem das Unternehmen 2018 beim Umsatz stagnierte und in die roten Zahlen rutschte, ging es in den folgenden Jahren wieder bergauf: 2019 ging der Umsatz zwar noch einmal um 6 Prozent auf 946 Millionen Euro zurück, doch erzielte Conrad wieder ein positives Geschäftsergebnis in Höhe von 17 Millionen Euro. 2020 setzte sich dieser erfreuliche Trend fort: Der Umsatz stieg um 7 Prozent auf 1,01 Milliarden Euro und der Gewinn kletterte auf 23 Millionen Euro. Warum also jetzt der Ausstieg aus dem B2C-Filialgeschäft?
Filialen erwirtschafteten rote Zahlen
Das Filialgeschäft hatte Conrad bereits 2019 in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert, die Conrad Electronic Stores GmbH. Bereits mit deren ersten Geschäftsbericht zeigte sich, wie stark das stationäre Geschäft des Traditionsunternehmens unter Druck geraten war: Mit einem Filialnetz von mehr als 20 Standorten erzielte Conrad 2019 einen Umsatz von 160 Millionen Euro, dem beim Geschäftsergebnis ein Minus von 20,4 Millionen Euro gegenüberstand. Im Geschäftsbericht wurde dazu festgehalten: "Aufgrund der anspruchsvollen Marktbedingungen ist im stationären Filialgeschäft eine akzeptable Rendite immer schwerer zu erreichen. Im Zusammenspiel mit der Muttergesellschaft Conrad Electronic SE haben die Filialen jedoch nach wie vor einen erheblichen Beitrag am Erfolg der Conrad-Gruppe."
Ein Jahr später hatte sich die Situation weiter verschärft. Conrad veröffentlichte nun keinen separaten Geschäftsbericht mehr für die Stores-GmbH, sondern wies deren Kennzahlen lediglich im Bericht der Konzernmutter aus. Das Umsatzvolumen der Filialen für 2020 wurde nicht genannt, jedoch ausgewiesen, dass sich der Jahresverlust mittlerweile auf 21,6 Millionen Euro erhöht hatte. Dazu trug sicher auch die Schließung der Geschäfte während der Lockdown-Monate des Jahres bei. Dazu hält der Geschäftsbericht fest: "Der Umsatzrückgang aufgrund der Schließung unserer eigenen Filialen konnte durch zusätzliche Online-Umsätze bei B2B und B2C mehr als ausgeglichen werden."
Gab die Corona-Erfahrung den Ausschlag?
Womöglich war es gerade die Erkenntnis der Lockdown-Zeit, die bei der Entscheidung für den Rückzug aus dem B2C-Filialgeschäft den Ausschlag gab: Das Online-Geschäft von Conrad und die Positionierung im B2B-Handel waren inzwischen stark genug, um den Ausfall des stationären Geschäfts zu kompensieren und ein positives Geschäftsergebnis zu erwirtschaften.
Ganz in diese Richtung geht auch die offizielle Mitteilung von Conrad zum Ausstieg aus dem stationären B2C-Handel: Der Trend, dass Privatkunden und Privatkundinnen ihren Bedarf weniger im stationären Handel decken und stattdessen vermehrt online einkaufen, habe sich durch Corona in den vergangenen zwei Jahren noch einmal deutlich beschleunigt. "Dies unterstreicht, dass Conrad mit seiner vor Jahren erfolgten Strategieänderung und Entwicklung hin zu Europas führender B2B-Beschaffungsplattform für technischen Betriebsbedarf auf dem richtigen Weg ist", so Conrad Electronic in dem Statement.