Auch die sich gerne ewig jung und innovativ gebende Elektronikhandelsbranche ist nicht alterslos: MediaMarkt gibt es seit 1979, die Euronics-Mutter Interfunk seit 1969, Expert feierte 2022 das 60. Jubiläum, Saturn bereits ein Jahr zuvor und die Wurzeln von ElectronicPartner gehen bis in das Jahr 1937 zurück. Doch mit seinem 100-jährigen Firmenjubiläum, das nun im Logistikzentrum im oberpfälzischen Wernberg gefeiert wurde, übertrifft Conrad Electronic die gesamte Branche.
Immer wieder wurden im Lauf des Festtags die wichtigsten Stationen der Firmengeschichte beschworen: Die Gründung in Berlin 1923 durch Max Conrad, der als einer der ersten in Deutschland das Potenzial der neuen Medien Radio und Fernsehen erkannte. Die Fortführung seines Werks durch den Sohn Werner Conrad (Senior), der das Unternehmen nach dem zweiten Weltkrieg 1946 aus dem zerstörten Berlin in die bayerische Grenzregion Oberpfalz umsiedelte. 1954 der Einstieg von Klaus Conrad in das Familienunternehmen und in der Folge der Ausbau des Filial- und Kataloggeschäfts. 1997 der erneute Generationenwechsel zu Werner Conrad, dem heutigen Verwaltungsratsvorsitzenden. Und schließlich unter der Führung des heutigen CEOs Ralf Bühler die Aufgabe des B2C-Filialgeschäfts und der Wandel zur B2B-Beschaffungsplattform.
Anerkennung für die Leistung der Unternehmerfamilie
Bei dem von der TV-Journalistin Caren Miosga moderierten und von Starpianist Joja Wendt musikalisch begleiteten Festakt mit rund 400 geladenen Gästen stand für weite Strecken die Gründerfamilie Conrad und ihre unternehmerische Leistung im Mittelpunkt. Für berührende Akzente sorgte der 87-jährige Klaus Conrad, der seinem Sohn Werner für die Fortführung seines Lebenswerks dankte, auf den mit dem Unternehmen geschaffenen Wohlstand zurückblickte und aber auch die - hörbar bewegt vorgetragene - politische Pointe setzte, wonach dieser Wohlstand Deutschlands akut in Gefahr sei. Abgerundet wurde das Porträt des Firmenpatriarchen später durch den Redebeitrag von Tankred Stöbe, dem langjährigen Präsidenten der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen. Er betonte, welche großen humanitären und sozialen Akzente Klaus Conrad und sein Unternehmen mit ihrer kontinuierlichen Spendentätigkeit gesetzt haben.
Ein deutlich stärkeren Bezug zum operativen Geschäft zeigte in seiner Rede Verwaltungsratschef Werner Conrad, der mit einem Abriss der Unternehmensgeschichte deutlich machte, wie sich Conrad Electronic immer wieder neu an die Bedürfnisse der Zeit ausgerichtet hat. An diesen inhaltlichen Faden knüpften auch die Beiträge der gratulierenden Politiker an: Florian Herrmann, Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, war persönlich zu der Feier nach Wernberg gekommen und unterstrich die Bedeutung, die "Hidden Champions" wie das Familienunternehmen Conrad mit rund 2.500 Beschäftigten für den wirtschaftlichen Erfolg des Freistaats haben. Herrmann, wie auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der eine Videogrußbotschaft vorab aufgezeichnet hatte, anerkannten in ihren Reden den bewusst getroffenen Abschied vom Conrad-Filialgeschäft und die Hinwendung zum Online B2B-Marktplatzgeschäft. Damit habe sich das Unternehmen einmal mehr zukunftsfähig aufgestellt, so der Tenor der Politikerreden. Staatsminister Herrmann überreichte zudem einen "Bayerischen Löwen" an Werner Conrad, der die Auszeichnung spontan den Mitarbeitern des Unternehmens widmete.
Blick in die Zukunft
Zum Abschluss des Festakts traten schließlich Gegenwart und Zukunft noch einmal stärker in den Fokus. Zunächst strich CEO Ralf Bühler die wesentlichen Merkmale und Vorteile der "Conrad Sourcing Platform" heraus, wie das Unternehmen seinen B2B-Online-Marktplatz nennt. Man wolle damit zu einer der drei Top-Beschaffungsplattformen in Europa werden und auf diese Weise letztlich das Versprechen des Firmengründer Max Conrad weiterführen, alle denkbaren elektronischen Produkte und Teile zu guten Preisen und in hoher Qualität zu liefern - nur eben heute digital und gemeinsam mit den Marktplatzpartnern. Dass Bühler in seiner Rede vor den anwesenden Industriepartnern noch einmal das heutige Plattformmodell von Conrad erklärte, machte deutlich, dass die Transformation des hundertjährigen Unternehmens noch nicht abgeschlossen ist und dafür weiter Überzeugungsarbeit in zwei Richtungen nötig ist: Gegenüber dem B2B-Kundenklientel, aber auch gegenüber den bestehenden und potenziellen Marktplatzpartnern in Industrie und Handel.
Richtig in die Zukunft geblickt wurde somit erst im Rahmen einer abschließenden Podiumsdiskussion, zu der Caren Miosga neben Ralf Bühler auch Microsoft-Geschäftsführer Florian Deter und Daniel Holz, Vice President EMEA North bei Google, auf der Bühne versammelte. Im Mittelpunkt standen die Chancen und Risiken von KI. Conrad-CEO Bühler erklärte, man sei bei der Anwendung von Künstlicher Intelligenz noch im Experimentierstadium und werde sehen, ob KI-Anwendungen in der Lage seien, künftig etwa den Fachkräftemangel zu entschärfen, von dem auch Conrad betroffen sei. Die Top-Manager von Microsoft und Google gaben sich ähnlich vage und beteuerten, dass KI keine Arbeitsplätze vernichten solle und man mit internen Vereinbarungen den Missbrauch der Technologie verhindern wolle. Deutlich wurde in der Runde damit vor allem, dass trotz dem Hype um Chat GPT der breitenwirksame Einsatz von KI noch ganz am Anfang steht.
Mehr Aufschluss als über das Thema KI brachte die anschließende Podiumsdiskussion deshalb zur Frage der Relevanz von Conrad Electronic: Wenn sich neben Politprominenz und vielen Industrie- und Handelspartnern sogar die Deutschland-Chefs von Weltkonzernen wie Microsoft und Google für einen Tag in eine oberpfälzische Kleinstadt begeben, wird damit nicht nur die hundertjährige Geschichte des Unternehmens gewürdigt, sondern auch unterstrichen, welche Bedeutung Conrad mit seiner B2B-Plattformausrichtung für die Branche weiterhin besitzt.
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