Die Zahl der der deutschen Unternehmen, die Cloud-Dienste nutzen, hat im vergangenen Jahr stärker zugenommen als in den drei vorangehenden Jahren zusammen. Das ist das Ergebnis des "Cloud Monitor 2016" von KPMG und Bitkom Research. Demnach setzen heute schon 54 Prozent der Unternehmen in Deutschland Cloud Computing ein, weitere 18 Prozent planen den Einsatz oder diskutieren ihn zumindest. "Wir sprechen über ein absolutes Fokusthema", sagt Jochen Wießler, Leiter Geschäftsbereich Mittelstand und Partner Deutschland bei SAP.
Für viele Reseller bedeutet dies eine massive Veränderung ihres Geschäftsmodells. "Der Channel befindet sich momentan in einer bedeutenden Umbruchphase", sagt Petra-Maria Grohs, CSO bei ProfitBricks. Er sei aber alles andere als untätig: "On-Premise-IT-Workload wechselt zügig in die Cloud, Mietmodelle setzen sich zunehmend gegen Investitionsvorhaben durch." Laut Peter Prahl, Senior Manager Partner Development bei der Amazon Web Services Germany GmbH, gibt es aus der Reihe der Systemhäuser kaum jemanden, der nicht das Gespräch mit AWS suchen würde."Waren einige Partner in der Vergangenheit noch etwas zurückhaltend, was die Entwicklung einer Cloud-Strategie betrifft, ist heute fast ausschließlich das Gegenteil der Fall."
Cloud ist schon längere Zeit ein großes und wichtiges Thema im Channel, meint auch Ulrich Hamm, Consulting System Engineer Data Center bei Cisco Deutschland. "Da es sich aber um ein komplexes Thema handelt, das viele unterschiedliche Facetten besitzt, ist es zwar angekommen, aber hat den Channel sicher noch nicht zu 100 Prozent durchdrungen."
Auch Fujitsu verzeichnet laut Louis Dreher, Senior Director Channel Sales Germany, eine steigende Nachfrage seiner Channelpartner nach Cloud-Services: "Viele erkennen mittlerweile, dass sie ihr Geschäftsmodell umstellen müssen." Einige Partner böten bereits selbst Cloud-Lösungen an - teils aus eigenen Rechenzentren, teils aus gemieteten Ressourcen. "Es haben sich sogar ganz neue Reseller-Geschäftsmodelle entwickelt, wie insbesondere der wachsende Markt der Serviceprovider zeigt."
Bei HPE sind es vor allem viele Platinum- und Gold-Partner, die sich bereits zum Cloud Builder zertifiziert haben, weiß Channel Sales Manager Gerry Steinberger: "Sie konnten mit dieser Zusatzqualifikation signifikante Projektentwicklungen bei gemeinsamen Kunden vorantreiben." Besonders VARs und Serviceprovider investierten in Richtung Cloud, was sich auch in positiven Geschäftsergebnissen niederschlage, so Steinberger weiter. "Das sollte andere Partner motivieren, den Schritt in Richtung Cloud zu gehen."
Insbesondere die Möglichkeit, die klassische IT mit Cloud-Produkten zu kombinieren, mache das Thema für den Channel interessant, meint Plusserver-COO Thomas Noglik: "Die Kunden wünschen zwar flexible und kostengünstige Cloud-Lösungen für bestimmte Anwendungen, aber wollen einen Teil ihrer Daten lieber auf dedizierten Systemen belassen." Sicherheitsbedenken spielten hier eine große Rolle. "Mit hybriden Lösungen aus Servern und Cloud bietet der Channel den Kunden das Beste aus beiden Welten sowie eine Möglichkeit, sich langsam an das Thema Cloud heranzutasten."
Hürden auf dem Weg ins Cloud-Business
"Reines Reselling wird immer attraktiv bleiben für Partner, die Beziehungen zu Endkunden unterhalten und dort, wo der Partner als 'Trusted Advisor' wahrgenommen wird", ist sich Petra-Maria Grohs von ProfitBricks sicher. Endkunden erwarteten aber neben der reinen Vermittlung auch Unterstützung bei der Implementierung, dem Betrieb und der Fortentwicklung von IT in der Cloud. "Tendenziell wird also die Bedeutung von reinem Reselling ohne gleichzeitige Verantwortungsübernahme durch den Resale-Partner zurückgehen."
Noch läuft aber das reine Reselling gut, was manchen Partner in falscher Sicherheit wiegt. "Lukratives Bestandsgeschäft erzeugt … noch zu geringen Handlungsdruck", sagt SAP-Geschäftsbereichsleiter Wießler. Durch die Digitalisierung werde jedes Unternehmen aber ein Stück weit wieder zum Start-up, so Wießler weiter. "Das gilt für unsere Partner, die Endkunden und natürlich auch für uns. Alle Beteiligten müssten umdenken, Prozesse neu definieren, integrieren und kontinuierlich optimieren, so Wießler weiter. Das brauche Zeit, sagt AWS-Manager Prahl: "Natürlich wissen wir, dass sich ein bestehendes Geschäft, das vor allem auf Hardware- und Lizenzverkäufen beruht, nicht von heute auf morgen umstellen lässt." Der Weg von einem stark auf Hardware ausgerichteten Ansatz hin zu mehr Services und Beratung erfordere neue Fähigkeiten und andere Herangehensweisen, gibt Ulrich Hamm von Cisco zu Bedenken. "Neue Geschäftsmodelle müssen gefunden sowie Angebote für und beim Kunden mit eigenen Cloud-Angeboten und auch Managed Services kombiniert werden."
Reseller sähen sich außerdem neuen Ansprechpartnern bei ihren Kunden gegenüber, ergänzt Fujitsu-Director Louis Dreher. "Dafür benötigen sie unter Umständen andere Vertriebs- und Beratungsfähigkeiten als bisher." Auch müssten sie sich mit erweiterten Aspekten des Datenschutzes und der Informationssicherheit befassen. "Für viele Channelpartner gestaltet es sich zudem schwierig, neue Mitarbeiter mit den benötigten Qualifikationen zu finden."
Gerry Steinberger von HPE sieht vor allem zwei Faktoren, die Partner zögern lassen: "Zum einen basiert das Cloud-Business auf einem komplett anderen Geschäftsmodell. Anstelle der üblichen Abrechnungs- und Vertriebsmodelle von Produkten, muss der Reseller nun As-a-Service-Angebote auf monatlicher Abonnement-Basis vertreiben und abrechnen." Der Aufbau von Know-how und Reputation im Cloud-Business sei der zweite Faktor, der Reseller teilweise noch vom Einstieg in dieses Geschäftsfeld abhielte. "Insgesamt sind doch einige Investitionen notwendig, bevor sich das Investment auszahlt."
"Sicherheitsbedenken seitens der Kunden könnten ein Hindernis darstellen, wenn der Reseller keine entsprechenden Argumente parat hat, um diesen entgegenzusteuern", meint Plusserver-COO Noglik, und empfiehlt zertifizierte Rechenzentren in Deutschland als Datenstandort, statt zu Cloud-Lösungen in den USA oder gar gänzlich unbekannten Standorten zu greifen.
Wie der Channel Mehrwert ins Cloud-Geschäft bringt
Partner sind auch im Cloud-Vertrieb unverzichtbar, darin sind sich die Experten einig. "Grundsätzlich entwickeln Partner insbesondere dann einen Mehrwert für den Vertrieb von Cloud-Lösungen, wenn sie unsere Geschäftsmodelle und digitale, zeitgemäße Vertriebsmechanismen in ihre Sales-Strategie einbinden", sagt SAP-Geschäftsbereichsleiter Wießler. Ein breites Spektrum an Projektkompetenz und langjährige Kundenbeziehungen nennt AWS-Manager Prahl als zwei wichtige Vorteile des Channels: "Dadurch besteht ein Vertrauensverhältnis, das gerade bei den ersten Schritten in die Cloud, die oft mit Unsicherheit belegt sind, von großen Nutzen sein kann."
Im Amazon Partner Network (APN) fänden sich neben großen Consulting-Partnern wie Accenture und Cap Gemini und nationalen Systemintegratoren wie Arvato, Computacenter und Cancom auch hochspezialisierte, ha?ufig eher kleinere Firmen wie Cloudreach, Nordcloud, Beck et al., ITM oder tecRacer. "Diese haben zum Teil bereits sehr tiefe Spezialisierungen im Cloud-Umfeld ausgebildet", sagt Prahl.
Gute Kundenbeziehungen sind auch für HPE-Channel-Sales-Manager Steinberger das große Plus der Reseller: "Unsere Partner bringen einen erheblichen Mehrwert schlichtweg dadurch, dass sie den Kunden am besten kennen." Daher wüssten sie über die Bedürfnisse ihrer Kunden, deren Infrastruktur und technische Anforderungen ganz genau Bescheid. "Durch dieses Wissen können Cloud-Projekte deutlich schneller angegangen und umgesetzt werden, beispielsweise wenn es um Basisarbeit wie Workload Assessments, Zuordnung des richtigen Cloud-Typus und Entscheidungen über SaaS-Angebote oder On-premise- versus Off-premise-Leistungen geht."
Service- und Beratungsleistungen für Cloud Management nennt Ulrich Hamm von Cisco als wichtige Mehrwerte, die der Channel erbring:. "Partner wählen dabei aus den verschiedenen Cloud-Landschaften und -Angeboten die jeweils passende Lösung aus. Sie können auf Basis der Kenntnisse der IT-Strukturen bei Kunden die Auswahl der bestmöglichen Lösungen und Anbieter auch von Managed Services vornehmen", sagt er.
Partner sollten als "Navigator" durch den oft unübersichtlich erscheinenden Cloud-Markt fungieren, empfiehlt Fujitsu-Director Dreher: "Mit ihrer meist langjähriger Erfahrung und ihrem Branchen-Know-how sind sie in der Lage, Kunden den Weg in die Digitalisierung zu ebnen und sie bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle unterstützen." Zudem könnten Partner auf Basis von Cloud-Plattformen schneller neue Angebote entwickeln und ihren Kunden zur Verfügung stellen, sie bei der Inbetriebnahme und Orchestrierung unterschiedlicher Cloud- und On-Premise-Lösungen unterstützen sowie dabei helfen, die gesamte heterogene IT effizient zu verwalten.
"Ist der Partner zum Beispiel eine Agentur, so kann er dem Kunden eine umfassende Lösung aus einem funktionellen Internetauftritt und der dahinterliegenden Infrastruktur - also einer Cloud-Lösung - anbieten", sagt Plusserver-COO Thomas Noglik zum Thema Mehrwert. "Als Systemhaus bietet der Partner eine Komplettlösung für die verschiedenen Workloads: Er kümmert sich sowohl um die interne IT als auch um die Schnittstellen zum Kunden, welche in der Cloud liegen."
Partner sind besser in der Lage, ihren Kunden eine optimal individuell zugeschnittene Lösung anzubieten, als der Cloud-Provider allein, findet ProfitBricks-CSO Grohs: "Die Partner selbst haben zudem die Gelegenheit, Cloud-Beratungs-, -Implementations- und Managementdienste für den Kunden zu erbringen." Darüber hinaus könnten Partner Value-added Services wie Sicherheitslösungen für den Betrieb der IaaS-Cloud sowie Mehrwertdienste aufzusetzen. "Exemplarisch sei hier eine IP-basierte virtuelle Telefonanlage genannt." (rw)