Konvergenz im IT-Services-Markt

Cloud-Boom sprengt alte Provider-Grenzen

25.03.2022 von Heiko  Henkes  IDG ExpertenNetzwerk
Hybride Cloud-Modelle sind das Liefermodell für Cloud Computing in Deutschland. Treibende Kraft ist die Adaption leistungsstarker Public-Cloud-Dienste. Während Hyperscaler auf die Überholspur wechseln, sehen sich IT-Dienstleister aller Art noch einmal völlig neu herausgefordert:
 
  • Managed-Hosting- und Managed-Services-Provider erweitern ihre Cloud-Fähigkeiten und nähern sich einander an.
  • Dank erstklassiger Connectivity in die Hyperscaler-Welt wächst die ohnehin schon hohe Bedeutung der Colocation-Anbieter.
  • Start-ups ergänzen das Portfolio der etablierten IT-Dienstleister mit innovativen Cloud-Native-Lösungen.

Es hat ein wenig gedauert. Doch spätestens mit dem Einsetzen der Coronapandemie hat die Mehrzahl der deutschen Unternehmen ihre Vorbehalte gegenüber der Cloud abgelegt. Vor allem hybride Cloud-Modelle gelten als Mittel der Wahl, um Workloads hochskalierbar, kosten­günstig und sicher zu unterstützen.

Mit zunehmender Praxiserfahrung wächst die Bereitschaft, die Zahl und den Umfang der darin eingebundenen Public-Cloud-Dienste nun kontinuier­lich auszubauen. Dementsprechend verringert sich das Gewicht der ein­gesetzten Private-Cloud-Elemente. Zu dieser Einschätzung kommen auch 105 Provider aus der DACH-Region, die wir Ende 2020 dazu befragt ha­ben, wie sich die IT-Services-Präferenzen ihrer Kunden bis 2022 verändern werde. Die Tendenz der Antworten ist eindeutig: Während die weit über­wiegende Mehrzahl der Befragten von einer weiteren Zunahme der Public- und Hybrid-Cloud-Interesses ausgeht, gehen die Erwartungen im Private-Cloud-Bereich spürbar zurück (vgl. Bild).

ISG-Umfrage unter IT-Dienstleistern aus der DACH-Region zu den IT-Services-Präferenzen von Unternehmenskunden. Mehrfachantworten möglich.
Foto: ISG

Services entlang der gesamten Wertschöpfungskette

Die zunehmende Aufgeschlossenheit gegenüber der Public Cloud führt da­zu, dass die Karten auf dem IT-Services-Markt noch einmal neu gemischt werden. Denn: Wer marktgerechte Hybrid-Cloud-Lösungen aus einem Guss bieten will, muss die gesamte Wertschöpfungskette des Cloud Com­puting nun aus einer Hand managen. Um entsprechend durchgängige Ser­vices zu bauen, gilt es die Angebote für Managed Hosting und Managed Services wesentlich stärker zu verzahnen, als dies bisher der Fall war. Sei es im eigenen Haus oder über die Einbindung von Partnern. Vor allem größere IT-Dienstleister haben hier bereits erhebliche Fortschritte gemacht. Die vormals eher getrennt organisierten Bereiche sind inzwischen fließend und überlappen sich.

Weiteres Kernelement der vom Kunden gewünschten End-to-End-Services ist die Integration passender Private-Cloud-Angebote. Dies erfordert eine möglichst weit reichende Expertise in der Zusammenarbeit mit den Hyper­scalern. So etwa beim Aufsetzen kundengerechter Lieferverträge, was angesichts der extrem starken Standardisierung, mit der Private-Cloud-Anbieter in den Markt gehen, ein hohes Maß an Prozesswissen und Ver­handlungsgeschick erfordert. In eigentlichen Tagesgeschäft geht es dann darum, flexible Zugänge zu den jeweils gewünschten Public-Cloud-Umgebungen zu gewährleisten. Sei es durch tragfähige eigene Partner­schaften mit den Hyperscalern. Sei es über Colocation-Anbieter, die ihre Rechenzentren für eine möglichst große Zahl von Private-Cloud-Anbietern öffnen.

Nach wie vor sind in der DACH-Region mehr als 1.000 IT-Dienstleister am Markt. Unsere Marktforschung geht davon aus, dass diese bemerkenswert hohe Zahl auch in den kommenden Jahren weitgehend stabil bleibt. Selbst das sich weiter verstärkende Übernahmegeschehen wird daran nur wenig ändern. Grund ist eine Vielzahl von Markteintritten durch hoch spezialisierte Start-ups, die Public-Cloud-Technologien schnell adaptieren und innovative Services entwickeln. Somit ergibt sich Platz für spitz aufgestellte, software-getriebene Gründerunternehmen, die mit etablierten IT-Dienstleistern ko­operieren und deren Cloud-Fähigkeiten gezielt ergänzen. So zum Beispiel in den Bereichen Sicherheit, Applikationsentwicklung, Deployment und Container-Management.

Welche Innovationsfähigkeit Cloud-Native-Lösungen innewohnt, wird besonders deutlich, wenn Künstliche Intelligenz mit ins Spiel kommt. So etwa bei Analysediensten, die aufzeigen, wie stark welche IaaS-Elemente gerade genutzt werden und wie sich die Nutzung vor dem Hintergrund des weiteren Applikationsverhaltens kurz- bis mittelfristig entwickeln wird. Auf diese Weise entsteht ein Forecast, der genug Wissen liefert, um passende Mindestabnahmemengen zu bestimmen und attraktive Rabatte auszuhan­deln.
Auch hier wird es zukünftig immer stärker auch auf die Beratungs­kompetenz der IT-Dienstleister ankommen. Sie müssen ihre Kunden aktiv darüber aufklären, welche Mehrkosten sie sich durch den reinen On-Demand-Einkauf von Public-Cloud-Leistungen ins Haus holen würden. In besonderem Maße gilt dies für Großkunden. Denn: Wer sich hier zum Ab­schluss von mehrjährigen Lieferverträgen entschließt, kann Einsparungen von bis zu siebzig Prozent erzielen. Passend eingestellte KI-Dienste liefern die nötige Planungssicherheit. So übrigens auch im späteren Tages­geschäft, wenn es darum geht, die Micro Services einer Cloud-Applikation ihrem aktuellen Nutzungsgrad entsprechend herauf und herunter zu provisionieren.

Ungeachtet solcher Innovationen auf dem Gebiet von KI, bilden die Themen Automatisierung und Containerisierung derzeit noch das Rückgrat der eingesetzten Hybrid-Cloud-Lösungen. Container erlauben das workload-adäquate Sourcen von Daten und Services, ganz gleich in welchen Infrastrukturen diese gerade liegen.

Entwicklungspfad Cloud Computing
Foto: ISG

Fazit

Vor diesem Hintergrund haben insbesondere auch solche IT-Dienstleister Wachstumschancen, die ihren Kunden mit branchenspezifischen Practices Wettbewerbsvorteile verschaffen. Dabei gilt es, einen kontinuierlichen Innovationsprozess zu etablieren, der es den Kunden erlaubt, sich an die Spitze ihrer Märkte zu setzen und dort auch zu halten. Entsprechend wich­tiger wird es für die Provider, die Geschäftsprozesse und die Applikationen der Kunden in ihrer ganzen Tiefe zu verstehen. Hierzu zählt auch Wissen darüber, wie sich die Ökosysteme der Kunden verändern und welchen Regularien in den unterschiedlichen Zielmärkten gültig sind.

Etablierte IT-Dienstleister, ganz gleich ob sie aus dem Managed-Services- oder dem Hosting-Umfeld stammen, sind somit gefordert, sich permanent weiterzuentwickeln und ihren Kunden eine attraktive Roadmap zu bieten. Nur so können sie die aufstrebenden Infrastrukturanbieter, zu denen neben den Colocation-Providern immer stärker auch die Hyperscaler selbst zäh­len, in Schach halten.

In beiden Bereichen ist bereits jetzt zu beobachten, dass automatisierte Managed Services für die unteren Layer gebaut und erfolgreich vermarktet werden. Für die etablierten IT-Dienstleister bedeutet dies, dass sie sich mit höherwertigen, business-bezogenen Services differenzieren müssen.
Hierzu gehört es auch, die Mitarbeiter des Kunden im Organizational Change Management (OCM) zu unterstützen. Schließlich bringt die zunehmende Cloudifizierung der Geschäftsprozesse tiefgreifende Veränderungen der bisherigen Arbeitsweise mit sich. Wer seine Kunden in diesem Transformationsprozess begleitet, schafft gute Voraussetzungen, um gegenüber Dienstleistern zu punkten, die sich dieses Marktverständnis überhaupt erst noch erarbeiten müssen.