Schwierige Aufgabe für Führungskräfte

Chefsache "Mitarbeiter kündigen"

18.07.2017 von Albrecht Müllerschön
Mitarbeiter kündigen – vor dieser Aufgabe fürchten sich die meisten Führungskräfte von Klein- und Mittelunternehmen. Denn sie können sich anders als viele Konzernmanager nicht hinter der Entscheidung einer fernen Zentrale verstecken.
Bereiten Sie sich auf Kündigungsgespräche gut vor.
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In der Antike wurden die Überbringer schlechter Nachrichten geköpft. Dieses Horrorszenario haben viele Führungskräfte vor Augen, wenn sie vor der Aufgabe stehen, Mitarbeiter zu entlassen - speziell in Klein- und Mittelunternehmen (KMU). Denn in ihnen sind die Vorgesetzten nicht nur die Überbringer der schlechten Nachricht. Sie müssen meist auch diese folgenschwere Entscheidung treffen.

Deshalb wälzen sich viele Inhaber und Geschäftsführer von KMU oft nächtelang schlaflos in ihren Betten hin und her, bevor sie beschließen: Ich entlasse diesen Mitarbeiter. Und scheinbar endlos überlegen sie "Soll ich oder soll ich nicht", bevor sie zur Einsicht gelangen: Daran führt kein Weg vorbei. Und nicht selten schieben sie die Entscheidung so lange vor sich her, bis ein akuter Vorfall sie zur Überzeugung bringt: "Jetzt reicht's." Dann wird sozusagen über Nacht ein Schlussstrich gezogen, und aus der sachlich notwendigen Entscheidung, wird plötzlich eine von Emotion geprägte Entscheidung - mit der Konsequenz, dass der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer letztlich im Zorn auseinander gehen.

Problem: persönliche Beziehung zu Mitarbeitern

Sogar Führungskräften, die ansonsten sehr entscheidungsfreudig sind, fällt der Beschluss, sich von einem Mitarbeiter zu trennen, oft schwer. Dafür gibt es viele Gründe. Der Wichtigste ist: Ein Mitarbeiter ist keine Maschine. Einen Mitarbeiter zu entlassen, heißt stets auch, dessen künftiges Schicksal mit zu entscheiden - und das der anderen Personen, die von dem Gehalt leben. Deshalb ringen sich viele Führungskräfte so schwer, zu einer Kündigung durch.

Hinzu kommt: In Klein- und Mittelunternehmen arbeiten der Chef und seine Mitarbeiter meist enger zusammen als in Großunternehmen. Sie sitzen sozusagen Tür an Tür; deshalb wachsen zwischen ihnen auch persönlichere Bande. Entsprechend schwer fällt es den Vorgesetzten, einem Mitarbeiter zu sagen: "Ich muss..." oder "Ich möchte mich von Ihnen trennen".

Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kündigung nicht betriebsbedingt, sondern aufgrund von Verhaltens- oder Kompetenzdefiziten erfolgt. Dann geht mit dem Aussprechen der Kündigung meist das Beendigen der persönlichen, zuweilen sogar freundschaftlichen Beziehung einher. Denn eine Fiktion ist der Glaube, den insbesondere jüngere, unerfahrene Führungskräfte zuweilen hegen: "Ich kann den Mitarbeiter zwar entlassen, doch weiterhin eine gute, persönliche Beziehung mit ihm pflegen."

Dies ist eine Illusion. Vor allem, weil der gekündigte Mitarbeiter - auch aus Selbstschutz - die Ursache für die Kündigung in der Regel nicht bei sich selbst, sondern beim "Chef" sucht und ihn in KMU auch hierfür verantwortlich macht. Gerade weil in Kleinbetrieben zwischen Chef und Mitarbeiter oft eine persönliche Beziehung besteht, erlebt der Mitarbeiter die Kündigung auch als persönliche Enttäuschung.

Lesetipp: Die zehn häufigsten Fehler der Chefs

Notwendigkeit: sich eigene Fehler eingestehen

Aus weiteren Gründen fällt vielen Chefs von KMU das Kündigen schwer. Sie müssen sich zum Beispiel, wenn sie die Entlassung eines Mitarbeiters erwägen, nicht selten eigene Fehler eingestehen. Zum Beispiel, dass sie

  1. den falschen Mitarbeiter eingestellt haben,

  2. die Entwicklung des Geschäfts falsch eingeschätzt haben oder

  3. bei Fehlentwicklungen nicht rechtzeitig gegengesteuert haben.

Deshalb schreiben sie sich, wenn sie eine Kündigung aussprechen müssen, oft eine Mitschuld zu. Auch dies erschwert es ihnen, die notwendige Entscheidung rechtzeitig zu treffen.

Hinzu kommt: Viele Führungskräfte geraten, wenn sie einen Mitarbeiter entlassen, mit ihrem Selbstbild beziehungsweise dem Bild, das sie bei ihren Mitarbeitern hinterlassen möchten, in Konflikt. Dies gilt speziell für Führungskräfte, die ansonsten einen partnerschaftlich-kooperativen Umgang mit ihren Untergebenen pflegen. Sie befinden sich plötzlich in einer Situation, in der sie die Macht, die sie aufgrund ihrer Führungsposition haben, offen zeigen müssen. Dies versetzt sie in innere Panik. Sie fragen sich unter anderem:

  1. Was denken die anderen Mitarbeiter von mir, wenn ich einen ihrer Kollegen entlasse?

  2. Ändert sich durch die Kündigung ihr Verhältnis zu mir?

  3. Packt sie die Angst: Ich könnte der Nächste sein, der gehen muss?

Verbleibende Mitarbeiter sehen Kündigung oft voraus

Die Praxis zeigt: Solche Befürchtungen sind meist unbegründet. Die verbleibenden Mitarbeiter haben in der Regel mehr Verständnis für die Entscheidung der Führungskraft, als diese glaubt.

Gerade erfahrene Mitarbeiter haben oft einen sechsten Sinn dafür, was betrieblich notwendig ist - auch weil sie in KMU die meisten Geschäftsprozesse hautnah miterleben. Zudem haben sie ein feines Gespür für die Stärken und Schwächen ihrer Kollegen. Sie registrieren sehr wohl: Dieser Kollege ist zwar nett, doch überfordert. Oder: Dieser Kollege tut zwar stets beschäftigt, doch in Wahrheit hat er das Arbeiten nicht erfunden. Also haben sie auch eine feine Nase dafür, wann eine Kündigung "fällig" ist.

Häufig haben sie sogar wenig Verständnis für den Langmut ihrer Vorgesetzten: "Wenn ich was zu sagen hätte, wäre der schon lang geflogen." Sie erwarten von ihrem Vorgesetzten geradezu, dass er die nötige Konsequenz zeigt.

Hier liegt das Hauptproblem, wenn Führungskräfte notwendige Kündigungen auf die lange Bank schieben. Bei ihren Mitarbeitern verdichtet sich das Gefühl: Die Führungskraft misst mit zweierlei Maß: "Während sie von uns ein professionelles Arbeiten fordert, lässt sie beim Kollegen Nachlässigkeiten durchgehen." "Von uns erwartet sie Engagement, und der Kollege darf eine ruhige Kugel schieben." Verdichtet sich dieses Gefühl über einen längeren Zeitraum bei ihnen, stellen sie ihr eigenes Verhalten in Frage:

  1. Warum soll ich stets die Versäumnisse meines Kollegen ausbessern?

  2. Warum soll ich mich stets verausgaben, wenn mein Kollege sich einen faulen Lenz macht?

Die Folge: Auch die Leistung der anderen Mitarbeiter leidet unter dem Fehlverhalten des Kollegen und das Leistungsniveau sinkt insgesamt.

Kernfrage: Was passiert, wenn der Mitarbeiter bleibt?

Deshalb sollten sich Führungskräfte der Aufgabe, notwendige Kündigungen auszusprechen, stellen. Sie ist ein Teil ihrer Führungsaufgabe - zumindest dann, wenn

  1. es aus betrieblichen Gründen unvermeidbar ist, dass ein Mitarbeiter geht, und

  2. alle alternativen Handlungswege (wie Förder- und Kritikgespräch, Abmahnung, Veränderung des Aufgabenfelds) ausgeschöpft sind.

Die Entscheidung "Ich entlasse diesen Mitarbeiter" müssen die (oberen) Führungskräfte von KMU, wie viele unternehmerische Entscheidungen, oft alleine treffen. Diese Last nimmt ihnen niemand ab. Hilfreich ist es in solchen Situationen häufig, mit einem unbeteiligten Dritten - zum Beispiel einem Coach - die Pro's und Contra's abzuwägen. Hilfreich ist es auch, sich die Frage zu stellen: Welche Konsequenzen hat es, wenn der Mitarbeiter bleibt? Für mich als Führungskraft? Für das Unternehmen? Für das Verhalten der Kollegen? Danach fällt es dem Vorgesetzten meist leicht, sich zu entscheiden.

Kurz gefasst: zehn Tipps für Führungskräfte

1. Bereiten Sie sich auf Kündigungsgespräche gut vor. Schreiben Sie ein "Drehbuch" für den Kündigungs- und Trennungsprozess. Klären Sie zunächst die juristische Seite. Handelt es sich um eine personen- oder verhaltensbedingte oder eine betriebsbedingte Kündigung? Wann, wo und von wem wird die Entscheidung bekannt gegeben - mit welcher Begründung? Gibt es eine Abfindung? Ist eine Freistellung möglich/sinnvoll?

2. Führen Sie als Vorgesetzter, soweit möglich, das Kündigungsgespräch selbst. Wurde die Kündigung zum Beispiel von der Personalabteilung schon per Post zugestellt, suchen Sie unmittelbar danach das Gespräch.

3. Stellen Sie sicher, dass das Gespräch ohne Störungen von außen verläuft.

4. Teilen Sie die Kündigung nach einer kurzen Einleitung klar und sachlich mit. Nennen Sie das Kind beim Namen, verstecken Sie die Nachricht nicht hinter Anglizismen wie "Downsizing".

5. Reagiert der Gekündigte auf die Nachricht geschockt oder aggressiv oder weint er, warten Sie ab, bis er sich gefasst hat. Geschieht dies nicht, unterbreiten Sie ihm den Vorschlag, das Gespräch über die Trennungsmodalitäten zu einem späteren Zeitpunkt zu führen.

6. Bereiten Sie sich auf die Frage vor: "Warum ich?" Bei einer Sozialauswahl können Sie sich auf die rechtliche Lage berufen. Wenn Fertigkeiten oder Leistungsunterschiede (mit-)entscheiden, benötigen Sie beim Begründen viel Fingerspitzengefühl: Einerseits um den zu kündigenden Mitarbeiter nicht zu verletzen, andererseits, damit die Kündigung nicht juristisch anfechtbar wird.

7. Prüfen Sie bei einer personen- und verhaltensbedingten Kündigung genau, ob die rechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Wenn Zweifel bestehen, streben Sie einen Aufhebungsvertrag an.

8. Lassen Sie sich auf keine Diskussion über den Kündigungsgrund und/oder die Auswahlkriterien ein. Sonst diskutieren Sie über die Kündigung selbst.

9. Bieten Sie dem Gekündigten gegebenenfalls Hilfen beim Aufbau einer neuen beruflichen Perspektive an - zum Beispiel, dass Sie ihm als Referenz bei einem eventuellen neuen Arbeitgeber dienen. Oder indem Sie ihm die Unterstützung durch einen externen Karriereberater offerieren.

10. Bedenken Sie: Ein fair gestalteter Kündigungs- und Trennungsprozess hilft Ihnen, ein Absinken der Arbeitsmotivation der verbleibenden Mitarbeiter zu vermeiden. Denn diese registrieren sehr genau, wie "fair" Sie sich gegenüber ihrem (Noch-)Kollegen verhalten. Und dies wirkt sich auf ihr künftiges Verhalten aus. (OE)