Bisher kamen Touristen vor allem wegen der romanischen Abteikirche in den kleinen Ort Murbach. Die sei "ein Juwel der romanischen Kunst im Elsass", teilt die Tourismusverwaltung mit. Seit kurzem macht ihr aber eine Telefonzelle Konkurrenz. Es ist die letzte ihrer Art in Frankreich - und sie wird allmählich zum Kult-Objekt.
"Allô, bonjour!" ("Hallo, guten Tag") - so meldet sich Marie-Line Le Gourrierec in der Telefonzelle der kleinen elsässischen Gemeinde Murbach. Zuvor hat es in der Kabine am Rande des Dorfparkplatzes unablässig geklingelt. "Ah, Sie rufen aus Nantes an", sagt Le Gourrierec, die in den Vogesen Urlaub macht. "Kommen Sie ins Elsass, es ist schön, und es gibt viel zu sehen", empfiehlt sie und verabschiedet sich.
Danach vermerkt sie den Anruf mit Uhrzeit in einem abgegriffenen Schulheft, das in der Kabine ausliegt. Darin stehen neben Namen aus Frankreich inzwischen auch welche aus Belgien, der Schweiz, von der französischen Karibikinsel Guadeloupe und aus Kanada.
Seitdem das französische Magazin "Paris Match" im vergangenen Monat berichtete, die Murbacher Telefonzelle mit der Seriennummer 468 sei die letzte ihrer Art im Land, wird es in der Kabine kaum noch still. Das sechseckige Telekommunikationsrelikt wurde zu einer Touristenattraktion. Denn eigentlich hatte Frankreich zwischen 2015 und 2018 alle Telefonzellen im Land abgebaut - auch wenn es dagegen teilweise heftigen Widerstand gab.
Gelegenheits-Plausch für Jedermann
Gelegentlich nehmen Anwohner oder Besucher den blauen Hörer ab. Feste Regeln gibt es in der abgeschiedenen Kommune in der Nähe von Guebwiller im Département Haut-Rhin nicht. "Jeder kann antworten. Und dann fragt man, woher diese Leute anrufen, und man schreibt ihren Namen auf", berichtet Anwohnerin Marie-Claude König. "Wir finden das total étonnant (erstaunlich)", sagt die Elsässerin mit Blick auf den Rummel.
Die Gemeinde kann zu dem raren Objekt mit Retro-Charme nicht viel sagen. Man wisse noch nicht einmal, wann die Zelle vom damaligen nationalen Telekomunternehmen France Télécom aufgestellt wurde, heißt es aus dem Rathaus.
Noch drei öffentliche Telefone im Land
Ein Sprecher des Nachfolgekonzerns Orange bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass Murbach in der Tat die letzte noch funktionierende Kabine im ganzen Land hat. Daneben gebe es noch zwei weitere "Publiphones", also öffentliche Telefone, beispielsweise in einem Rathaus. Aber eben nicht in einer Zelle. An den zusammen drei verbliebenen Geräten könne man nicht mehr bezahlen. "Es ist nur noch möglich, einen Anruf entgegenzunehmen."
Inzwischen werde sogar vom örtlichen Touristenführer auf die neue Attraktion des Dorfes mit rund 170 Bewohnern hingewiesen, berichtet Besucherin Le Gourrierec. Die Gemeinde liegt in einem Gebiet, das in Frankreich "Zone blanche" ("weiße Zone") genannt wird. Eine Mobilfunkverbindung ist da je nach Standort schlecht oder gar nicht möglich.
In Deutschland klingelt es seit 2023 nicht mehr
In Deutschland baute die Deutsche Telekom das letzte gelbe Telefonhäuschen 2019 im bayerischen Wallfahrtsort St. Bartholomä am Königssee ab. Die - oft nur unzureichend gegen Wind und Wetter geschützten - restlichen öffentlichen Telefone in grau-magenta schaltete die Telekom Anfang 2023 ab.
Dazun wurde ab 21. November 2022 zunächst die Münzzahlung bei den damals verbliebenen 12.000 Fernsprechern deaktiviert. Ab Ende Januar 2023 wurde dann auch die Zahlungsfunktion mittels Telefonkarten und somit der gesamte Telekommunikationsdienst eingestellt. Der Abbau wird jedoch noch bis 2025 dauern. Aber auch hierzulande gibt es Telefonie-Nostaligker. Auch für die silbernen Telefon-Säulen gibt es bis laut Telekom "lange Wartelisten" für Käufer. (dpa/pma)