Buchhaltung gilt vielen als ungeliebte Fleißaufgabe. Neben den zahlreichen Regeln und Vorschriften, die sich häufig ändern, müssen Benutzer auch noch die Funktionsweise ihrer Software kennen. Besonders lästig ist das für Entscheider, die nicht permanent mit dem System arbeiten, sondern nur ab und zu eine Information brauchen – dann aber schnell. Oder für Mitarbeiter, die ihre Reisekosten erfassen.
In der Buchhaltung der Zukunft bieten Chatbots für diese und viele andere Anwendungsszenarien eine ganz neue Art der Interaktion zwischen Mensch und Maschine: Buchhaltung im gesprochenen Dialog. Tatsächlich erleben wir im Zusammenspiel zwischen IT und Anwender derzeit einen Paradigmenwechsel: Allein auf der Plattform Facebook Messenger gibt es bereits mehr als 100.000 Chatbots für die unterschiedlichsten Anwendungen. Für Alexa, die Chatbot-Plattform von Amazon, existiert eine fünfstellige Zahl von Skills, allein mehr als 2500 auf Deutsch. Und Anfang 2017 hat eine Umfrage des ITK-Branchenverbands Bitkom gezeigt: Rund ein Viertel der Befragten ist bereit, Chatbots selbst zu nutzen. Dabei erwarten die Menschen konkrete Unterstützung im Alltag, etwa bei der Terminplanung, Ticketreservierungen, Online-Shopping und Reisebuchungen.
Bewährte Funktionalität per Dialog steuern
Auch unternehmerische Aufgaben, etwa im Support des IT-Helpdesk, in der Kundenbetreuung oder der Buchführung lassen sich bereits an Chatbots übertragen. Durch die Kombination aus bewährter Funktionalität und Sprachsteuerung wird die Unternehmenssoftware zum smarten Assistenten im Unternehmen, mit dem Nutzer Ausgaben erfassen und Finanzen verwalten können. Dabei beantwortet der Chatbot Fragen wie "Wer hat offene Rechnungen bei uns?" zum Beispiel mit Kundennamen und Beträgen in einer Nachricht per Facebook Messenger oder Skype.
Ein anderes typisches Szenario für den Einsatz von Chatbots in der Buchhaltung ist das Erfassen und Verbuchen von Tickets, Quittungen oder Bewirtungsbelegen auf Geschäftsreisen. Dabei wird der Anwender per Dialog durch den Vorgang geführt. Nach dem gleichen Prinzip erhalten Kunden beispielsweise im First-Level-Support auf häufig wiederkehrende Fragen schneller die benötigte Antwort. Heutige Chatbots arbeiten dabei weitgehend regelbasiert, ohne Künstliche Intelligenz. Denn wichtiger als die Fähigkeit, möglichst jede komplexe Fragestellung zu verstehen und zu beantworten, ist zunächst, einfache, häufig wiederkehrende Fragen möglichst effizient abzuarbeiten.
Keine Universalgenies
In Zukunft wird Künstliche Intelligenz zwar dazu führen, dass Chatbots immer komplexere Aufgaben übernehmen können, doch auf diesem Weg sind noch viele Schritte zu gehen. Buchhalterische Tätigkeiten, die viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl benötigen, werden auf absehbare Zeit von Menschen bearbeitet werden. Eine grundlegende Voraussetzung für leistungsfähige KI-Systeme ist die Integration von Big Data in die operativen Unternehmensprozesse. Denn nur mit aussagekräftigen Auswertungen großer Mengen qualitativ hochwertiger Daten können KI-Systeme für den Einsatz im Unternehmensalltag trainiert werden.
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Aber auch intensivstes Lernen mit künstlicher Intelligenz macht aus Chatbots keine Universalgenies. Wer mit ihrer Hilfe Routineaufgaben in der Buchhaltung automatisieren will, muss deshalb bestehende Abläufe in einzelne Arbeitspakete aufgliedern. Auf deren Basis lassen sich dann Services definieren, die bestimmte Aufgaben selbständig ausführen. So könnte ein Konto-Bot zum Beispiel Rechnungen kontieren, während ein Cashflow-Bot den Zahlungsfluss überwacht und bei offenen Posten automatisch einen Mahnlauf anstößt. Ebenso wäre ein Chatbot im Personalwesen beispielsweise in der Lage, bei eingehenden Bewerbungen die nächsten Schritte im Recruiting-Prozess vorzubereiten.
Hände frei
In manchen Einsatzbereichen entfalten Chatbots zusätzlichen Nutzen, wenn sie mit gesprochener Sprache kommunizieren. So können Benutzer die Hände für andere Tätigkeiten benutzen und beispielsweise bei Wartungsarbeiten an technischen Geräten Informationen zu den Besonderheiten des jeweiligen Modells abfragen. Nach dem gleichen Prinzip können Fertigungsmitarbeiter in der Einarbeitungsphase oder bei seltenen, komplizierten Arbeiten unterstützt werden. Und Vertriebsmitarbeitern ermöglicht der Chatbot die Abfrage von Kundeninformationen im Gespräch während der Fahrt zum nächsten Termin.
Hier finden Sie mehr Informationen rund um das Thema Chatbots:
Chatbot FAQ: Was Unternehmen über Chatbots wissen müssen
Die zehn besten Chatbot-Lösungen für den Kundenservice
Chatbots - Technologie und Architektur
So helfen Chatbots, die bestehenden IT-Anwendungen intensiver und wirtschaftlicher zu nutzen, zumal sie auch abends und am Wochenende jederzeit einsatzbereit sind. Allerdings ist die akustische Spracheingabe trotz großer Fortschritte in den letzten Jahren noch verbesserungswürdig, was die Fehlertoleranz in lauten Umgebungen oder bei unerfahrenen Anwendern betrifft.
Ethische Leitlinien
Unabhängig von seinem Anwendungsbereich braucht ein erfolgreicher Chatbot eine tiefe Integration mit den Unternehmensdatenbanken und -applikationen. Ebenso wichtig ist die Struktur des Dialogs, damit der Benutzer schnellstmöglich die gesuchte Information erhält. Und erst die Kombination mehrerer Chatbots ermöglicht durchgängig automatisierte Prozesse. Dazu gehört neben einer sinnvollen Abgrenzung der Aufgabenfelder unterschiedlicher Chatbots voneinander auch eine leistungsfähige Steuerung ihrer Zusammenarbeit.
Neben diesen technischen und organisatorischen Voraussetzungen erfordert der Einsatz von Chatbots ethische Überlegungen. Chatbots und KI bergen zwar großes Verbesserungspotenzial, bringen aber auch eine neue Verantwortung mit sich. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, brauchen Hersteller und Anwender verbindliche Prinzipien für den Umgang mit KI. So könnten entsprehende Leitlinien formuliert werden:
1. KI sollte die Diversität ihrer Anwender widerspiegeln: Als Branche und als Technologie-Community müssen wir effektive Mechanismen entwickeln, um Vorurteile und negative Tendenzen aus den Daten herauszufiltern, von denen KI lernt, damit die KI-Anwendung keine Stereotypen zementiert.
2. KI muss zur Verantwortung gezogen werden – genauso wie die Nutzer: Anwender bauen eine Beziehung zu KI auf und vertrauen ihr bereits nach wenigen Interaktionen. Mit dem Vertrauen kommt auch die Verantwortung. Daher muss man KI für ihre Handlungen und Entscheidungen zur Rechenschaft ziehen können, genau wie Menschen. Die Technik darf nicht so intelligent werden, dass sie sich der Verantwortung entziehen kann. Dieses Verhalten akzeptieren wir schließlich auch nicht in anderen Bereichen, in denen es um Expertenwissen geht. Die Technik darf keine Ausnahme darstellen.
3. KI-Leistungen honorieren: Lernt ein KI-System von schlechten Beispielen, kann es der Gesellschaft schaden. Wir sollten bedenken, dass die meisten heutigen KI-Anwendungen kein Bewusstsein dafür haben, was sie uns mitteilen. Nur offenes Zuhören und Lernen aus unterschiedlichen Datenquellen kann dafür sorgen. Ein Beitrag dazu ist die Entwicklung eines Belohnungssystems für das KI-Training. Maßnahmen für das Reinforcement-Lernen (Lernen durch Bestärken) sollten nicht nur berücksichtigen, was KI-Anwendungen oder Roboter tun, um ein Ergebnis zu erzielen, sondern auch, wie sie sich dabei an menschlichen Werten ausrichten.
4. KI sollte für Chancengleichheit sorgen: Sprachtechnologie und Social Bots eröffnen neue Möglichkeiten der Teilhabe, besonders für Menschen, die durch Sehprobleme, Legasthenie oder eingeschränkte Bewegungsfähigkeiten benachteiligt sind. Als Community für Business-Technologie müssen wir die Entwicklung dieser Lösungen beschleunigen, um mehr Chancengleichheit zu schaffen und den Talent-Pool für kaufmännische und technische Berufe zu vergrößern.
5. KI wird Vieles ersetzen, aber sie muss auch Neues schaffen: Automatisierung von Abläufen und regelbasierten Prozessen ist die Kernkompetenz von KI und Bots – beispielweise im Kundensupport. KI ist sehr gut darin, wiederholt gleiche, banale Aufgaben auszuführen. Dabei lernen die Systeme schneller als Menschen und sind auf lange Sicht billiger. Durch die automatisierte Erledigung von Aufgaben durch Roboter werden sich neue Möglichkeiten eröffnen. An diese Chancen müssen Menschen herangeführt und dafür ausgebildet werden. So können sie sich stärker auf das konzentrieren, worin sie gut sind: Beziehungen aufbauen und Kunden betreuen. Und natürlich brauchen wir weiterhin menschliche Empathie in so wichtigen Bereichen wie im Rechts- und Gesundheitswesen, in der Fürsorge und beim Treffen komplexer Entscheidungen.
Bei der Einhaltung dieser Grundprinzipien geht es darum, die Vielfalt der Nutzer und Einsatzgebiete respektvoll und fair abzubilden. Mit einem klaren Ziel: Unternehmern und ihren Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern.