Im Herbst 1994 erfuhr das Mutterhaus von ChannelPartner IDG, dass die in den USA etablierte „Computer Reseller News“ auch in Deutschland durchstarten wollte. IDG-Gründer Patrick Joseph „Pat“ McGovern wollte das Feld nicht dem Wettbewerber überlassen. Er beschloss gemeinsam mit dem damaligen Herausgeber Dieter Eckbauer, in Deutschland eine eigene Publikation für IT-Reseller auf den Markt zu bringen.
Der Start von CRN-Deutschland war für März 1995 pünktlich zu der damals noch stattfindenden Cebit vorgesehen. IDG plante daher, das neue Objekt auf jeden Fall davor, im Idealfall noch im Januar 1995 erscheinen zu lassen. Es musste also rasch gehandelt werden und so wurden drei erfahrene freie Journalisten im November 1994 für diese Aufgabe engagiert: Ulf J. Froitzheim, Bernhard Rose und Claudia Petrik. Später kam noch Michael Wojatzek hinzu.
Sechs Wochen vor dem Start, also zwei Wochen vor Weihnachten, hatte das Kind noch keinen Namen. Froitzheim schlug "Return" vor. Es war eine dreifache Anspielung. Kaufleute sollten an "Return on Investment" denken, Computerleute an die Taste auf der PC-Tastatur und Insider an die Tatsache, dass es sich eigentlich um die Reinkarnation des allerersten Fachtitels für die deutschen Computerhändler handelte, sprich: The Return of "Computer Business". So hatte das monatliche Magazin geheißen, das IDG bereits zur Cebit 1984 herausgebracht, aber nach drei Jahren als noch unrentabel eingestellt hatte. Die Wurzeln von ChannelPartner reichen also sogar bis in die 1980er Jahre zurück, vor die Zeit der "EHZ - EDV-Handelszeitung", die zum ersten Mal zur Cebit 1991 erschien.
Schon bei dem Pionier-Projekt war Computerwoche-Redaktionsdirektor Dieter Eckbauer ("Ecki") die treibende Kraft gewesen, Ulf Froitzheim sein erster Redakteur. Dessen Titelvorschlag "Return" verwarfen "Ecki" und die Verlagsleitung jedoch als nicht selbsterklärend. Stattdessen einigten sie sich darauf, den alten Namen zu recyceln. Als die kleine Redaktion die Erstausgabe schon vollgeschrieben und die Seiten gebaut hatte, erfuhr sie von Eckbauer, dass der endgültige Titel noch um ein drittes englisches Wort länger sein würde. Über das fix-und-fertige Logo "Computer Business" hatte die Grafik-Abteilung kurzerhand in flotter Kursivschrift ein "Seller" gesetzt: "Computer Seller Business." Bestand hatte der Name nicht. Ein Jahr später hieß die Zeitung dann "Computer Partner" und erschien im gleichen Format wie die Computerwoche - geheftet und leicht geschrumpft.
Frech und bunt
Die Entwicklungsredaktion hatte Eckbauer ursprünglich davon überzeugt, ein anderes Format zu wählen - eine in der Mitte gefalzte Zeitung im kompakten DIN-A3-Format aus drei sogenannten "Büchern" mit je 16 Seiten. Außerdem: Die "Computer Seller Business" war konsequent als Boulevard-Blatt für den IT-Fachhandel konzipiert. Ihr Sprachstil war flott, die Überschriften frech und anspielend ("Pokerface Lieven" über den Vobis-Gründer, "Kahn bei Borland gekentert" über Philippe Kahn, den Chef des Softwarehauses). Diesen Ruf hat sich ChannelPartner (CP) bis heute erhalten. Layout und Stil haben sich allerdings mit der Zeit gewandelt.
1994 orientierte sich das Layout aber noch an diesem boulevardesken Stil. Nicht nur der Titel-Schriftzug war rot. Die Redaktion setzte die Farbe auch ein, um Überschriften optisch aufzupeppen und auch bei den Fotos den aktuellen Charakter zu unterstreichen.
Der Zeitplan für die Redaktion war extrem eng. Denn Richtig loslegen konnte das Dreier-Team erst wenige Tage vor Weihnachten Mitte Dezember 1994, nachdem die IDG-Zentrale in den USA das Budget für "Computer Seller Business" freigegeben hatte. "Erst da konnten wir mit der Recherche beginnen und freie Autoren beauftragen", erzählt Froitzheim. "Man muss sich vorstellen, das Ganze war schon äußerst sportlich", betont Rose. "Aandere Entwicklungsredaktionen brauchten damals Monate, um ein neues Blatt auf den Markt zu bringen, unser Team hatte ab dem Zeitpunkt des Go gerade mal fünf Wochen bis zur fertigen Erstausgabe.“
Für eine weitere, wenngleich noch kleine Redaktion war im IDG-Gebäude in in der Rheinstraße in München-Schwabing kein Platz. Doch im Nebengebäude gelang es den Verlag, eine leere Dachwohnung anzumieten. Unterstützt von Eckbauers rechter Hand, Dagmar de Aquino, organisierte sich das Trio kurzerhand die nötige Ausrüstung: erst einmal Tische, Stühle, Telefone, PCs und ein Faxgerät (!).
Immerhin: Wenigstens die Küche war bereits komplett eingerichtet. Mangels Datenleitung zwischen beiden Gebäuden mussten die fertigen Texte für den Satzcomputer im IDG-Haus anfänglich noch per Datendiskette weitergegeben werden. Improvisation war alles.
Kaum standen Tisch und Stühle und liefen die Computer, ging die eigentliche Arbeit los. "Von den CW-Kollegen nebenan bekamen wir täglich die Nachrichten des IDG News Service aus den USA und erfuhren so Vieles als Erste", erinnert sich Froitzheim, der sich damals im Home Office mit dem 9,6-kBit/s-Modem umständlich über Compuserve einwählen musste, wenn er ins Internet gehen wollte. "Aber im Netz war damals ja eh noch nicht viel los."
Die fertigen Texte brachten die Redakteure per 3,5-Zoll-Diskette zum Layout-Team ins Nachbarhaus. Passen zum Boulevard-Stil waren ihnen aber auch die Fotos wichtig. "Jeder von uns konnte auch fotografieren", sagt Froitzheim mit hörbarem Stolz. "Viel der Fotos haben wir selbst gemacht, um Aktualität und den Live-Charakter rüberzubringen", bestätigt Rose. Daher waren auch gute Beziehungen zu Foto-Schnelllabors wichtig, um von den belichteten Negativen innerhalb einer Stunde rasch Papierbilder zu bekommen. Denn Digitalkameras gab es damals noch nicht.
In den Wochen bis zur Cebit 1995 fuhren die vier Redakteure - Michael Wojatzek war schon an Bord - immer wieder in die Münchner Innenstadt zu den IT-Händlern in der Schillerstraße und zu den entsprechenden Herstellerin in München und Stuttgart (u.a. IBM, Microsoft, HP, Digital, Compaq). Sie sprachen mit Managern und Verkäufern, interviewten, fotografierten und texteten. ,Und schließlich scribbelten sie die Seiten und brachten die ersten Ausgaben zur Druckreife.
Das war nicht immer so einfach. "Wir mussten uns das Layout-Team mit der Computerwoche teilen", erklärt Froitzheim. "Die hatte aber einen ganz anderen Satzspiegel, andere Schriftarten und Layout-Vorgaben." Um diesen Part kümmerte sich vor allem Bernhard Rose: "Wir mussten ihnen jedes Mal detailliert darlegen, was wir haben wollten - auf einem Blatt Papier mit Bleistift gezeichnet. Danach gab es oft noch Iterationsschleifen." Den CW-Layoutern war das neue Boulevard-Layout schon manchmal lästig und bescherte ihnen so manche Überstunde, erinnern sich die drei.
Pressekonferenz zur Erstausgabe
Da es die extrem kurze Vorlaufzeit nicht erlaubte, für die potentiellen Inserenten vorab ein Layout-Dummy oder gar eine Nullnummer mit Beispiel-Texten zu produzieren, enthielt die Erstausgabe der "Computer Seller Business" deutlich weniger Anzeigen als erwartet. Die Kunden hatten einfach keine Vorstellung davon, wie das Blatt aussehen würde. „Durchaus ein Nachteil, denn so galt es, den vielen Platz mit redakionellen Inhalten zu füllen, und wir nahmen die Hilfe der freien Autoren dankbar an", erzählt Petrik.
Besonders stressig war es für Froitzheim als werdenden Vater: "Meine Tochter ist mitten in der heißen Phase auf die Welt gekommen und unsere Stadtwohnung war einfach zu klein. Kurz nach Erscheinen der Erstausgabe sind wir von München in ein Dorf im Landkreis Landsberg umgezogen." Froitzheims Ehefrau nahm es mit Fassung. "Du hast Dein Kind, ich habe meins", kommentierte sie seine viele Abwesenheit trocken. So konnten sich also weiterhin alle vier Redakteure als Geburtshelfer der neuen Zeitung betätigen und auch über den Jahreswechsel hinweg hart schuften, bis die Erstausgabe der "Computer Seller Business" plangemäß am 20. Januar 1995 erschien.
Die Präsentation des neuen Objekts fand in standesgemäßem Rahmen statt: Unter dem Motto "Handel im Wandel" hatte der IDG-Verlag zum Launch einen "Händlertag" im Münchner Park Hilton Hotell organisiert. Das Interesse der eingeladenen Anzeigenkunden und PR-Agenten war sehr groß, und das neue IDG-Blatt wurde keine Minute zu früh fertig. „Die Erstausgabe war zeitlich äußerst kritisch und verlangte von allen Beteiligten wirklich alles“, erinnert sich Rose. Die Zeitung sei buchstäblich druckfeucht zur Pressekonferenz ins Hilton geliefert worden.
Die Präsentation übernahmen Herausgeber Dieter Eckbauer und Geschäftsführer Ralph-Peter Rauchfuss, beide mittlerweile verstorben. "Es galt, ein Zeichen zu setzen - das ist die IT-Fachhandelspublikation, die in Deutschland vor der CRN erschienen ist", betont Petrik.
Fast jede der folgenden "Computer Seller Business"-Ausgaben enthielt mindestens eine selbst recherchierte exklusive Titelgeschichte. "Microsoft verklagte damals immer wieder eigene Partner, wenn sie es mit den Lizenzen nicht so genau nahmen", berichtet Petrik von ihren Recherchen. Die Journalistin bekam von einem Händler die kompletten Klageunterlagen überreicht, nachdem dieser vor dem Oberlandesgericht München gewonnen hatte.
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Später war Petrik bei einem Gerichtstermin direkt dabei und erlebte, wie der verklagte Händler unterlag. Und einmal nahm sie an einer Partnerveranstaltung von Microsoft teil, für die keine Presse vorgesehen war, und konnte viele interessante Interna aufschnappen.
Das gelang auch Froitzheim mehrfach: "Als Redakteur des Computer Business-Vorläuferhefts hatte ich zehn Jahre zuvor gelernt, dass man auf Fachhandelsveranstaltungen der Industrie Dinge erfährt, die einem die Pressesprecher nicht erzählen", resümiert er. "Daran haben wir angeknüpft. Ich selbst habe mich bei Hewlett-Packard unbeliebt gemacht, als ich bei einer exklusiven Händler-Präsentation aufkreuzte, auf der es um die neue Produktstrategie bei Druckern ging."
"Nach solchen Artikeln erhielten wir viele Leserbriefe, das war das ehrlichste Feedback, das wir bekommen konnten", erinnert sich Petrik.
Damian Sicking wird Chefredakteur
Der vom Verlag eigentlich schon 1994 verpflichtete Chefredakteur Damian Sicking war damals noch nicht an Bord, weil er an seinen alten Arbeitgeber, den IMV Verlag in Düsseldorf, noch vertraglich gebunden war. Sicking stieß erst im März 1995 zu "Computer Seller Business". Bereits einen Monat zuvor schied Bernhard Rose aus dem Team aus, dafür kam Ute Dorau ins Team. Ulf Froitzheim schrieb noch bis September 1995 als freier Mitarbeiter für die Redaktion; kurze Zeit später verpflichtete ihn Dieter Eckbauer für sein nächstes Entwicklungsprojekt, das erste Internet-Wirtschaftsmagazin "Global Online".
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Als neue Mitarbeiter kamen Christian Meyer und Wolfgang Leierseder hinzu. Claudia Petrik wechselte im April 1996 zur Heise-Publikation "Gateway", kehrte dann allerdings dann 1998 zu IDG zurück, weil der amerikanische Konzern dem Heise-Verlag diese Netzwerkpublikation abkaufte.
Nach Damian Sickings Amtsantritt, pünktlich zur Cebit 1995, änderte sich rasch der Stil der Zeitung, an deren Entwicklung er nicht hatte teilhaben können. Noch im selben Jahr stellte der Chefredakteur das Format um: Aus dem gefalzten Blatt mit mehreren Büchern wurde eine geheftete Zeitung nach dem Vorbild der Computerwoche.
Zum Jahreswechsel 1996 warf er auch den Titel über Bord und etablierte die neue Marke "ComputerPartner" (CP). Der Markt nahm die Änderung gut an: Im Herbst 1997 erschien zur Münchner IT-Messe "Systems" die dickste jemals gedruckte CP-Ausgabe mit einem Umfang von 196 Seiten. Als ein halbes Jahr später zur Cebit 1998 die Erscheinungsweise vom vierzehntäglichen auf wöchentlichen Rhythmus verdoppelt wurde, brachen die Heftumfänge keineswegs ein, sie sanken nur leicht.
Zehn Jahre lang existierte die "Computer (Seller) Business" als "ComputerPartner", dann wurde sie umgetauft auf ihren heutigen Namen "ChannelPartner". Wer weiß, wie sie in 25 Jahren heißen wird?
Aber wie sich die CP ab April 1995 wandelte, das können Sie hier lesen.
Zum Video: ChannelPartner feiert 25jähriges Jubiläum
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