ChannelPartner-Umfrage zu "Senioren-PCs": Bedienkomfort ist alterslos

02.07.2007
Die Initiative D21 hat mit ihrem (N)onliner Atlas 2007 die Diskussion um den sogenannten Senioren-PC wieder ins Rollen gebracht. ChannelPartner befragte Hersteller, Distributoren und Händler, was so einen PC überhaupt ausmacht und welche Marktchancen er hat.

Gemeinsam mit TNS Infratest hat die Initiative D21 die Internetnutzung in Deutschland dokumentiert. Die meisten Online-Verweigerer findet man in den gehobenen Altersklassen. Bei der Suche nach den Gründen dafür wurden 1.178 private "Offliner" ab einem Alter von 50 Jahren befragt, was sie bewegen könnte, doch noch ins Internet einzusteigen.

Als wichtigstes Gegenargument wurde einerseits der fehlende Nutzen des Internets gesehen. Für den Einstieg sprachen andererseits einfache und intuitive Bedienung des Rechners, vernünftige Komplettpakete samt Drucker sowie verständliche Handbücher. Weit weniger Zustimmung fanden bei den Befragten Ausstattungsmerkmale, die speziell auf Ältere zugeschnitten sind, wie etwa größere Tasten, großer Bildschirm oder fortlaufende Betreuung zu Haus.

Damit sprachen sie vielen Branchenexperten aus der Seele. Volker Kaps, Produktmanager PC-Systeme bei der Wortmann AG, hält ebenfalls nichts von einer Tastatur mit größerer Schrift. "Das Einzige, was interessant ist, wäre eine total einfache Bedienbarkeit eines solchen Gerätes", so Kaps. "Das ist aber nicht gegeben, und das wird es auch so schnell nicht geben, denn ein Betriebssystem mit entsprechenden Programmen ist immer noch eine relativ komplizierte Sache."

Das kann Georg Albrecht, Pressesprecher von Apple Deutschland, nicht ganz bestätigen: "Allein die Definition "Senioren-Rechner" sehen wir als grundlegend falsch und gegenüber älteren Menschen als unpassend an", kritisiert Albrecht. "Rechner von Apple beschränken sich nicht durch altersspezifische Merkmale, sondern überzeugen durch Eigenschaften, die von jeder Zielgruppe geschätzt werden. Die Installation ist einfach, und innerhalb von zehn Minuten ist der Rechner startklar, die nötige Software ist direkt im Lieferumfang enthalten. Dank dem fortschrittlichsten Betriebssystem Mac OS X gibt es keine unsinnige Treibersuche, der Mac ist zudem absolut intuitiv zu bedienen. Der Mac, sei es Desktop oder Notebook, ist einfach ein Computer, der funktioniert - dank eines perfekt aufeinander abgestimmten Zusammenspiels von Hardware und Software. Bezüglich Alterseingrenzungen halten wir es da doch eher wie die Firma Ravensburger: von 6 bis 99 Jahren."

Auch für Jörg Hartmann, Leiter Consumer Business Deutschland bei FSC, kann es einen Senioren-PC als solchen nicht geben, denn "dazu ist die Gruppe der älteren Mitbürger viel zu groß und viel zu bunt in ihren Anforderungen. Entscheidend sind die Serviceangebote, die von der klassischen Installation bis zu Helpdesk, Fernwartung und Softwaremanagement alles abdecken. Für diejenigen Einsteiger, die bewusst auf eine Windows-Oberfläche verzichten wollen, ist sicher unser Simplico eine gute Wahl. Darüber hinaus vertreiben wir unsere Amilo Notebooks und Scaleo PC mit einer umfangreichen, von Dokumentationsprofis erstellten Bedienungsanleitung und Nachschlageverzeichnissen."

Für Leo-Geschäftsführer Torsten Duffner ist der Service ebenfalls entscheidend, nicht das Gerät. "Denn heute ist der technische Wissenstand auch bei der Generation 50+ sehr hoch, und man sollte deren Fähigkeit, mit modernen Systemen nutzbringend umzugehen, nicht unterschätzen", erklärt Duffner. "Ich halte demnach nichts von Spezialsoftware für Senioren. Das schränkt den Funktionsumfang ein und lässt den Anwendern keinen Freiraum. Vielmehr geht es darum, den Interessenten durch gezielte Pre- und After-Sales-Betreuung das für sie individuell passende System anzubieten und ihnen im Falle von Rückfragen stets zur Seite zu stehen."

Service und Beratung stehen auch bei den Händlern ganz hoch im Kurs. "Nach unserer Meinung braucht der Markt keine "Best-Ager-PCs", sondern kompetente Beratung für Senioren, wie sie das ihnen vertraute Wissen weiterentwickeln können", ist sich Volker Müller, Vorstandssprecher Expert AG, sicher. "Dabei sind die Fachgeschäfte gefordert, die - wie Expert - ihre Verkäufer laufend in diesem Bereich schulen. Themen, die dabei immer wieder angesprochen werden, sind sicheres Electronic Banking, E-Mail-Verkehr, Fotos und Webcams, die von Senioren gern für den visuellen Kontakt mit den Enkeln eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund hat der Markt keinen Bedarf an "Best-Ager-PCs" und der Handel schon gleich gar nicht, weil das Absatzrisiko letztendlich bei ihm läge."

Frank Roebers, Vorstandsvorsitzender der Synaxon AG, setzt noch eins drauf und findet die Idee eines Seniorenrechners absurd: "Unsere Erfahrung ist, dass auch die "50+"-Kunden ganz normale Anforderungen an unsere Produkte haben und eher genervt darauf reagieren, wenn man ihnen besondere Seniorenprodukte anbietet. Unser Franchisenehmer André Schmidt aus Potsdam/Berlin Steglitz war im vorigen Jahr auf einer Seniorenmesse und hat sich dort als ganz normaler PC-Händler mit ganz normalen Produkten gezeigt. Die Rückmeldungen waren eindeutig: endlich mal einer, der Senioren nicht als Tattergreise, sondern wie ganz normale Kunden behandelt!"

"Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich vereinfachte PCs oder Notebooks für Senioren oder Best-Ager nicht durchsetzen konnten", kann Matthias Jablonski, Bereichsleiter PC und Server bei Actebis Peacock, nur bestätigen." Die Generation 50+, die sich mit Computertechnologie und Peripheriegeräten auseinandersetzt, fühlte sich von den wenigen Angeboten bislang nicht angesprochen. Spezielle Geräte mit beispielsweise großen Tasten oder vereinfachter Technologie sind daher in keinem unserer Herstellersortimente zu finden. Wir räumen den Best-Ager-PCs auch künftig kaum Chancen ein. Wichtiger ist dagegen, dass sich der Markt auf die zahlungskräftige und wachsende ältere Generation mit umfangreichen Schulungen einstellt. Dabei sollte der Fokus auf der Einführung in Standard-Office-Programme und das Internet liegen und auch die Erläuterung des Nutzens und der Funktionen der neuesten IT- und CE-Geräte nicht außer Acht gelassen werden. Gezielte Schulungen und Beratung ziehen Hardwareverkäufe nach sich und bieten durchaus eine Chance für den Fachhandel, diese Käuferschicht für sich zu gewinnen."

"Die Gruppe 50+ ist eine Zielgruppe, die immer wichtiger wird. Der erste Schritt, diese anzusprechen, liegt klar beim Hersteller", ist die Meinung von Atila Kaplan, Senior Manager Computer Systems bei Ingram Micro. "Es ist sicher sinnvoll, ältere Leute allgemein an IT-Themen heranzuführen, ob man aber für diese gleich einen speziellen PC produzieren muss, um ihnen den Einstieg schmackhaft zu machen, darüber lässt sich streiten. Zudem gehört im Umgang mit IT und Internet mehr dazu, als ein speziell für diese Zielgruppe ausgestatteter Computer. Das Wissen um Datensicherung, sicheres Surfen im Netz, Umgang mit dem WWW allgemein sind nur einige Themen, die hier zu erwähnen wären. Die PCs und Notebooks werden allgemein immer bedienerfreundlicher, so dass sie für jung und alt das richtige Werkzeug sind."

Kim Ziogas, Abteilungsleiter Business Unit PC-Systeme und HP bei Tech Data Deutschland, hat konkrete Vorschläge, wie ein "Senioren-PC" sein sollte, ohne ihn "Senioren-PC" zu nennen: "Laptops und Desktop Produkte für die Generation 50+ sollten "out of the box ready" sein. Für die Haupteinsatzgebiete wie Internet Surfen, Online Banking, Textverarbeitung und vielleicht auch für einfache Spiele sollten die notwendigen Einstellungen und Vorinstallationen bereits vollständig eingerichtet sein. Wichtig ist auch, dass auf Standards wie Windows, Office etc. gesetzt wird und keine Einschränkungen in der Funktionalität durch proprietäre Installationen aufgezwungen werden.

Wenn man sich die Zielgruppe genauer ansieht, ist in der Zukunft ein Potential erkennbar." Am Beispiel Fujitsu Siemens mit ihrer "Simplico-Serie" sieht Tech Data aber, dass der Markt derzeit noch zurückhaltend auf sogenannte "Best-Ager-Produkte" reagiert.

Ziogas Tipp: "Hier muss meiner Meinung nach noch am Gesamtkonzept gefeilt werden. Ich denke da vor allem an Standards und an eine offene Architektur. Auch das zusätzliche Dienstleistungsangebot ist noch ausbaufähig, denn damit können Hersteller und Fachhändler für die Generation 50+ erkennbare Mehrwerte bieten und die Attraktivität solcher Produkte steigern. Man könnte Gutscheine für individuelle Schulungen in kleiner Runde und mit vielen Praxis- und Anwendungstipps verteilen. Mit dem Angebot einer Vor-Ort-Installation und einer einstündigen Einweisung wurden bereits erste Zeichen in diese Richtung gesetzt."

Auch Dirk Thomaere, General Manager Toshiba Europe GmbH Computersysteme D-A-CH, warnt davor, die Generation der Senioren zu unterschätzen: " Eine Reihe von ihnen ist durch ihr Berufsleben bereits mit der Bedienung von Notebooks und PCs vertraut. Die heutigen Senioren sind jugendlicher als in jeder anderen Generation. Nichtsdestotrotz steht außer Frage, dass sich unsere Fähigkeiten und somit unsere Bedürfnisse mit zunehmendem Alter verändern. Das Sehen wird beeinträchtigt, die Haptik lässt nach, und das Lernen fällt schwerer als in jungen Jahren.

Wichtig bei der Vermarktung von seniorengerechten PCs ist, sie gerade nicht als Best-Ager-PC zu positionieren, sondern die einfache Anwendung und Ergonomie in den Vordergrund zu stellen. Seniorenprodukten haftet etwas Stigmatisierendes an, und wer will in einer immer jugendlicheren Gesellschaft schon zum Senioren-PC greifen?" (go)