Connected Car - was steckt hinter dem Hype

Car IT - Kraft trifft auf Intelligenz

19.05.2014 von Klaus Hauptfleisch
Das vernetzte Auto - neudeutsch connected car - ist heute in aller Munde. Die KFZ- und die IT-Industrie finden immer mehr zusammen. Am deutlichsten zeigt sich das bei Telematik und Infotainment, aber befruchtend ist die Symbiose, mitunter versteckt, auch bei vielen anderen Neuerungen im Fahrzeugbereich.
Die Groupe Akka Technologies und MBtech haben zusammen dieses „Link & Go“-Konzeptfahrzeug entwickelt, das elektrisch fährt, selbst lenken und über Social Media auch zum Mitfahren oder neudeutsch „Teilen“ des Automobils einladen kann.
Foto: Akka Technologies

Das Auto sei auf dem Weg zum höchstentwickelten mobilen Computer, erklärte Nvidia-Mitgründer Jen-Hsun Huang bei Audi auf der CES Anfang des Jahres. Dabei holte er einen von der VW-Tochter zwei Jahre zuvor vorgestellten Modularen Infotainment Baukasten (MIB) hervor, der mit Nvidias Tegra-Prozessoren und Android als Betriebssystem eine Reihe von Anwendungen ermöglicht. Dies fange bei Infotainment mit Google Earth als Navigationshilfe an, gehe über digitale Instrumententafeln wie beim neuen Audi TT und reiche bis zum zFAS Piloted Driving and Parking System.

Und mit Google mischt ein Riese beim Thema Car-IT mit. Zusammen mit Audi, General Motors, Honda und Hyundai gründete der Konzern auf der CES Anfang des Jahres eine Open Automotive Alliance gegründet, um Android im Auto voranzutreiben. Denn die Vernetzung im Fahrzeug, von BMW ganz passend ConnectedDrive getauft, schreitet mit den neuen Möglichkeiten von Smartphones, Smart Watches und Smart Glasses immer weiter voran.

"Auto-Drive"

Noch einen Schritt weiter ging Mercedes-Benz hat mit dem Forschungsflaggschiff "S 500 Intelligent Drive" im August 2013. Auf den Spuren von Bertha Benz vollbrachten die Schwaben eine autonome Langstreckenfahrt im Überland- und Stadtverkehr. "Alle reden über autonome Fahrfunktionen - wir haben sie bereits in Serie", erklärte Entwicklungschef Thomas Weber Anfang des Jahres in Las Vegas.

Die im Luc-Besson-Streifen "The Fifth Element" mit Bruce Willis als Taxi-Rambo der Lüfte "Auto-Drive" genannte Zukunftsvision vom sich selbst steuerndem Fahrzeug rückt tatsächlich in greifbare Nähe. Ähnliche Lösungen wie die auch schon existierende Einparkautomatik gibt es natürlich auch von anderen Automobilherstellern, von Mercedes-Benz, Ford und Opel etwa. Aktuell scheinen diese aktiven Park-Assistenten (Mercedes) der Gipfel des mit ITK-Technik Machbaren und Vermarktbaren zu sein.

Doch wollen die Kunden und Marktteilnehmer das und andere Dienste überhaupt? Elektroautos wie das von der französischen Groupe Akka hat mit der deutschen Tochter MBtech, einem von DaimlerChrysler gegründeten Technologie- und Beratungsunternehmen, konzipierte im März 2013 ein Elektro-Konzeptfahrzeug präsentiert. Dieses soll neben dem autonomen Fahren und Einparken auch in der Lage sein, mit dem Fahrer oder Passagier und der Umwelt zu kommunizieren und über Social Media zum Mitfahren oder "Teilen" des Autos einladen. "Link & Go" genannt, würde dies gut in entsprechende Pläne von Google passen.

Was sind die Marktkräfte?

Der Frage, ob Kunden dies wollen, ist MBtech in der "Trendanalyse: Vernetztes Fahrzeug 2015" nachgegangen. Eine Umfrage ergab dabei, dass Mobilitätsinformationen, die gewerbliche Nutzung von Diensten im B2B-Bereich und Infotainment ganz oben auf der Wunschliste stehen, das sich aber nicht unbedingt in der Zahlungsbereitschaft widerspiegelt (Tabelle 1). Das zeigt sich auch beim Bedienungskomfort mit Touchscreen/Touchpad, Sprachsteuerung und Head-up-Displays ganz oben auf der Beliebtheitsskala.

Vor einem Jahr füllte Audis selbst lenkende Steuerzentrale noch einen halben Kofferraum Jetzt ist der zFas nur noch so groß wie eine Platine.
Foto: Audi

Die erwartete Marktdurchdringung der Vernetzung steigt mehr oder weniger mit der Fahrzeugklasse, mit 80 Prozent im oberen Segment und 26 Prozent bei Kleinwagen, Ausnahme sind die von Smart mit entsprechender Ausstattung besetzten Kleinstwagen. 20 Prozent Nachrüstpotenzial bis 2015 sollte Musik in den Ohren der Aftermarket-Anbieter sein. Interessanterweise wurde der Notruf von den Befragten viel mehr als Killerapplikation gesehen als die Ferndiagnose (über Smart Glasses und Augmented Reality etwa) oder die Parkplatzsuche.

Der MBtech-Studie zufolge wird die Automobilindustrie die Kontrolle über die Inhalte und Dienste der Vernetzung mittelfristig wohl an das dynamischere Internet verlieren, weil die Autobauer damit bald nicht mehr Schritt halten können. "Technologische Rahmenbedingungen wie HTML 5, Cloud Computing und eine hohe Bandbreite lassen es zu, dass das vernetzte Fahrzeug mit allen vom Nutzer geforderten Funktionen individualisiert werden kann", heißt es in der Studie. Offen seien allerdings Fragen der Verantwortung und der Gewährleistung der Systemsicherheit.

Heiß diskutiert wird derzeit auch die Frage der Überwachung. Ein peinliches Eigentor hat sich dahingehend Fords oberster Marketing- und Sales-Chef James D. Farley jüngst geleistet, als er sich in Wildwest-Manier direkt an potenzielle Missetäter wandte und damit prahlte, sie per GPS im Auto jederzeit überführen zu können. Der Zusatz, man werde die Daten nicht weitergeben, ist dabei fast untergegangen und konnte die Gemüter kaum beruhigen. Hat man Worte?

Wandel zur 4C-Industrie

Nach dem Vorbild von Apple CarPlay will Microsoft mit Windows Phone im Metro-Look auf der Fahrzeugkonsole Spuren hinterlassen.
Foto: Apple

Um Worte ringen auch die Kfz- und IT-Industrie bei ihren Kooperationsbemühungen. Heute sorgen so wichtige Player wie Google, Microsoft oder Samsung für Furore, wie sie als neue Markttreiber mit Macht in die Automobilbranche drängen. Dabei mischt die ITK-Industrie, wenn auch eher unbemerkt, schon lange im Fahrzeugbau mit. So hat der Tastaturenhersteller Cherry vor seiner Übernahme durch den Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen beispielsweise mehr als die Hälfte des Umsatzes mit dem Geschäftsfeld Automotive erzielt und rund 80 Prozent der westeuropäischen Fahrzeuge beliefert.

Die Firma Bosch vereint als Elektronik- und CE-Hersteller zwei traditionell starke Glieder in der Kfz-Zulieferkette. Und Betreiber wie die Deutsche Telekom oder AT&T stellen die Infrastruktur für die drahtlose Vernetzung, über UMTS oder LTE etwa. Eine zunehmende Bedeutung kommt Cloud-Diensten sowie Datenbank- und Business-Intelligence-Technologien bis hin zu SAP Hana und Big Data zu. Denn wohin mit den ganzen Daten und wie sie verarbeiten?

In Fernost sieht man schon den Wandel von der 3C- zur 4C-Industrie mit Cars als vierter Säule neben Computer, Communications und Consumer Electronics. Vier steht auch für das Konzept der "Industrie 4.0", das mit der Vernetzung die vierte Generation der industriellen Revolution beschreibt und Big Data zum Schlagwort hat.

4C oder Car ICT könnte auch zum übergeordneten Schlagwort für ITK und CE im Fahrzeug werden, denn bisher verwendete Begriffe wie Telematik oder Car IT reichen nicht mehr aus, um alle Facetten einzubeziehen. Car IT ist außerdem unter anderem von einer BMW-Tochter für Telematik- oder Automotive-Software besetzt. "Automotive" scheint sehr geeignet, wird eigenständig aber nicht genutzt, sondern fast nur im Sinne von Kfz-Lösungen, vorrangig von IT-Herstellern.

Carplay Mercedes
Mercedes-Benz mit Apple CarPlay in C-Klasse
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Telematik und Infotainment

MirrorLink, hier von VW schematisch dargestellt, erlaubt es, das Display des Smartphones oder Tablets auf die Fahrzeugkonsole zu bringen.
Foto: VW

Es bleiben noch Telematik und Infotainment. Die Wortschöpfungen aus Telekommunikation und Informatik sowie aus Information und Entertainment (Unterhaltung) decken große Teile der heutigen "4C-Lösungen" ab, aber eben nicht alle. Für den Verbraucher gehen sie in modernen Fahrzeugen auf der Konsole oder Anzeigetafel meist Hand in Hand und sind sie als solche kaum unterscheidbar.

Bei den genannten Lösungen setzt der VW-Konzern für alle Marken auf Audis eingangs genannten Modularen Infotainment Baukasten (MIB), der es durch Trennung von Hard- und Software ermöglichen soll, mit der von MBtech angesprochenen rasanten Entwicklung der Informationstechnologie Schritt zu halten.

Die Fahrzeug- oder Verkehrstelematik, auf Englisch griffiger Intelligent Transport Systems (ITS), bezeichnet die Erfassung, Übermittlung, Übertragung, Verarbeitung und Nutzung von Verkehrsdaten unter Verwendung von ITK-Technik. Über Radio durchgegebene Verkehrsmeldungen gibt es schon seit 1997. Moderne Navigationsgeräte nutzen den Traffic Message Channel (TCM), um dem Fahrer Staus und Ausweichmöglichkeiten anzuzeigen.

C2X: Auto an Auto, Auto an Infrastruktur

Durch Verkehrsstromanalyse lässt sich ein reibungsfreierer Verkehrsfluss sicherstellen. In Zukunft sollen sich Staus und Unfälle auch über die direkte Kommunikation zwischen Autos sowie zwischen Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur vermeiden lassen. Die Car-to-Car und Car-to-X-Vernetzung (C2C/C2X oder V2X mit V für Vehicle) haben sich unter anderem Deutschlands Top-Marken auf die Fahne geschrieben. Kritiker mahnen jedoch, dass potenzielle Raser sich durch Ausbleiben stationärer oder mobiler Signale anderer Verkehrsteilnehmer zu sehr in Sicherheit wiegen und erst recht auf Risiko fahren könnten.

Bei vielen Fahrzeugneuerungen kommen IT-nahe Technologien zum Einsatz. RFID ermöglicht zum Beispiel das wie magische Öffnen der Tür oder Heckklappe mit BMWs „Komfortzugang“ oder Mercedes-Benz‘ „Keyless Go“. NFC wäre sicherlich auch geeignet.
Foto: BMW

Außerdem sehen viele schon mit Sorge, dass die durch C2X potenzierte Möglichkeiten der Echtzeiterfassung von Floating Car Data (FCD oder xFCD) nicht nur den Werbetreibenden, sondern auch Verfassungsschutz- und Geheimdiensten in die Hände spielen könnten. Nicht umsonst regt sich vielerorts Widerstand gegen Street View und Co. Dennoch will Toyota Google-Bilder aus Street View und Panoramio ab 2014 sukzessive bei allen Fahrzeugen mit dem "Touch & Go"-Navigationssystem einführen.

Verkehrsleitsysteme haben dazu beigetragen, dass weniger Parkplatzsuchende umherirren und die Straßen verstopfen. Durch C2X-Kommunikation mit den Parkuhren zum Beispiel ließe sich die Suche noch weiter vereinfachen. Das älteste und effektivste Mautsystem hat seit 1975 wohl Singapur mit derzeit rund 80 vollautomatischen Mautbrücken (ERP Gantries) und Abrechnung über In-Vehicle Units. Je nach Tageszeit und Zahl der Gantry-Passagen wird die Autofahrt in die City mitunter so teuer, dass selbst viele Besserverdiener lieber das günstige öffentliche Verkehrsnetz nutzen. Dieses gilt als vorbildlich und soll dazu beigetragen haben, dass Singapur mit 5,3 Millionen Einwohnern Staus in der Innenstadt weitgehend verbannt hat.

Smarte Integration ist Trumpf

Als "intelligentere, sicherere Möglichkeit, dein iPhone im Auto zu nutzen", bewirbt Apple die CarPlay-Technologie für die direkte Kopplung des Mobiltelefons mit dem Display des Autos. Über einen extra Schalter am Lenkrad kann man auch die Siri-Sprachsteuerung des iPhone hinzu zitieren. Die ersten Autos mit CarPlay sollen 2014 von Ferrari, Mercedes-Benz und Volvo sein, aber die Liste der angekündigten Kooperationspartner ist lang. Mit dabei sind unter anderem BMW, Ford, Honda, Hyndai, Jaguar, Mitsubishi, Nissan, Opel, Peugeot, Citroën und Toyota auf.

Das Internet der Dinge macht vor dem Auto nicht halt und wird dadurch erst recht mobil. Fahrzeuge lernen, miteinander und mit der Umwelt zu kommunizieren. Speicher, Cloud und Business Intelligence oder Big Data kommen dabei eine zunehmende Bedeutung zu.
Foto: Mercedes

Microsoft ist mit Windows Automotive Embedded schon lange im Car Business, hat sich damit aber als Basis für unterschiedliche Bedienpanels bisher dezent im Hintergrund gehalten. Wie jetzt aus den USA berichtet, soll nun nach dem Muster von CarPlay ein Interface folgen, das mit entsprechendem Wiedererkennungswert Windows Phone im Metro-Look auf das Car-)

Beim Prototypen soll das von Symbian und Android für die Verbindung zwischen Smartphones und Autos verwendete "MirrorLink" eingesetzt worden sein. HTC hat so eine Lösung schon mit einem Golf GTI gezeigt. Um die Bildschirmspiegelungstechnik hat sich ein Car Connectivity Consortium (CCC) geschart, dem neben Kfz-Herstellern wie Honda, Renault, Toyota und Citroën unter anderem auch Alpine und Pioneer angehören, große Namen wie Huawei, LG, Panasonic und Samsung ebenso.

Die Zukunft hat schon begonnen

Mindestens zweimal hat 007 von Q schon einen BMW bekommen, den er fernsteuern konnte. Im Straßenverkehr ist das wohl zu gefährlich, aber Samsungs Smartwatch Galaxy Gear kann immerhin schon mal fürs richtige Klima im Fahrzeug sorgen.
Foto: BMW

Ein Stück 007: Der BMW i3 als erstes vollvernetztes Elektrofahrzeug bekommt mit der auf der CES 2014 zusammen mit der Samsung Galaxy Gear präsentierten BMW i Remote App eine Fernsteuerung, wenn auch nicht für die Straße, sondern für die Klimatisierung und das Füttern von Navi-Daten, per Spracheingabe zum Beispiel. In erster Linie soll die Smartwatch aber als Infozentrale dienen, um den Ladezustand und die Restreichweite anzuzeigen oder auch, ob man vergessen hat, das Fahrzeug abzuschließen.

Mercedes-Chefentwickler Weber hat auf der CES Anfang des Jahres für Entertainment und die modernen Kommunikationsmöglichkeiten das Schlagwort vom "Digital Drive Style" ausgerufen. Sein Team präsentierte als Weltpremieren Möglichkeiten der Integration des sozialen Netzwerkes Google+, von Thermostaten der neuen Google-Tochter Nest Labs, von Pebble-Smartwatches sowie von Smart Glasses.

Ford denkt bei der Zukunft des Automobils unter anderem an die Sicherheit mit einem Kollisions-Assistenten und einem vor zwei Jahren eingeführten MyKey. Dieser soll als Schlüssel für mehr Sicherheit von Fahranfängern den Eltern die Kontrolle über deren Fahrverhalten geben, indem sie zum Beispiel die Geschwindigkeit und die Lautstärke der Anlage drosseln. Rasen und zu lautes Musikhören im Auto sind schließlich häufige Unfallursachen junger Leute. Andererseits brauchen sie auch Fahrpraxis, und die sollen sie mit dem gezähmten Familienschlitten oder dem eigenen Ford Fiesta als Einstiegsauto auch haben, so die Ford-Denke.

Fazit

Die Vernetzung und andere ICT-Lösungen im Fahrzeug bieten viele Erleichterungen - und Geschäftschancen für Drittanbieter. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass damit noch mehr Daten gesammelt werden. Wer dem möglichen Missbrauch durch Werbetreibende, Behörden, Kriminelle oder gar Fremdmächte wie China oder den USA völlig entgehen will, fährt wohl am besten offline mit dem Oldtimer oder schließt sich gleich ganz der Gruppe der "Cell Refuseniks" von Handyverweigerern an. Worauf es bei allen Technologien ankommt, ist der verantwortliche und bewusste Umgang damit. Das gilt insbesondere für die Anbieter, denn sie verspielen sonst das Vertrauen der Kunden bevor der Markt richtig durchstartet.