Datensammlung

EuGH muss über deutsche Vorratsdatenspeicherung entscheiden

26.09.2019
Bei der Vorratsdatenspeicherung werden Telefon- und Internetdaten systematisch erfasst. Diese umfangreiche Datensammlung ist heftig umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das laufende Verfahren nun ausgesetzt, bis sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) zur Auslegung einer EU-Richtlinie geäußert hat.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verfahren zur Vorratsdatenspeicherung ausgesetzt. Ursprünglich war eine Entscheidung der Leipziger Richter über die Revisionen gegen zwei Urteile des Verwaltungsgerichts Köln erwartet worden. Dieses hatte entschieden, dass die Speicherpflicht gegen Unionsrecht verstoße und die Kläger - der Internetprovider SpaceNet und die Deutsche Telekom - von der Pflicht zur Datenspeicherung befreit. Wäre das so bestätigt worden, hätte es wahrscheinlich das Aus für die staatlich verordnet Datensammlung bedeutet.

Die Leipziger Richter haben sich jedoch entschieden, dem EuGH eine Frage zur Auslegung der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) vorzulegen. Von der Auslegung der EU-Richter hängt dann ab, ob diese Richtlinie auf die Vorratsdatenspeicherung angewandt werden muss oder nicht. "Wir sind sehr zufrieden über den heutigen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts. Das oberste Ziel dieser Klage war immer, insbesondere durch die Vorlage grundlegender Rechtsfragen eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen, die in letzter Konsequenz nur der EuGH treffen kann und so kommt es nun auch. Spätestens jetzt müsste auch die Bundesregierung reagieren und ein klares politisches Signal gegen die Vorratsdatenspeicherung senden", fordert Oliver J. Süme, eco Vorstandsvorsitzender, in einer ersten Reaktion.

Was ist die Vorratsdatenspeicherung?

Unter Vorratsdatenspeicherung versteht man die flächendeckende, anlasslose Erfassung von Telefon- und Internetdaten der Nutzer. Sie wurde als Reaktion auf Terroranschläge eingeführt. Das Telekommunikationsgesetz (TKG) aus dem Jahr 2015 verpflichtet Internetprovider und Telefonanbieter zum Erfassen der Daten, zum Beispiel IP-Adressen und Rufnummern. Die Sammlung soll den Ermittlungsbehörden auch helfen, schwere Verbrechen aufzuklären. Allerdings hatte die Datenspeicherung schon mehrfach vor Gerichten keinen Bestand. 2016 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass eine Vorratsdatenspeicherung in diesem Ausmaß gegen Grundrechte verstößt und unzulässig ist.

Was sagen Befürworter und die Gegner der Datenspeicherung?

Sicherheitspolitiker und Polizeibehörden fordern immer wieder die Speicherung von Verbindungsdaten, um etwa Terroranschläge verhindern oder Kinderpornografie bekämpfen zu können. Kritiker halten die massiven Grundrechtseingriffe dagegen und bezweifeln den Nutzen. "Wir sind überzeugt, dass wir damit nicht ein Mehr an Sicherheit erreichen würden", sagt Oliver Süme, Vorstand des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft (eco). Es gebe mildere Mittel - etwa in konkreten Verdachtsfällen die Daten sichern zu lassen.

Werden derzeit massenhaft Daten gespeichert?

Die Bundesnetzagentur hat die Speicherpflicht für alle ausgesetzt, nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster 2017 in einem richtungsweisenden Beschluss entschieden hatte, dass der Münchner Internetprovider SpaceNet nicht zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet werden darf. Das OVG sah einen Verstoß gegen europäische Datenschutzrichtlinien. Die Bundesnetzagentur warte auf eine endgültige, rechtskräftige Entscheidung, teilte ein Sprecher mit.

Worum geht es beim Bundesverwaltungsgericht?

Das Bundesverwaltungsgericht hat zwei Klagen auf dem Tisch, eine vom Internetprovider SpaceNet und eine von der Deutschen Telekom. Beide hatten gegen die Speicherpflicht geklagt und vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln gewonnen. Das Gericht stufte die Vorratsdatenspeicherung wegen Verstößen gegen EU-Recht als unzulässig und unanwendbar ein. Die Bundesnetzagentur legte dagegen Sprungrevision ein - über die jetzt in Leipzig verhandelt wurde.

Was könnte das Gericht entscheiden?

Wenn das Bundesverwaltungsgericht nach der Antwort des EuGH SpaceNet und Telekom Recht gibt, dann wäre "die Vorratsdatenspeicherung praktisch tot", sagte SpaceNet-Anwalt Matthias Bäcker. Streng genommen würde das Urteil zwar nur für die beiden Unternehmen gelten, dürfte aber grundsätzliche Auswirkungen haben. Falls das Gericht die Vorratsdatenspeicherung als rechtmäßig einstuft, wolle zumindest SpaceNet Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einlegen, sagte Bäcker.

Sind noch andere Gerichtsentscheidungen zu erwarten?

Vor dem Bundesverfassungsgericht hat bereits ein Bündnis aus Bürgerrechtlern, Datenschützern und Politikern Verfassungsbeschwerde erhoben. Es ist offen, ob Karlsruhe darüber noch in diesem Jahr entscheiden wird. Eine Vorgänger-Regelung zum jetzigen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung hatte Karlsruhe im Jahr 2010 gekippt. (dpa/sa/pma)