Der Deutsche Bundestag nimmt sich heute, Mittwoch, dem zunehmend problematischer werdenden Thema der Onlinesucht an. Gemeinsam mit Experten soll in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Kultur und Medien der Frage nachgegangen werden, ob die exzessive Nutzung des Internets gefährlich ist. Den Ausschuss interessiert in diesem Zusammenhang vor allem, wie Medienabhängigkeit oder Onlinesucht definiert wird, wie verbreitet das Phänomen ist und ob es sich dabei tatsächlich um eine neuartige Suchtform oder um eine Ausprägung anderer Erkrankungen handelt. Um Antworten auf diese noch offenen Fragen zu finden, hat der Ausschuss eine Reihe von Sachverständigen aus verschiedenen Bereichen eingeladen. Sie sollen über die Notwendigkeit und Möglichkeit der Intervention, über Hilfe und Therapie aufklären. Darüber hinaus erhofft sich das Gremium generelle Vorschläge und Handlungsempfehlungen, ob und in welchem Maß die Politik in diesem Bereich aktiv werden soll.
Zu den vom Ausschuss eingeladenen Sachverständigen gehört auch Gabriele Farke vom Verein Hilfe zur Selbsthilfe für Onlinesüchtige. Die Onlinesucht-Beraterin und Initiatorin des Selbsthilfe-Portals Onlinesucht.de http://onlinesucht.de beschäftigt sich seit nunmehr zwölf Jahren mit der Thematik. "Die heutige Anhörung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", erklärt Farke im Gespräch mit pressetext. Auch für die Öffentlichkeit sei dies ein wichtiges Zeichen. "Es zeigt deutlich, dass der Ernst dieser Problematik mittlerweile doch erkannt wird", betont Farke. Zu ihren Anfangszeiten sei sie noch dafür belächelt worden, dass sie auf das Problem aufmerksam machen wollte.
Bis zum heutigen Tag hätte sich zwar einiges diesbezüglich verbessert, ein ausreichend ausgeprägtes Bewusstsein für Onlinesucht würde aber auch heute noch großteils fehlen. "Vor zwei Jahren etwa wäre eine Anhörung zu diesem Thema noch nicht vorstellbar gewesen", ergänzt Farke. Für sie sei die Anhörung auch deshalb wichtig, da sie der Öffentlichkeit die Möglichkeit einräume, Fragen zum Thema Onlinesucht stellen zu können. "Die Menschen müssen über die verschiedenen Formen und Folgen von Onlinesucht aufgeklärt werden. Gleichzeitig muss die Politik aber auch erkennen, dass es notwendig ist, Betroffene mit Förderungen zu unterstützen", fasst Farke zusammen. Welche Ergebnisse die heutige Anhörung schlussendlich bringen wird, sei zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht abschätzbar.
Vor allem eine offizielle Anerkennung des Krankheitsbildes Onlinesucht sei mittlerweile längst überfällig. "Wegen der fehlenden offiziellen Anerkennung werden derartige Probleme von Angehörigen oft einfach unter den Teppich gekehrt", kritisiert Farke. Psychologen und Psychiater hatten bereits wiederholt gefordert, dass auch Computer- und Onlinesucht in die offiziellen Klassifizierungssysteme psychischer Störungen aufgenommen werden sollten. Laut der Onlinesucht-Expertin seien zur Zeit an die zwei Mio. Menschen in Deutschland von diesem Problem betroffen, Tendenz steigend. (pte/mf)