Deutschlands Paketbranche ist erstmals seit 2009 geschrumpft. Im vergangenen Jahr seien in Deutschland 4,15 Milliarden Sendungen verschickt worden und damit rund acht Prozent weniger als 2021, heißt es in einer am Dienstag in Berlin vorgestellten Studie des Bundesverbands Paket und Expresslogistik (Biek). "Wir kämpfen mit neuen Herausforderungen: Wir haben mit Inflation zu tun und mit einer Kaufzurückhaltung", sagte Verbandschef Marten Bosselmann.
Ein weiterer Grund ist das hohe Vergleichsniveau: 2021 war die Paketbranche stark gewachsen, weil die Verbraucher in Coronazeiten viel mehr im Internet bestellten als zuvor. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 ist die Sendungsmenge noch 14 Prozent größer. Bei den Sendungen geht es hauptsächlich um Pakete, aber auch um Express- und Kurierzustellungen. Marktführer ist die Deutsche Post DHL, zu den Wettbewerbern gehören Hermes, DPD und GLS.
In der Paketbranche unterteilt man in verschiedene Wege: Sendungen von Firmen an Firmen (B2B - business to business), von Firmen an Verbraucher (B2C - business to consumer) und - eher als Nische - von Verbrauchern an Verbraucher (C2C). Im B2C-Segment - also vor allem Online-Käufe von Privatleuten - ging es besonders stark bergab. Dort sanken die Sendungsmengen der Studie zufolge im vergangenen Jahr um 10,7 Prozent. Bei B2B lag das Minus nur bei 3,8 Prozent.
Anstieg der Sendungen bis 2027
Für das laufende Jahr rechnet Studienautor Klaus Esser am deutschen Paketmarkt wieder mit einem Wachstum von 0,5 bis 2,5 Prozent. Höhere Tarifabschlüsse und sinkende Energiepreise vergrößerten den finanziellen Spielraum der Konsumenten im Laufe dieses Jahres, sagte der Fachmann. Bis 2027 prognostiziert er einen Anstieg der Sendungsmengen auf knapp 4,9 Milliarden in Deutschland, das wäre ein jährliches Plus von 3,3 Prozent in diesem Zeitraum.
In der deutschen KEP-Branche - also Kurier- und Expressdienste sowie Paketfirmen - arbeiten in Deutschland den Angaben zufolge knapp 260.000 Menschen. Das sind 50 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Während die Deutsche Post fast vollständig eigene Leute losschickt, setzen die Konkurrenten großteils auf Subunternehmer. Das bringt ihnen immer wieder Kritik von der Gewerkschaft Verdi ein, die die Arbeitsbedingungen bei Subunternehmern als häufig problematisch wertet. Verbandschef Bosselmann betont hingegen, dass besagte Subunternehmer deutscher Mittelstand seien und ihre Beschäftigten "anständig bezahlen".
Die Studie sieht Deutschlands Paketbranche in den kommenden Jahren wieder auf Wachstumskurs, andere Branchenexperten sind davon ebenfalls überzeugt. "Der Trend hin zum E-Commerce wird weitergehen und die Sendungsvolumina ankurbeln", sagt Kai-Oliver Schocke von der Frankfurt University of Applied Sciences. Das letztjährige Minus sei nur ein "Rausrechnen des Corona-Sondereffekts".
Durchschnittserlös einer Sendung
Der Biek-Studie zufolge lag der Durchschnittserlös einer Sendung im vergangenen Jahr bei 6,26 Euro und damit 29 Cent höher als 2021 und 45 Cent höher als 2020. Logistikprofessor Schocke wertet diesen Anstieg positiv. "Wir müssen wegkommen von der Gratismentalität, bei der Paketdienstleistungen nicht wertgeschätzt werden", sagt er. Je mehr Geld im System sei, desto besser könnten die Arbeitsbedingungen sein. Attraktivere Jobs wiederum könnten die Nachwuchssorgen in der Branche lindern.
Im Rahmen der Reform des Postgesetzes könnte das Maximalgewicht von Paketen von derzeit 31,5 Kilo auf 20 Kilo abgesenkt werden - schwerere Sendungen würden dann mit der Spedition kommen und wären teurer. So eine neue Regelung hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor einiger Zeit gefordert und dies mit Gesundheitsgefahren für die Paketzusteller begründet.
Studienautor Esser hält das für eine "Scheindiskussion", denn nur etwa ein Prozent aller Sendungen seien schwerer als 20 Kilo. "Da wird ein Thema aufgemacht, was nicht die große Bedeutung für den Markt hat." Außerdem wies er darauf hin, dass die Paketfirmen an neuen Technologien zur Unterstützung der Beschäftigten arbeiteten, etwa mit Exoskeletten - das sind mechanische Stützstrukturen für Menschen. (dpa/rs/rw)