Disruptiv bis in die Grundfesten

Blockchain: Geschäftsmodelle ohne Mittelsmann

26.05.2017 von Matthias Reinwarth
Über Bitcoins reden fast alle. Dabei hat die konzeptionelle Grundlage - die Blockchain - das Zeug dazu, den Finanzsektor nachhaltig zu verändern.
Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial ganze Brachen umzukrempeln.
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Eines der vermutlich herausforderndsten Konzepte, technologisch aber noch viel stärker in seinen Auswirkungen, ist die sogenannte Blockchain. Die konzeptionelle Grundlage für Kryptowährungen wie Bitcoin bildet die sogenannte Blockchain. Dahinter steckt ein technologisch herausforderndes Konzept, dessen Auswirkungen noch nicht überschaubar sind. Glaubt man den Prognosen für die Finanzwirtschaft, hat die Blockchain das Potenzial, diesen Sektor nachhaltig und revolutionär zu verändern. Eine kurze Twittersuche nach den Hashtags #fintech und #blockchain mag hier jedem Interessierten als Beweis dienen.

Die Blockchain im Überblick

In wenigen Sätzen lässt sich dieses umfassende Konzept zumindest umreißen: Eine einheitliche, durch kryptographische Verfahren nachträglich nicht veränderbare Datenbasis (Ledger) ist auf einer Vielzahl von Rechnern verteilt und dezentral gespeichert. Sie dient als zentrale, verifizierende Auskunftsquelle für den Nachweis gespeicherter Informationen und ist durch die Kombination aus Verschlüsselung und ihrem massiv verteilten Charakter nicht nachträglich modifizierbar.

Informationen beliebiger Art (Buchungen, Kaufverträge, Grundbucheinträge, Urheberrechtsinformationen, und vieles mehr), die durch ein solches System verifiziert werden, benötigen dann keine sie verwaltende oder beglaubigende Instanz (Person, Organisation, Staat, Bank), da die Verifizierbarkeit und Nichtveränderlichkeit ja in der Technologie und Architektur verankert und damit systemimmanent sind.

Smart Contracts (Intelligente Verträge) stellen auf der Basis dieser Technologie Verträge und Mechanismen dar, die auf in der Blockchain klar verifizierbaren Informationen vereinbarte Verträge technologisch implementieren (etwa Zahlungen durchführen, Nutzungsrechte einräumen). Auch diese Verträge funktionieren autark, die auslösenden Informationen sind in der Infrastruktur Blockchain transparent verfügbar.

Schneller durch Weniger

Hinter Cyber-Währungen wie Bitcoin steckt die Blockchain-Technologie.
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Ein zentraler Effekt des konsequenten Einsatzes der Blockchain-Technologie ist die Eliminierung von Mittelsleuten (etwa in der Rolle als Zwischenhändler oder Beglaubiger) durch ihre konzeptionelle Vermeidung. Am deutlichsten zeigt sich das in der aktuellen Diskussion über Veränderungen in der Finanzindustrie. Nehmen wir hierzu eine Überweisung als Beispiel: Kann eine Überweisung verifizierbar und verlässlich end-to-end erfolgen, ist die Beteiligung von Banken weitestgehend überflüssig.

Die Auswirkungen, die dies auf Ausführungs-Geschwindigkeit und den Wegfall zusätzlicher Kosten haben kann, sind erheblich. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen, die ein solches Verfahren auf die bisherigen Gatekeeper solcher Transaktionen, nämlich genau die Finanzindustrie, hat. Diese werden mehr als erheblich sein.

Eine Technologie, viele Nutzungsmöglichkeiten

Doch auch jenseits der Finanzindustrie zeigt sich hohes Interesse an dieser als Basisinfrastruktur zu betrachtenden Technologie. Und es sind ähnlich disruptive Veränderungen zu erwarten. Als konkretes Beispiel dient hier die Musikindustrie, oder genauer: die Bemühungen, diese Musikindustrie zu verändern. So wurde im Rahmen der TechCrunch-Disrupt-Konferenz dargelegt, welche Bemühungen unternommen werden, um einen neuen Ansatz zur Musikdistribution und -lizenzierung zu finden. Gleichzeitig sollen aber auch neue Interaktionsmöglichkeiten zwischen Künstlern und Publikum bis hin zur Auflösung solcher Grenzen geschaffen werden.

Direkt, schnell und individuell

Ziel ist dabei, wie bei anderen Nutzung der Blockchain-Technologie, die handelnden Personen in den Mittelpunkt zu stellen, und so eine Peer-to-Peer-Kommunikation zu ermöglichen. Dies betrifft dann beispielsweise Autoren als Urheber, Musikschaffende, Interpreten und Remixer, aber auch Konsumenten, Veranstalter oder Radiostationen. Auf der Strecke blieben auf lange Sicht dagegen Labels in ihrer Rolle als Vertriebsebene (nicht notwendigerweise als Kuratoren), Verlage, aber auch die heute etablierten Nachfahren der konventionellen Musikdistribution wie etwa MP3-Online-Verkauf und Streaming-Plattformen. Mit dem Anspruch, durchaus auch eine Dezentralisierung und Demokratisierung der Musikindustrie erreichen zu können, soll hier eine Verbreiterung des Marktes und die Ermöglichung einer Vielzahl von Nischen, aber eben unter Marktbedingungen realisiert werden.

Smart Contracts könnten dazu genutzt werden, flexiblere und individuellere Lizenzmodelle zu definieren und zu implementieren. Im Rahmen solcher Smart Contracts wäre es beispielsweise denkbar, dass Werke wohltätigen Organisation lizenzkostenfrei zur Verfügung gestellt werden, während für kommerzielle Zwecke Lizenzgebühren zu zahlen sind. Ebenso könnte eine definierte Gruppe von Nutzern sogar ganz ausgeschlossen werden. Eine sinnvolle Integration der derzeit immer noch parallel zu konventionellen Lizenzen existierenden Creative Commons-Lizenzen wäre ein Nebeneffekt.

Kein Ende abzusehen

Welche weiteren Möglichkeiten auf Basis einer solchen Blockchain-basierten Musikdistributions-Plattform entstehen könnten, wird derzeit diskutiert. Das Beispiel Musikindustrie zeigt die disruptive Kraft, die in dem Thema Blockchain steckt. Und sie dürfte noch zahlreiche andere Märkte gehörig durcheinander wirbeln.