Verhaltensmuster von Menschen sind ein wichtiges Thema der Psychologie, und auch in der IT-Branche spielen sie eine besondere Rolle. Zwar geht es hier um Systeme oder Software, und die verhalten sich im Normalfall so, wie man sie spezifiziert. Entscheidend für den Projekterfolg ist aber der Mensch. Damit gemeint ist zum einen das Wissen, das die Personen einbringen und ohne das kein Projekt funktioniert, zum anderen das menschliche Verhalten. Mancher zeigt ohne böse Absicht Verhaltensmuster, die dem Projekterfolg abträglich sein können.
Hier lesen Sie …
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warum sich Mitarbeiter in Projekten nicht mehr an getroffene Vereinbarungen erinnern;
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wie man mit "verhaltensauffälligen" Mitarbeitern im Projekt umgeht;
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wie sich eingefahrene Verhaltensmuster der Mitarbeiter verändern lassen.
Verhaltensmuster werden von vielen Psychologen als eingeübte Handlungsweisen gedeutet, deren Wiederholung dem Einzelnen in einer bestimmten Situation das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Dies kann sowohl dann der Fall sein, wenn das Individuum alleine ist, als auch in einer Auseinandersetzung mit anderen Personen. Das Gute an diesen Verhaltensmustern ist, dass sie gerade in Projektsituationen in einer bestimmten, häufig vorhersehbaren Art und Weise auftreten und damit vermeidbar beziehungsweise veränderbar werden.
Die Blitzverblödung im Projekt
Ein häufiges Verhaltensmuster ist die Blitzverblödung von Projektbeteiligten. Es zeichnet sich dadurch aus, dass alle Beteiligten beispielsweise in Workshops ein Thema ausgiebig und kontrovers diskutieren. Nach Abwägung der Vor- und Nachteile wird eine Entscheidung gefällt und dokumentiert, in welche Richtung das Projekt weiterlaufen soll. Eine Woche später stehen neue darauf aufbauende Entscheidungen auf der Agenda des Workshops. Doch anstatt über die aktuellen Probleme zu reden, müssen zunächst alle zuvor getroffenen Entscheidungen erneut erläutert werden, da sich die Projektbeteiligten nicht mehr an die Gründe für die vergangenen Entscheidungen erinnern können. Die zur Verfügung stehende Zeit verfliegt, ohne dass der eigentliche Agendapunkt besprochen wird das Projekt kommt zum Stillstand!
Doch warum können oder wollen sich Menschen nicht an einmal getroffene Vereinbarungen erinnern? Projekterfahrungen zeigen, dass es dafür viele Gründe gibt:
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Widerstand gegen das Projekt: Der Mitarbeiter will sich an die "vergessenen" Informationen nicht erinnern, weil er Angst vor den Auswirkungen des Projekts auf seine tägliche Arbeit hat etwa dem Verlust von Freiheiten oder einer Leistungskontrolle.
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Erhöhte Belastung: Das Projekt läuft parallel zur täglichen Arbeit und wird als unnütze oder zusätzliche Belastung angesehen.
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Mangelnder Informationsfluss: Die Beteiligten haben keinen Einblick in die laufenden Projekte und Projektdokumente.
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Unklare Verantwortlichkeiten: Die getroffenen Entscheidungen werden nicht dokumentiert, und Beteiligte sind nicht verpflichtet, sich festzulegen oder Verantwortung zu übernehmen.
Dieses Verhaltensmuster lässt sich relativ leicht identifizieren, da es sehr offensichtlich auftritt: Die bereits getroffenen und freigegebenen Entscheidungen werden permanent aufs Neue diskutiert und teilweise sogar verändert, ohne dass ein Fortschritt im Projekt erkennbar wird. Zusätzlich ist jedoch darauf zu achten, ob die Beteiligten bei den "vergessenen" Sachverhalten hauptsächlich negativ argumentieren, denn das ist ein sicherer Hinweis auf verborgene Ängste.
Sollten innerhalb eines Projektes die genannten Merkmale auftreten, so haben sich folgende Lösungen als praktikabel erwiesen:
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Schonungslos aufdecken: Die Bitzverblödung lässt sich stoppen, indem man beispielsweise den Mitarbeiter direkt darauf anspricht, dass er Informationen verdrängt und man glaubt, dass das von ihm gesteuert ist.
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Zuckerbrot und Peitsche: Dem Mitarbeiter muss durch das Management klargemacht werden, dass er die Verpflichtung hat, sich wichtige Informationen zu merken und aktiv am Projekt mitzuarbeiten (siehe auch "Aufgaben eines Projekt-Managers"). Gleichzeitig muss das Management die explizite Freigabe der Ressourcen mitteilen und entsprechend einplanen, so dass es zu keiner zusätzlichen Belastung kommt.
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Stakeholder-Vertrag: Zu Projektbeginn einen "Vertrag" schließen, der die Übergabe von Verantwortlichkeiten und Rechten an die Mitarbeiter regelt. Hier sind die Eskalationswege für alle Seiten festzulegen.
Der "schleichende Tod" im Projekt
Der "schleichende Tod" beschreibt ein Verhaltensmuster, das in vielen Teildisziplinen eines Projektes auftreten kann. Dies äußert sich darin, dass zu Beginn beispielsweise die Qualitätssicherung als eine der wichtigsten Tätigkeiten in den Vordergrund gestellt wird. Klare Konzepte und Abläufe sollen den Beteiligten verdeutlichen, was sie unter Qualität verstehen müssen beziehungsweise wie man sie sicherstellen will. Meist wird auch eine Person festgelegt, die für die Einhaltung zu sorgen hat. Diese ist zu Beginn oft sehr aktiv, doch im Folgenden ist die Qualitätssicherung dann kaum mehr zu sehen, oder der Zuständige merkt nur noch an, dass ab und zu ein Komma fehlt oder die neueste Formatvorlage nicht verwendet wurde. Dieses Phänomen ist nicht nur auf die Qualitätssicherung beschränkt, sondern ist oft auch beim Risiko- und Projekt-Management zu beobachten.
Überspitzt könnte man es so zusammenfassen: Am Anfang des Projektes sehen alle die Vorteile der einzelnen Disziplinen. Dann werden aus Zeitgründen oder weil man eine neue Sau durchs Dorf treiben muss, die alten Säue vernachlässigt. Die Folge: Bald weiß niemand mehr, welche Ergebnisse wann und von wem geliefert werden sollen (siehe auch "Schwierige Projekte")
Für dieses Verhaltensmuster haben sich einige Ursachen herauskristallisiert. Im Laufe des Projekts treten Verzögerungen auf, so dass gegen Ende vermeintlich keine Zeit für "Randdisziplinen" bleibt. Qualitätssicherung, Projekt- und Risiko-Management sind in vielen Unternehmen projektübergreifend organisiert, so dass es oft zu Überlastungen der Personen kommt. Der häufigste Grund liegt aber meist in der geringen Akzeptanz dieser Disziplinen durch die anderen Mitarbeiter, da die subjektive Einschätzung vorherrscht: "Wir machen gute Arbeit, und deshalb ist es überflüssig, dass …!"
Auch die Probleme kommen einem bekannt vor:
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Die Qualität leidet im Lauf des Projekts, und der Aufwand für alle Disziplinen wird reduziert, so dass sich die Anmerkungen auf Lappalien wie Kommas, Layout etc. beschränken.
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Die Verantwortlichen nehmen auf einmal nicht mehr an den Regelsitzungen des Projektes teil.
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Innerhalb des Teams wird nicht beschlossen, die Disziplinen und deren Methoden nicht mehr einzusetzen (weil man erkannt hat, dass sie nicht benötigt werden), sondern sie werden von einer Woche auf die nächste stillschweigend nicht mehr betrachtet und dauerhaft vergessen, bis deswegen Probleme auftreten.
Projekt-Management: Klare Regeln helfen
Um dieses Verhaltensmuster von Anfang an zu unterbinden, ist zunächst das Bewusstsein der Mitarbeiter für diese Disziplinen durch geeignete Maßnahmen wie etwa Schulungen zu verändern, um dann klare organisatorische Regeln innerhalb des Projektes zu definieren, die für die Einhaltung sorgen. So sind die Verantwortlichkeiten klar festzulegen: Für die verschiedenen Rollen werden zu Projektbeginn Personen (Verantwortlicher und Stellvertreter) definiert, die präzise Vorgaben, Befugnisse und Ressourcen erhalten.
Ebenfalls ist der Ablauf der Sitzungen festzulegen: Jedes Meeting bekommt einen festen Ablauf und feste Zeitvorgaben, nach denen die Verantwortlichen oder deren Stellvertreter zu den einzelnen Themen Stellung nehmen müssen. Dabei sind Aussagen wie: "Nichts Neues" nicht gestattet, das heißt, die aktuellen Stände müssen betrachtet und dokumentiert werden.
Und schließlich sind Meilensteine zu definieren: Innerhalb des Projektplans werden zu Beginn Meilensteine festgelegt, die auch Ressourcen beispielsweise für Reviews und deren Einarbeitung berücksichtigen. Außerdem sind bei der Ressourcenplanung die einzelnen Rollen mit dem entsprechenden realistischen Aufwand zu dokumentieren (siehe auch "Unzufriedenheit in Projekten")
Zugegeben: Diese Festlegungen sind nichts Neues und werden so oder in ähnlicher Art und Weise auch in vielen Unternehmen zu Beginn so verteilt. Dass sie aber auch gelebt werden, erfordert ein hohes Maß an Disziplin bei allen Beteiligten!
Anhand dieser Beispiele wird deutlich, wie das Verhalten der Mitarbeiter ein Projekt beeinflussen kann. Deshalb ist es wichtig, dass Schwierigkeiten frühzeitig erkannt und gelöst werden, um das Projektrisiko zu verringern. Die Lösung verlangt zwar einen gewissen Aufwand an Ressourcen, doch dieser ist im Vergleich zum möglichen Schaden als gering einzustufen.
Neben den genannten Beispielen für Verhaltensmuster existiert noch eine Vielzahl an weiteren wie die "Neverending-Story", bei der einmal getroffene Entscheidungen auf Biegen und Brechen durchgehalten werden, ohne dass ihre Sinnhaftigkeit hinterfragt wird. Auch der "Reportismus" stellt in vielen Projekten ein Problem dar: Dabei wächst, wie in jeder guten Verwaltung, der administrative Aufwand für die Projektkontrolle so stark an, dass das eigentliche Vorhaben zum Erliegen kommt. (Christian Pikalek/Chris Rupp/Computerwoche/mf)