Zehn Jahre Klingenserver

Blades – ein Markt mit vielen Trümpfen

15.06.2010
Zehn Jahre nach der Markteinführung steht den Blades-Servern der Marktdurchbruch noch immer bevor. Bis heute haben die Einschubrechner nicht für die Furore gesorgt, die ihnen zugedacht war. Dabei steckt in ihnen bemerkenswert viel Potenzial.

Von Wolfgang Leierseder

Blades könnten Rack-Servern den Rang ablaufen. (Quelle: Fujitsu)

Ob die Klingen (Blades) bereits besonders scharf oder noch stumpf sind, hängt ganz von dem Betrachter des Blades-Marktes ab.

Sicher ist: Die zuletzt vor drei Jahren allgemein verbreitete (Hersteller-)Euphorie ist abgeklungen, das damals prognostizierte beträchtliche Wachstum der bis heute unterschätzten Alternative zum Rack-Server - im Jahr 2010 werde ein Viertel aller verkauften Server Blades sein, waren sich Marktforscher einig - hat nur in überschaubarem Maße stattgefunden. Und wer die neuesten Blades-Zahlen betrachtet (siehe Grafik), wird feststellen: Die Einschubrechner haben ihren Markt respektive ihre Märkte gefunden (siehe Interview mit IDC-Analyst Thomas Meyer), doch eine signifikante Stückzahlexpansion ist nicht zu bemerken.

Dabei sind die Vorteile der Blade-Systeme gegenüber Rack-Servern augenfällig. Sie bieten eine hohe und skalierbare Leistungsdichte und große Flexibilität; kleinere Unternehmen können mit ihnen ihre IT-Infrastruktur in einem System zusammenfassen, da Blades-Systeme neben den Server-CPUs (maximal bis zu acht Sockets mit bis zu acht Kernen) eine einheitliche Netzwerk- und SAN-Anbindung (Storage Area Network) von Haus aus offerieren.

Das "Blade Center HP C3000" kann mit vier doppelten oder acht einfachen Blades bestückt werden.

Sie bieten Hot-Plug-Funktionalität, sodass sie im laufenden Betrieb erweitert und repariert werden können. Sie können einheitlich administriert und lizenziert werden. Sie sind, weil Hersteller sie auch gerne als Flaggschiffe ihrer Serveranstrengungen präsentieren, energieeffizient und kompakt, sodass sie bedeutend weniger Strom als vergleichbare Pizzaserver verbrauchen und vergleichsweise wenig Platz beanspruchen. Und sie sind, was auch für die Unix-Blades von HP. IBM und Sun gilt, vergleichsweise günstig im Betrieb - ein Umstand, der von jeder Marketingabteilung strapaziert wird, wenn es um Anschaffungs- und laufende Kosten, insgesamt also um TCO (Total Cost of Ownership) von Blades geht.

Es spricht also seit ihrem Markteintritt vor zehn Jahren viel mehr für Blades als gegen sie.

Ressourcen besser auslasten

Die Bauweise der Blades ist der Grund für ihren geringen Platzbedarf und ihre Energieeffizienz. Diese Server bestehen üblicherweise nur aus Prozessoren, Arbeitsspeicher, I/O-Karten, Netzwerkcontroller und lokalen SAS- oder SSD-Festplatten vor allem für das Betriebssystem. Die zusätzlichen Komponenten - Netzteile, Lüfter, Switches, Adapter und Managementfunktionen - sind in proprietären Blade-Chassis integriert. Die Komponenten sind in der Regel redundant ausgelegt, um die verlangte Leistung und Ausfallsicherheit garantieren zu können. Daraus folgt: Blades kann man platzsparend einsetzen und gemeinsam nutzen.

Der "Primergy BX900" bietet in einem 10-HE-Chassis Platz für bis zu 18 Server-Blades.

Auch die Hersteller unternehmen besondere Anstrengungen, Blades in vertikalen Märkten zu verkaufen, etwa in der Industrie, im Telekommunikations-, Gesundheits- und Finanzbereich, ferner, wie beispielsweise Cisco und Oracle/Sun es vorführen, sie als Netzwerk- oder Datenbankserver zu positionieren, oder wie IBM mit SAP-Storage-Blades und demnächst Web-Caching-Blades, HP mit SAS-Blades für BI-Zwecke. All das macht diese Server zunehmend für mehr Märkte interessant.

Hinzu kommt der Virtualisierungs-Hype: Da derzeit kein Thema die Serverspezialisten mehr beschäftigt als Serverkonsolidierung mittels zentraler Server(-farmen), Virtualisierung und Automatisierung sowie "Dynamisierung der IT-Infrastruktur" (Fujitsu), agieren Blades unweigerlich mindestens auf Augenhöhe mit herkömmlichen Servern. Oder wie Michael Keller, bei IBM Deutschland verantwortlich für System-x-Server, im Gespräch mit ChannelPartner sagte: "Viele Kunden gehen auf Blades."

Sun offeriert unterschiedliche Ausbaustufen mit bis zu 48 Sun-Blade-Server-Modulen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Keine IT-Abteilung dürfte mehr ohne Blades auskommen. Dies hat mehrere Gründe: Blades erfüllen die Anforderungen von Kunden nach skalierbaren, rechenintensiven, flexiblen und vergleichsweise kostengünstigen Servern; sie sind modular einsetzbar und können zu Serverfarmen zusammengefasst werden. Zudem erfüllen sie eine immer stärker gefragte Serveranforderung: die virtuelle Infrastruktur - das gilt für Storage mit den aktuellen Netz- oder Serveranbindungen Fibre-Channel und InfiniBand für SANs, Gigabit-Netzkomponenten in Serverfarmen und LANs sowie zentrales (Remote-)Management. Alles in allem: Blades sind gesetzt - es fragt sich nur wie.

An den Hersteller gebunden

Server auf der grünen Weise zu installieren - diese immer wieder auftauchende Vorstellung von einer einheitlichen Unternehmens-IT wird von der Realität restlos als kindisch abgestraft. Racks mit Servern von unterschiedlichen Herstellern bestückt sind an der IT-Tagesordnung.

Bei Blades aber verhält es sich merkwürdigerweise anders. Nachdem bei ihnen das Blade-Chassis darüber entscheidet, welche Server man einschieben kann, und es sich bis heute alle Hersteller erlauben können, ihre eigenen Chassis zu fertigen, werden nur proprietäre Blades angeboten. Diese nun zehn Jahren lang dauernde Architekturentscheidung kommentiert IDC-Analyst Thomas Meyer so: "Solange Hersteller keinen Vorteil darin sehen, kompatible Blades anzubieten, werden sie weiterhin ihre eigenen Blades offerieren."

Das bedeutet: Entscheiden sich Unternehmen für Blades, machen sie sich abhängig von der gewählten Blade-Technologie und damit vom Hersteller. Insofern muss der Kunde bei der Wahl des Herstellers auf jeden Fall wissen: Bietet der Hersteller ein Portfolio an, das einem möglichen Unternehmenswachstum entspricht? Zwingen den Kunden die IT-Anforderungen dazu, über den x86-Tellerrand hinauszuschauen und lieber Risc-Blades einzusetzen, auf denen mittlerweile selbstverständlich x86-Workloads möglich sind? Oder riskiert man doch lieber die Grenze, auch wenn die Hersteller von x86-Blades sich einig zeigen, dass diese Server "ein Stück weit erwachsen" (Keller) geworden sind?

Das Chassis "Dell PowerEdge M1000e" kann 16 Blades mit zwei Prozessorsockeln aufnehmen.

Doch wenn Unternehmen entdecken, dass ihre Blades zu wenig skalieren, werden sie womöglich brutal gestoppt. Denn die I/O-Limitierungen von x86-Blades "bremsen sie aus. I/O ist der Knackpunkt bei Blades", erklärte IBMs Power7-Spezialist Volker Haug im Gespräch mit ChannelPartner. Mag sein Plädoyer für "kleine Rechenzentren" in Unternehmen seiner Position als Risc-Vertreter geschuldet sein - womit er gewiss recht hat, ist: Unternehmen, die sich für Blades entscheiden, sollten von ihrem Systemhaus so beraten werden, dass sie mit ihren Anwendungen nicht baden gehen, wenn sie auf die Einschubrechner umgesattelt haben.

Blades und der Channel

Proprietäre Systeme sind nicht ohne Trainings und Administrationskenntnisse zu haben. In jedem Fall sind spezifische Kenntnisse der jeweiligen Blade-Architektur notwendig, um sie verkaufen zu können. So findet sich in den Channel-Programmen aller Blade-Anbieter die Aufforderung an Systemhäuser und VARs, sich für Blades zu zertifizieren.

Allerdings gilt auch hier: "Gewonnen oder verloren wird beim Kunden." Das sagte Josef Blank, Manager Channel Partner & Midmarket bei HP Deutschland, kurz vor seinem Ausscheiden bei HP, zu ChannelPartner.

Den gesamten Schwerpunkt Blade-Server können Sie in diesem E-Paper lesen. (wl)