Blackberry wagt sich mit einem exotisch anmutenden Smartphone gegen iPhone und Co. Ein quadratisches Display, eine echte Tastatur und Android-Apps von Amazon sollen Profinutzer zurücklocken.
Blackberry hat das Geheimnis um den Blackberry Passport offiziell gelüftet und das Gerät der Weltöffentlichkeit präsentiert. Das Design fällt dabei deutlich aus der Reihe der "klassischen" Smartphones. Der Blackberry Passport ist nahezu breit wie hoch, das Touch-Display selbst ist quadratisch und zeigt Inhalte mit einer Auflösung von 1.440 x 1.440 Pixel an.
Tatsächlich wirkt das Gerät aber deutlich weniger gewöhnungsbedürftig, als man bei den ersten Bildern noch dachte: Zwar ist der Passport mit 9,03 cm knapp zwei Zentimeter breiter als etwa der Blackberry Z30, mit einer (großen) Hand kann man das Gerät dennoch bequem umfassen. Im Alltag wird man es allerdings wahrscheinlich meist mit zwei Händen halten, und das hat einen praktischen Grund: So lässt es sich auf der physischen Tastatur angenehm tippen. Anders als Samsung Galaxy oder Apple iPhone verpasst Blackberry dem Passport eine fast komplette Tastatur, die es noch dazu in sich hat.
Reale Tastatur mit Touch-Funktion
Am unteren Ende sind drei Reihen mit Tasten angebracht. Der Clou: Diese reagieren zugleich auf Touch-Eingaben. So kann man beispielsweise durch einen Text oder ein Bild scrollen, indem man den Zeigefinger über die Tasten bewegt. Das klappt auch mit dem virtuellen Cursor enorm gut: Dieser wird mittels eines doppelten Tippens auf die Tastatur aktiviert, anschließend kann man ihn schnell über Wischbewegungen auf den physischen Tasten im Text positionieren – ohne dass man ungezielt auf dem Touchscreen herumdrücken muss. Ebenfalls praktisch: Nimmt man den Blackberry Passport quer, kann man über die Tastatur scrollen, ideal bei langen E-Mails oder Webseiten mit viel Text (danke an den Kollegen Volker Weber für diesen Tipp).
Die drei Reihen an Tasten sind nicht alles: Je nach aktuell aktiver Anwendung werden am unteren Bildschirmrand bis zu drei zusätzliche, virtuelle Schaltflächen angezeigt. Schreibt man eine E-Mail, erscheint etwa über den "echten" Tasten eine Leiste mit Satz- oder @-Zeichen sowie einem Schnellzugriff auf die Nummern. Beim Schreiben der Nachricht zeigt der Blackberry immer wieder Wortvorschläge, die man mit einem Wisch nach oben direkt annehmen kann. Die Technik, bekannt etwa von der virtuellen Tastatur des Z10 oder Z30 klappt enorm gut und lernt mit - je mehr man tippt, desto schneller ist man mit der Texteingabe.
Quadratisches Display: Mehr Platz für die Arbeit
Der Passport spielt seine volle Stärke aus, wenn man mit ihm arbeitet. Längere E-Mails, Präsentationen, Bilder oder Tabellendaten – auf dem Display ist endlich genug Platz, um Dokumente wirklich sinnvoll lesen und bearbeiten zu können. Blackberry schafft es nach eigenen Angaben, bis zu 60 Zeichen in einer Zeile darzustellen. Das entspricht einer deutschen "Normseite" und ist mit ein Grund, warum Inhalte auf dem Passport nicht so "gestaucht" wirken wie auf anderen Smartphones. Insgesamt bietet der Passport bei E-Mails, Dokumenten und Webseiten ein sehr angenehmes Leseerlebnis.
Allerdings klappt das noch nicht mit allen Applikationen – viele sind für die Nutzung mit klassischen Smartphones optimiert. Die Facebook-App zeigt beispielsweise lediglich einen oder zwei Beiträge. Dort gibt es noch viel Raum für Optimierung.
Amazon-Kooperation gegen den App-Mangel
Ein großes Manko der Blackberry-Plattform sind fehlende mobile Applikationen – verglichen mit Android und iOS hinken Nutzer deutlich nach. Was kaum bekannt ist: Seit Blackberry OS 10.2 lassen sich Android-Applikationen recht einfach installieren. Mit Version 10.3 wird dies offiziell: Blackberry kooperiert mit Amazon und installiert den Amazon App Store auf den Geräten vor. Dieser läuft parallel zur Blackberry App World. Diese soll künftig der Anlaufpunkt für nativ entwickelte Blackberry-Apps werden, Spiele und Consumer-Apps dagegen finden im Amazon App Store Platz.
Allerdings sind diese mit ein paar Einschränkungen verbunden, etwa können Android-Apps nicht von der integrierten Suche durchsucht werden. Dafür hat man als Blackberry-Nutzer endlich Zugriff auf populäre Anwendungen: Im Test funktioniert beispielsweise Spotify stabil und zuverlässig. Wer möchte, kann Android-Applikationen auch aus anderen Quellen installieren. Da gibt es allerdings eine Stolperfalle: Der Blackberry bietet keinen Zugriff auf die Google-Dienste, die etwa für Anmeldung oder Positionsbestimmung in vielen Android-Apps zum Einsatz kommen.
Blackberry Digital Assistent gehorcht aufs Wort
iPhones haben Siri, Android hat Google Now, Windows Phone hat Cortana – und Blackberry hat jetzt auch einen digitalen Assistenten. Dieser kann nicht nur neue E-Mails verfassen, Termine anzeigen oder im Web suchen, teilweise versteht die virtuelle Assistentin auch den Kontext – zumindest, wenn eine aktive Internetverbindung vorhanden ist. Dann klappen auch Ansagen wie: "Zeige mir den Weg von meinem Standort zu Punkt XY" und "Erstelle einen Termin für morgen XX Uhr mit X und Y" überraschend gut.
Ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber Siri und Co: Neben der Spracheingabe lässt sich der Digital Assisant auch per Tastatur steuern, etwa wenn man in einem Meeting ist. Das klappt über mehrere Anwendungen und Apps weg und man kann davon ausgehen, dass die Funktion weiter ausgebaut wird. Sie soll übrigens Ende des Jahres mit dem Update für 10.3 auch auf älteren Blackberry-Geräten folgen.
Technischer Aufbau
Von der technischen Seite fährt Blackberry beim Passport schwere Geschütze auf: Das Display löst, wie eingangs erwähnt, mit 1.440 x 1.440 Pixel auf. Bei der Bildschirmdiagonale von 4,5 Zoll bedeutet das 453 Pixel pro Zoll, ein durchaus ordentlicher Wert.
Im ersten Test fiel auf, dass der Passport enorm schnell auf Eingaben reagiert – deutlich schneller als etwa ein Z30, der zum Vergleich vorlag. Das liegt neben den Betriebssystemoptimierungen auch am Quad-Core-Prozessor mit 2,2 Ghz sowie den drei GB Arbeitsspeicher.
Daten lassen sich intern auf 32 GByte speichern, nach dem Start stehen etwa 24 GB für den Nutzer bereit. Glücklicherweise kann man den Speicher mit Micro-SD-Speicherkarten erweitern (die sich auch verschlüsseln lassen).
Auch nicht zu verachten ist die Kamera: Diese bietet einen Chip mit 13 Megapixeln, der zudem über bildstabilisierende Funktionen verfügt. Auch wenn die Kamera nicht an das iPhone 6 Plus hinkommt, so ist sie dennoch deutlich besser als bei den Vorgängern – gerade auch, wenn die Lichtverhältnisse nicht ideal sind.
Der Akku besitzt eine angenehm große Kapazität von 3.450 mAh, nach Angaben von Blackberry sollen damit bis zu 30 Stunden "gemischte" Nutzung möglich sein. Das ist durchaus glaubhaft, der Z30 etwa verfügt über 2.880 mAh und hält locker eineinhalb Tage Normaleinsatz durch.
Interessant – und tatsächlich noch zu testen – sind die Lautsprecher. Nach eigenen Angaben verfügt der Passport über leistungsstarke Lautsprecher, die die Freisprecheinrichtung des Gerätes in Konkurrenz zu einer Konferenzspinne stellen sollen. Zudem verfügt das Smartphone über ein zusätzliches Mikrofon, das bei einem Telefonat die Außengeräusche aufnehmen, intern analysieren und anschließend die Laustärke des Gesprächspartners anpassen kann.
Fazit: Arbeitstier mit exotischem Aussehen
Der Passport sieht mit seiner Form und seiner Tastatur nicht nur exotisch aus, er bietet auch einiges unter der Haube, das die tägliche Arbeit enorm vereinfacht. Ganz klar, der Blackberry Passport ist ein Arbeitstier, er ersetzt immer häufiger den Griff zum Notebook. Die immer noch sehr gute Tastatur hilft dabei enorm, beim Schreiben von E-Mails ist man Nutzern mit reinen virtuellen Eingabesystemen klar überlegen.
Eins ist auch klar: Der Passport ist kein Spielzeug-Handy. Allein schon aufgrund seiner Form benötigt man Handtasche oder Sakko, um ihn ordentlich zu transportieren (in der Jeanstasche passt das Smartphone gerade noch, fühlt sich aber irgendwie seltsam an). Dazu kommt, dass trotz der Kooperation mit Amazon die App-Landschaft im Bereich Unterhaltung noch deutliche Lücken aufweist – Firmen-taugliche Anwendungen sind dagegen gut vertreten. Gerade bei populären Anwendungen wie etwa Facebook müssen die Entwickler aber noch nachlegen und die Ansicht optimieren.
Mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von 649 Euro ist der Passport zudem kein Schnäppchen, das man seinen Kindern in die Hand drückt. Dafür erhält man aber ein sehr gutes Arbeits-Smartphone, das mit die beste Software bietet, um Nachrichten aus verschiedenen Quellen übersichtlich aufzubereiten und es im Arbeitsalltag locker mit iPhone und Co aufnehmen kann – sofern man sich auf Größe und Design einlassen kann.