"Wenn Sie diese Position interessiert, senden Sie Ihre Bewerbung mit Angabe Ihres Gehaltswunschs bitte an: ....." Dieser oder ein ähnlicher Satz steht am Schluss vieler Stellenanzeigen.
Und regelmäßig bringt die Frage nach dem Gehaltswunsch Bewerber ins Schwitzen, weiß Personalberater Alexander Walz, Stuttgart, aus Erfahrung – "unabhängig davon, ob es sich um junge, eher unerfahrene Stellensucher oder berufserfahrene Männer und Frauen handelt, die sich nach vielen Jahren erstmals wieder bewerben".
Keine Angaben sind unvollständige Angaben
Denn kaum haben sie den Satz gelesen, beginnt sich bei ihnen im Kopf, sofern sie die Stelle interessiert, ein Karussell zu drehen: "Soll ich ein eher hohes Gehalt nennen, um Selbstbewusstsein zu dokumentieren? Oder katapultiere ich mich damit aus dem Bewerbungsrennen und sollte ich deshalb ein eher niedriges Gehalt angeben?" Und weil sie auf diese Frage oft keine befriedigende Antwort finden, gehen viele Bewerber auf die in der Stellenanzeige formulierte Bitte überhaupt nicht ein.
Dies ist laut Berater Walz die "falscheste Reaktion". Denn wenn Bewerber auf diesen "expressis verbis artikulierten Wunsch" nicht reagieren, dann geben sie unvollständige Unterlagen ab: Das ist ein Minuspunkt.
Und oft beginnt dann bei den Personalverantwortlichen das Kopfkarussell zu kreisen: "Warum nennt der Bewerber keine Zahl? Kann er seinen Marktwert nicht einschätzen?" Und: "Wie reagiert er sonst auf an ihn herangetragene Wünsche? Negiert er diese ebenfalls?"
Deshalb rät Walz im Anschreiben zumindest zu signalisieren: Ich habe Ihren Wunsch registriert. Zum Beispiel mit einer Formulierung wie: "Mein aktuelles Gehalt beträgt 45.000 Euro im Jahr". Sinnvoller ist es jedoch, sich im Vorfeld zum Beispiel bei Personen, die eine vergleichbare Position haben, darüber zu informieren, was eine angemessene Forderung ist.
Firmen erwarten eine Antwort: früher oder später
"Dies tun die meisten qualifizierten Bewerber auch", berichtet Maike Unger, Personalreferentin beim Versicherungskonzern Allianz Deutschland. Dort bittet man zum Beispiel die Hochschulabsolventen, die sich für ein Trainee- oder Vorstandsassistenten-Programm bewerben, stets, auch ihre Gehaltsvorstellung zu nennen. Warum?
"Wir wollen, dass die Bewerber sich mit der Frage befassen, welches Gehalt bei vergleichbaren Positionen in der Finanzbranche üblich ist und sich eine eigene Meinung bilden", erläutert Unger. Fast alle Bewerber gehen auf den Allianz-Wunsch ein. Und wenn ein Bewerber dies nicht tut? Dann wird er in der Regel in dem Telefoninterview, das sich meist an das erste Sichten der Bewerbungsunterlagen anschließt, nach seiner Gehaltsvorstellung gefragt.
Ähnlich agieren die meisten Unternehmen. Nennt ein interessanter Bewerber seinen Gehaltswunsch nicht, dann klingelt entweder irgendwann bei ihm das Telefon oder er muss – wie bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall - spätestens im Bewerbungsgespräch eine Zahl nennen. "Warum diese also nicht gleich im Bewerbungsschreiben nennen und so verhindern, dass man eventuell beim Sichten der Unterlagen einen kleinen Minuspunkt erhält?", fragt Walz. Zumal die Angst, bei einem zu hohen Betrag aus dem Rennen zu fliegen, zumindest bei qualifizierten Stellen meist unbegründet ist.
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Entscheidend ist das Gesamtpaket
Maike Unger von der Allianz berichtet zum Beispiel: "Die Bewerber für unser Trainee- und Vorstandsassistenten-Programm nennen tendenziell eher ein zu hohes Gehalt." Eine Absage erhalten die betreffenden Bewerber deshalb aber nicht. Denn Unger weiß: Gerade Top-Bewerber pokern oft bewusst etwas hoch, um Selbstbewusstsein zu signalisieren und Verhandlungsspielraum zu schaffen.
Außerdem: Ob sich ein Bewerber letztlich für die Allianz entscheidet, hängt nicht davon ab, ob das Unternehmen ihm im Monat 200 oder 300 Euro mehr oder weniger bezahlt. "Entscheidend ist das Gesamtpaket, das die Allianz dem Bewerber bietet; des Weiteren die Entwicklungsperspektiven, die er in unserem Unternehmen sieht."
Ähnlich äußern sich Vertreter kleinerer Unternehmen. So zum Beispiel Rudolph Welcker, Geschäftsführer der Weseler Teppich GmbH, die unter dem Markennamen Tretford Teppichböden produziert und vertreibt. Welcker fragt in Stellenanzeigen nie nach der Gehaltsvorstellung der Bewerber. Doch beim ersten persönlichen Treffen stellt er diese Frage.
Und dann erwartet er eine Antwort, die zeigt, dass der Bewerber seinen Marktwert realistisch einschätzt. Realistisch heißt: Die Gehaltsvorstellung muss der Qualifikation und inserierten Stelle "angemessen" sein. Ist dies nicht der Fall, fliegt der Bewerber in der Regel aus dem Rennen.
Ist die Vorstellung hingegen einigermaßen realistisch, dann notiert sich Welcker diese zunächst – ohne größeren Kommentar. Das heißt, das Auswahlverfahren wird fortgesetzt. Und nach dem ersten Bewerbungsgespräch folgt meist noch ein zweites und drittes, bis das Unternehmen sicher ist: Das ist der richtige Mann beziehungsweise die richtige Frau. Erst dann unterbreitet Welcker dem Bewerber ein Gehaltsangebot – "und dieses ist zuweilen höher als der Gehaltswunsch, den der Bewerber zunächst formulierte."
Die Gehaltsvorstellung muss "angemessen" sein
"Wenn Unternehmen nach der Gehaltsvorstellung von Bewerbern fragen, geht es ihnen in der Regel nicht um den konkreten Betrag", betont denn auch Personalberater Walz. Sie wollen eine Art ‚Hausnummer’ wissen, aus der hervorgeht: Schätzt der Bewerber seinen Marktwert angemessen ein?
Unangemessen wäre es zum Beispiel, wie Uwe Goldschmidt, Key-Account-Manager bei der Werbeagentur Creativteam, Hannover, betont, wenn ein Grafiker, der frisch von der Hochschule kommt, ein Jahresgehalt von 50.000 oder 60.000 Euro fordern würde. "Denn dies ist eher das Gehalt eines Art-Directors mit mehrjähriger Berufserfahrung."
Mit der Frage nach dem Gehaltswunsch wollen gerade kleinere Unternehmen oft auch vorab checken: Passt der Bewerber in unser Gehaltsgefüge? Können wir uns ihn überhaupt leisten? Denn speziell bei berufserfahrenen Bewerbern geht dies aus den Bewerbungsunterlagen oft nicht hervor.
Hierfür ein Beispiel: Vor einem Jahr suchte der Inhaber einer PR-Agentur in Mittelhessen einen "erfahrenen PR-Journalisten". Auf die Stellenanzeige des Drei-Mann-Betriebs bewarb sich – ohne Angabe der Gehaltsvorstellung – auch der ehemalige Leiter der Presseabteilung eines MDAX-Unternehmens, der zwei Jahre zuvor seine Stelle verlor.
Das überraschte den Agenturinhaber. Doch nach Lektüre des Lebenslaufs dachte er: Vielleicht hat der Mann gemerkt, dass er mit 55 Jahren nur noch schwer einen neuen Job findet und ist deshalb zu "gewissen Abstrichen" bereit? Vielleicht reizt ihn auch, dass sich unsere Agentur in seinem Wohnort befindet, weshalb er für die neue Stelle nicht umziehen müsste?
Also rief der Agenturinhaber den Bewerber an und fragte ihn nach seiner Gehaltsvorstellung. Dessen Antwort: 75.000 Euro im Jahr. Damit war für den Agenturinhaber klar: Den Mann brauche ich, unabhängig von seiner Kompetenz, zu einem Vorstellungsgespräch gar nicht einzuladen, denn er will das Gehalt, das er beim MDAX-Konzern erhielt – "ein Gehalt, bei dem ich als Agenturinhaber froh bin, wenn ich es erziele."
Kontakt und weitere Infos: Andreas Lutz, Wirtschaftsredakteur und Mitarbeiter der Agentur Die PRofilBerater GmbH, Eichbergstraße 1, 64285 Darmstadt, Tel.: 06151 896590, E-Mail: info@die-profilberater.de, Internet: www.die-profilberater.de