Unsicherheit im Big-Data-Markt

Big-Data-Mythen: Was ist dran?

07.02.2014 von Martin Bayer
Im Big-Data-Markt herrscht viel Unsicherheit. Ständig verändern sich Techniken und Herangehensweisen. Ein guter Nährboden für Spekulationen, Gerüchte und Technik-Mythen.

Gartner prognostiziert, dass Unternehmen im laufenden Jahr für IT-Lösungen im Big-Data-Bereich 34 Milliarden Dollar ausgeben werden. Außerdem würden hier bis 2015 weltweit etwa 4,4 Millionen neue IT-Jobs entstehen, sagen die Analysten voraus.

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Die Suche nach dem eigentlichen Problem

Angesichts dieser Zahlen möchte man meinen, dass von einem etablierten, in sich gefestigten Markt die Rede ist. Doch davon ist Big Data noch weit entfernt. Bei Big Data handle es sich immer noch um eine Lösung, die auf der Suche nach ihrem eigentlichen Problem ist, sagt Gartner-Analystin Debra Logan. Zwar zeigten sich die Unternehmen sehr darum bemüht, in ihren Datensilos nach wertvollen Einsichten für ihr Geschäft zu suchen. Außerdem seien bereits viele Firmen engagiert dabei, mit neuen Techniken zu experimentieren.

Trotz all dieser Aktivitäten bestehe die größte Big-Data-Herausforderung darin, herauszuarbeiten, welche Fragen mit Hilfe des neuen Ansatzes überhaupt beantwortet werden sollen. „Sie untersuchen es, sie fragen sich, was das alles bedeutet, sie wollen lernen – aber das alles befindet sich in einer sehr frühen Phase“, lautet Logans Fazit. So ist es nicht verwunderlich, dass sich rund um Big Data zahlreiche Mythen durch Markt und Branche ranken. Das macht für Unternehmen, die die richtige Big-Data-Lösung für ihre individuellen Probleme suchen, die Aufgabe nicht unbedingt einfacher.

Mythos: Antwort auf alle Datenprobleme

In vielen Industrien und Branchen suchen die Verantwortlichen derzeit nach Mitteln und Wegen, ihre wachsenden Datenbestände effizient zu verwalten und daraus Kapital zu schlagen. Dass dafür Big Data automatisch die richtige Antwort sein muss, sei aber längst nicht ausgemacht, stellt Gartner-Expertin Logan fest. Auch wenn es am Markt unzählige Programme für das Daten-Handling gebe, sei es in so manchem Fall die beste Lösung, einfach einige Daten wegzuwerfen.

„Nicht alle Daten bedeuten Kapital für die Unternehmen – und wenn sie kein Kapital sind, dann kosten sie Geld“, so Logans Bilanz. Die Verantwortlichen müssten also als Erstes entscheiden, was im Umfeld von Big Data sinnvoll sei. Das wiederum hänge maßgeblich davon ab, welche Fragen die Unternehmen beantwortet haben möchten. „Was kann eine große Datenmenge über ein Problem sagen, was ein kleinerer ausgewählter Satz an Daten nicht sagen kann?“ Allerdings, so schränkt die Gartner-Expertin ein, müssten sich Unternehmen an den gesetzlichen Rahmen halten.

In manchen Branchen, die strengen regulatorischen Vorschriften unterworfen seien, wie beispielsweise das Gesundheitswesen, verbiete es sich, Daten einfach wegzuwerfen. Wo es darum gehe, den eigenen Datenbestand auf seinen Wert für das Unternehmen zu prüfen, müssten IT und Fachabteilungen deshalb eng zusammenarbeiten.

Trendthema Big Data
Von der Auswertung der riesigen Datenmengen, die täglich von IT-Systemen erfasst werden, versprechen sich Unternehmen, aber auch öffentliche Einrichtungen große Vorteile.
Vorteile von Big Data
Laut der Untersuchung von Barc erwarten sich Unternehmen von Big Data vor allem Vorteile auf strategischer Ebene. Doch das setzt voraus, dass Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen Hand in Hand arbeiten: Business Manager, IT-Fachleute und Experten für das Sammeln und Auswerten von großen Datenbeständen.
Benno Zollner, Chief Information Officer von Fujitsu Technology Solutions
" Big Data Lösungen kombinieren Informationen aus unterschiedlichen Quellen und einer Vielzahl von Technologien. Deshalb müssen Big-Data-Fachleute interdisziplinäre Erfahrungen mitbringen."
Big Data: Wer analysiert?
Die Analyse der Daten, die im Rahmen von Big-Data-Projekten erfasst werden, erfolgt laut einer Studie von TCS vornehmlich durch die Fachabteilungen, die diese Informationen verwenden. Die IT-Abteilung spielt eine untergeordnete Rolle.
Kay Müller-Jones, Head of Global Consulting Practice bei Tata Consultancy Services:
"Neben technischen Fertigkeiten und fachlichem Wissen sollten Big-Data-Fachleute über ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl im Umgang mit Kollegen verfügen. Denn gerade Big Data erfordert ein fachbereichsübergreifendes Denken, das Informationen aus vormals klar abgegrenzten Bereichen zusammenführt."
Big Data, die Probleme
Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Barc zählt fehlendes Fachwissen zu den größten Hemmnissen, mit denen sich europäische Unternehmen bei Big-Data-Projekten konfrontiert sehen.
Big Data: Wer ist zuständig?
Die Verarbeitung, das "Processing", von Big Data ist Aufgabe von IT-Fachleuten. Das können hauseigene Mitarbeiter sein, aber auch externe Spezialisten.
Analytische Infrastruktur für Big Data

Mythos: Im Kern (k)ein IT-Projekt

Die Tatsache, dass rund um Big Data viele technische Aspekte wie das Sammeln, Speichern und Auswerten von Daten im Vordergrund stehen, verleitet Unternehmen, entsprechende Projekte in der IT-Abteilung abzuladen. Doch mit dieser zu einseitigen Herangehensweise riskierten die Unternehmen, mit ihren Big-Data-Initiativen zu scheitern, warnen Experten.

„Wenn Sie mit Big Data wie mit einem IT-Projekt umgehen, dann ist ein Fehlschlag programmiert“, sagt Michael Chui, Principal beim McKinsey Global Institute. Deshalb müssten die Verantwortlichen von Anfang an auch das Business mit ins Boot holen. Dabei gehe es vor allem darum, schon im Vorfeld die Anforderungen der Fachabteilungen möglichst exakt zu definieren. Erst damit erhält die IT eine verlässliche Basis dafür, welche Techniken sinnvollerweise zum Einsatz kommen sollten. Genauso wäre es jedoch ein großer Fehler, die IT in Big- Data-Fragen nicht anzuhören. Gerade im Zeitalter von schnell und einfach zu buchenden Cloud-Services fühlt sich vielleicht der eine oder Fachanwender ermuntert, das Heft selbst in die Hand zu nehmen.

Das dicke Ende kommt allerdings spätestens dann, wenn es um Integrationsfragen geht – sei es, welche Datenquellen wie an den Big-Data-Service angebunden werden können oder wie Auswertungsergebnisse zurück in die eigenen IT-Systeme fließen können. Dann hat die IT wieder ein gewichtiges Wort mitzureden.

Mythos: Nur etwas für große Konzerne

Big Data bedeutet nicht primär, mit großen Datenmengen richtig umzugehen. Die wirklichen Herausforderungen in Sachen Big Data liegen darin, mit unterschiedlichsten Datenquellen und -formaten zu jonglieren sowie mit der wachsenden Geschwindigkeit zurechtzukommen, in der diese Daten entstehen und verarbeitet werden wollen. All diese Aspekte betreffen allerdings längst nicht nur große Unternehmen. Auch kleine und mittelgroße Firmen sehen sich vielfach mit diesen Problemen konfrontiert. Big-Data-Vorhaben müssen deshalb jedoch per se nicht so groß und komplex sein, dass nur Konzerne sie stemmen könnten, relativieren Experten.

Allerdings liesollten die Verantwortlichen darauf achten, sich mit ihren Big-Data-Projekten nicht zu verzetteln. Wer unsicher sei, wie Big Data behandelt werden sollte, oder skeptisch, inwieweit sich die damit verbundenen Investitionen rentierten, solle klein anfangen. So könnten Unternehmen in einem ersten Schritt einen Ausschnitt aus ihrem Datenbestand auswählen – strukturiert oder auch unstrukturiert.

Diese Daten sollten dann mit Hilfe eines Service oder eines Tools hinsichtlich einer Fragestellung ausgewertet und dann die Ergebnisse analysiert werden. Auf diese Weise könnten sich Unternehmen behutsam an das Thema herantasten, Erfahrungen sammeln und grundsätzlich prüfen, ob und in welchen Bereichen sich Aufwand und Investitionen für Big Data lohnten.

Big Data in Zahlen
Karl Valentin hat einmal das Bonmot geprägt, schwer sei leicht was. Das kann man für den Trend Big Data mit Sicherheit auch behaupten. Sinnvoll in der Theorie, schwer in der Realisierung. Wir liefern ein paar Fakten.
Welche Probleme sehen Sie beim Einsatz von Big Data?
Big-Data-Konzepte werden nicht vorangetrieben, weil es an den richtigen Skills fehlt.<br> Angaben in Prozent; n = 206; Mehrfachnennungen möglich; Quelle: BARC

Mythos: Hauptziel Kunden-Management

Viele Big-Data-Anwendungsbeispiele drehen sich um das Management von Kundenbeziehungen. Daraus abzuleiten, Big Data eigne sich nur für bestimmte Bereiche oder Branchen, sei jedoch falsch. Die Gartner-Experten verweisen auf Umfragen, wonach Big-Data-Anwender andere Prioritäten setzen. Demnach stehe an oberster Stelle das Ziel, mit Hilfe von Big Data grundsätzlich sämtliche Prozesse im eigenen Unternehmen effizienter zu gestalten.

An zweiter Stelle rangiert das Thema Security. Big Data soll helfen, Risiken schneller und genauer zu identifizieren und damit Sicherheitslücken zu schließen. Erst an dritter Stelle der Big-Data-Prioritäten folgt das Kundenthema.

Darüber hinaus lasse sich die Big-Data-Thematik längst nicht nur auf Handelsunternehmen oder den Kundenkontakt beschränken, mahnen Experten. Neue Wege, mit großen Datenmengen umzugehen, hätten das Potenzial, verschiedenen Branchen Impulse zu geben. Energieversorger beispielsweise könnten auf Basis exakter Auswertungen des Energieverbrauchs ihre Produktion und Netzauslastung effizienter planen. Im Gesundheitswesen bietet Big Data die Chance, mit Hilfe von Patientendaten die Wirksamkeit von Behandlungen und Medikation zu analysieren und damit die Bekämpfung von Krankheiten zu unterstützen.

Mythos: Nur Analyse unstrukturierter Daten

Unternehmen, die Big Data auf Analytics und unstrukturierte Daten, beispielsweise Kommentare aus sozialen Netzwerken, reduzieren, liegen daneben. Analyseverfahren bilden nur einen Aspekt von Big Data – im Grunde den letzten Schritt. Dieser ist sicher entscheidend für das Ergebnis einer Big-Data-Frage. Wer jedoch die Vorarbeiten vernachlässigt, wird auch an der Analyse wenig Freude haben.

Dabei geht es vor allem darum, die richtigen Datenquellen zu identifizieren, ferner zu überlegen, wie sich daraus die wirklich relevanten Daten gewinnen lassen und wie diese in der Folge abgelegt und weiterbehandelt werden sollen. Big Data könne daher sehr schnell sehr komplex werden. Um dies zu verhindern, gelte es, Projekte möglichst klein und überschaubar zu halten.

Um die richtigen Daten für Big Data zu finden, müssen alle potenziellen Quellen einbezogen werden. Es wäre zu kurz gegriffen, sich auf die oft als Big-Data-Beispiel bemühten unstrukturierten Daten aus sozialen Netzen wie Facebook zu beschränken – zumal an dieser Stelle auch Privacy-Gesichtspunkte nicht unter den Tisch fallen dürfen. Auch andere Daten beispielswiese aus der Produktion, dem Einkauf oder der Lieferkette können wertvolle Hinweise liefern, wie sich das eigene Business effizienter und lukrativer abwickeln lässt.

Big Data: Neue Berufsbilder
In den teilweise euphorischen Einschätzungen von Markforschern und IT-Unternehmen ist immer wieder die Rede von neuen Berufsbildern, die Big Data mit sich bringen soll. Dazu zählen unter anderem folgende Tätigkeiten:
Data Scientist
Er legt fest, welche Analyseformen sich am besten dazu eignen, um die gewünschten Erkenntnisse zu erzielen und welche Rohdaten dafür erforderlich sind. Solche Fachleute benötigen solide Kenntnisse in Bereichen wie Statistik und Mathematik. Hinzu kommen Fachkenntnisse über die Branche, in der ein Unternehmen beziehungsweise tätig ist und über IT-Technologien wie Datenbanken, Netzwerktechniken, Programmierung und Business Intelligence-Applikationen. Ebenso gefordert sind Verhandlungsgeschick und emotionale Kompetenz, wenn es um die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen geht.
Data Artist oder Data Visualizer
Sie sind die "Künstler" unter den Big-Data-Experten. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Auswertungen so zu präsentieren, dass sie für Business-Verantwortliche verständlich sind. Die Fachleute setzen zu diesem Zweck Daten in Grafiken und Diagramme um.
Data Architect
Sie erstellen Datenmodelle und legen fest, wann welche Analyse-Tools Verwendung finden und welche Datenquellen genutzt werden sollen. Auch sie benötigen ein umfassendes Know-how auf Gebieten wie Datenbanken, Datenanalyse und Business Intelligence.
Daten-Ingenieur
Diese Aufgabe ist stark auf die IT-Infrastruktur ausgerichtet. Der Dateningenieur ist das Big-Data-Analysesystem zuständig, also die Hard- und Software sowie Netzwerkkomponenten, die für das Sammeln und Auswerten von Daten benötigt werden. Eine vergleichbare Funktion haben System- und Netzwerkverwalter im IT-Bereich.
Information Broker
Er kann mehrere Rollen spielen, etwa die eines Datenhändlers, der Kunden Informationen zur Verfügung stellt, oder die eines Inhouse-Experten, der Datenbestände von unterschiedlichen Quellen innerhalb und außerhalb des Unternehmens beschafft. Außerdem soll er Ideen entwickeln, wie sich diese Daten nutzbringend verwenden lassen.
Data Change Agents
Diese Fachleute haben eine eher "politische" Funktion. Sie sollen bestehende Prozesse im Unternehmen analysieren und anpassen, sodass sie mit Big-Data-Initiativen kompatibel sind. Nur dann lässt sich aus solchen Projekten der größtmögliche Nutzen ziehen. Wichtig sind daher ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten, Verständnis für Unternehmensprozesse sowie Kenntnisse im Bereich Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement (Six Sigma, ISO 9000).

Mythos: Geeignete Fachkräfte fehlen

Die richtigen Mitarbeiter für Big Data zu finden ist zugegebenermaßen schwierig. Neben klassischen IT-Skills sollten Big-Data-Spezialisten Analytics-Kenntnisse mitbringen und sich darüber hinaus im Business und den Fachabteilungen auskennen. Doch Fachkräfte mit dieser Know-how-Kombination sind rar gesät, haben Umfragen gezeigt. Fast alle Unternehmen, die händeringend nach solchen Spezialisten suchen, geben an, dass die notwendigen Skills auf dem Arbeitsmarkt kaum zu haben sind.

Angesichts dieser Situation müssten die Unternehmen darauf achten, nicht jeden, der sich als Big-Data-Spezialist ausgibt, blindlings einzustellen, mahnt Gartner-Analystin Logan. Sie warnt vor voreiligen Entscheidungen: Trotz der angespannten Situation in diesem Arbeitsmarktsegment müssten Unternehmen Bewerber sorgfältig unter die Lupe nehmen, ob ihre angeblichen Fähigkeiten wirklich ausreichen, um die Herausforderungen zu meistern.

Auch sollten sich die Verantwortlichen nicht entmutigen lassen. Wer nicht fündig wird, könnte als Alternative ein Team zusammenstellen, schlägt Logan vor. Es könnte etwa aus einem IT-Spezialisten, einem Rechtsexperten sowie einem Mitarbeiter aus der Fachabteilung, der das Business kennt und versteht, bestehen. „Wenn man diesen Leuten Zugang zu Daten gibt und sie ein wenig herumspielen lässt, besteht durchaus die Chance, dass sie die eine oder andere interessante Entdeckung machen.“ (mhr)