Der zweite Tech Data-Kongress - im Vorjahr noch als Ergänzung der mittlerweile aufgegebenen Hausmesse "Forum" - fiel dieses Jahr deutlich erfolgreicher aus. Obwohl sich alle Marktbeobachter skeptisch zeigten, ob ein Broadliner wie Tech Data mit einem so spitzen Thema wie "Big Data" viele Reseller hinter dem Ofen hervorlocken könnte, der Zuspruch der Fachhandelspartner überraschte sogar den Tech Data-Chef Michael Dressen. Er hat mit etwa 200 Teilnehmern gerechnet - über 300 fanden sich in der Ziegelei 101 ein, im ehemaligen Industriegebiet von Ismaning am nordöstlichen Rande von München.
Sie alle erlebten eine informative Veranstaltung, wobei für die meisten von Ihnen Big Data noch Neuland ist. Immerhin wurden auf dem Kongress Wege aufgezeigt, wie die auf den Wiederverkauf von IT-Infrastruktur spezialisierten Systemhäuser doch noch "auf den fahrenden Zug" Big Data aufspringen könnten.
Eröffnet wurde das Programm durch Rudi Klausnitzer. Der ehemalige ORF-Intendant sowie Ex-Programmdirektor bei Sat 1 und Premiere veröffentlichte das in der Branche und auch darüber hinaus viel beachtete Buch "Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht”. Und genau darüber ging es in seinem Eröffnungsvortrag: Klausnitzer erläuterte sehr anschaulich, wie stark Big Data bereits heute das Leben des Durchschnittsbürgers tangiert.
Anschließend diskutierten Michael Bauer vom Ulmer Systemhaus Fritz & Macziol, Dr. Thomas Endres vom Voice-Verband und Peter Eck, Vertriebsleiter bei dem Big Data-Spezialisten Blue Yonder über die Anwendungsmöglichkeiten der neuen Technologie. Bei Fritz & Macziol, einem starken IBM-Partner gibt es durch die enge Bindung an Cognos bereits eine dedizierte Big Data Abteilung (eigentlich Business Analytics). Diese kann bereits Referenzkunden vorweisen, untere anderem in der Telekommunikationsbranche und im Handel. Aber auch ein große Datenaufbereitung bei einer Krankenkasse zählt für Bauer zu den Leuchtturmprojekt des Ulmer Systemhaus. In Sachen Big Data sind seiner Meinung nach weniger die IT-Leiter oder CIOs die primären Ansprechpartner für das Systemhaus sondern eher die Chefs der "Lines of Business", also zum Bespiel Marketing- und Vertriebsleiter oder die Finanzverantwortlichen.
Sobald ein auf diese Weise angebahntes Big Data-Projekt aber Gestalt annimmt, sollte der IT-Leiter im Boot sein, argumentierte Endres vom Voice-Verband. Gemeinsam mit Peter Eck plädierte er dabei für "IT made in Germany" - oder zumindest "applied in Germany" - womit beide eine Bresche für deutsche Software- und Systemhäuser schlugen.
Der anschließende Sponsorenvortrag des US-amerikanischen Anbieters IBM stieß auf wenig Gegenliebe, waren doch alle Folien in Englisch verfasst und mit Spezialbegriffen gespickt. "Ich hab davon wenig verstanden", gab auch anschließend ein Vertreter eines mittelständischen schwäbischen Systemhauses zu. Dafür war die den Kongress abschließenden Diskussionsrunden mit den Big Data-Anbietern HP, Microsoft, EMC und Oracle umso lebhafter. Da wurde auch deutlich, wie start sich die indirekten Vertriebsansätze der Softwarehersteller in Sachen Big Data doch unterscheiden. Während die Ausführungen des Oracle-Channel-Chefs Christian Werner diesbezüglich recht vage blieben, gab HPs Software-Verantwortlicher Ulrich Pfeiffer zu, dass man sich auf diesem Gebiet erst am Anfang befinde. "Das war zu Beginn der Cloud.-Euphorie ähnlich, bevor Hersteller die unterschiedlichen Cloud-Rollen für Channel-Partner (Builder, Integrator, Provider, Broker, Architekt) definierten:"
Andreas Zilch vom Marktforscher Experton empfahl gar ein wenig ketzerisch: "Vertriebspartner sollten vorerst gar keine Big Data-Projekte in Angriff nehmen, da handeln sie sich nur Ärger ein". Rüdiger Rath, Geschäftführer beim Systemhaus Inforsacom stimmte dem teilweise zu: "Wir wickeln hauptsächlich Storagen-Infrastruktur-Projekte ab, die Nachfrage nach Business Analytics hält sich noch in Grenzen. Und das sind hauptsächlich Großkunden aus dem Finanzdienstleistungsumfeld (Banken und Versicherungen). Im Mittelstand spiel Big Data derzeit keine Rolle."
Die von den Anbietern wie IBM namentlich genannten Referenzkunden kann man auch nur schwerlich dem Mittelstand zuordnen: etwa den weltweit größten Hersteller von Windrädern Vestas oder eine global agierende Luftfahrtgesellschaft. (rw)