Kein fairer Wettbewerb

BGH präzisiert Kriterien für Abmahnmissbrauch

03.07.2012
Oft ist die Belastung des Gegners mit Kosten das Ziel, sagt Martin Rätze von Shopbetreiber-Blog.de.

Die Abmahnung soll für einen lauteren Wettbewerb zwischen Unternehmen sorgen. In der Praxis gibt es immer wieder Fälle, in denen es nicht um den fairen Wettbewerb geht, sondern um die Belastung des Gegners mit Kosten. Der BGH stellte nun fest, dass bereits eine einzelne Abmahnung den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs erfüllen kann.

Außerdem äußerte er sich zu weiteren Anhaltspunkten.

Die Beklagte bewarb am 13.7.2009 bei eBay ein Bauheizgerät und wurde dafür wegen diversen Wettbewerbsverstößen am 20.7. von der Klägerin abgemahnt. Neben diversen anderen Wettbewerbsverstößen wurde der Beklagten vorgeworfen, mit einer Garantie zu werben ohne deren Inhalt zu erläutern. Die Beklagte gab daraufhin eine modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Am 8.8.2009 warb die Beklagte erneut in einem Angebot mit der nicht näher erläuterten Angabe "2 Jahre Garantie". Daraufhin wurde sie erneut von der Beklagten abgemahnt, gab jedoch keine Unterlassungserklärung ab, woraufhin die Klägerin eine einstweilige Verfügung erwirkte.

Rechtsmissbräuchliche Abmahnung

Das LG Bochum gab der Klage statt, dass OLG Hamm (U. v. 17.8.2010, I-4 U 62/10) sah hingegen beide Abmahnungen als rechtsmissbräuchlich gemäß § 8 Abs. 4 UWG an und wies die Klage ab. Die Abmahnung vom 20.7. sei missbräuchlich, da die konkreten Umstände der Rechtsverfolgung zusammen nur den Schluss zuließen, dass die Abmahnung vor allem dazu gedient habe, Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen und Zahlung von Vertragsstrafen entstehen zu lassen.

Da die zweite Abmahnung auf der ersten aufbaue, teile sie auch ihren missbräuchlichen Charakter.

Der BGH stimmte dem nun in weiten Teilen zu (BGH, U. v. 15.10.2011, I ZR 174/10).

Missbräuchlichkeit der ersten Abmahnung

Die Karlsruher Richter folgten dem OLG Hamm und sahen die Abmahnung vom 20.7. ebenfalls als rechtsmissbräuchlich an.

Die Annahme eines Rechtsmissbrauches bedürfe einer sorgfältigen Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände, wobei folgende Punkte zu berücksichtigen seien:

- Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung von Verstößen

- Art und Schwere des Verstoßes

- Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß

- Ggf. das Verhalten sonstiger Anspruchsberechtigter

Im entschiedenen Fall hatte das OLG Hamm die Missbräuchlichkeit an folgenden Tatsachen festgemacht.

Verschuldensunabhängige Vertragsstrafe

Die vorformulierte Unterlassungserklärung der Klägerin enthielt die Regelung, dass die Vertragsstrafe verschuldensunabhängig fällig werden sollte. Das Berufungsgericht sah hier nicht nur eine Haftungsverschärfung, sondern sogar eine Haftungsfalle: "Das Berufungsgericht hat festgestellt, Unterlassungsverpflichtungserklärungen würden wegen der drohenden gerichtlichen Inanspruchnahme sehr häufig schon abgegeben, bevor alle fehlerhaften Angaben aus dem Internetauftritt entfernt seien.

Unterbliebene oder fehlerhafte Informationen seien oft nicht von einem Tag auf den anderen einzufügen oder zu korrigieren. Insbesondere kleinere oder unerfahrenere Anbieter müssten für die Korrektur der Widerrufsbelehrung oder der Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig Kontakt mit Dritten aufnehmen.

Sie könnten einer Vertragsstrafe daher vielfach nur schwer entgehen, wenn ihnen der Einwand abgeschnitten sei, sie hätten den Verstoß so kurzfristig nicht abstellen können."

Dem stimmte der BGH zu. Das Versprechen einer vom Verschulden unabhängigen Vertragsstrafe bringe den Schuldner in eine Zwangslage, die in dem konkreten Fall zum Schutz des lauteren Wettbewerbs erkennbar nicht erforderlich sei.

Höhe der Vertragsstrafe

Ein weiterer Anhaltspunkt wurde in der Höhe der Vertragsstrafe von 5.100 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung gesehen. Diese sei im Hinblick auf die begangenen Rechtsverstöße sehr hoch. Dass es sich bei dieser Höhe um einen Standard in Unterlassungserklärungen handele, um die Zuständigkeit des Landgerichts sicherzustellen, ließen weder das OLG Hamm noch der BGH als Einwand gelten.

Weit gefasste Unterlassungserklärung

Die von der Klägerin vorgefertigte Unterlassungsverpflichtungserklärung sei des Weiteren so allgemein gehalten, "…dass darunter auch gänzlich andere als die abgemahnten Verstöße fallen und jedwede gesetzwidrige Belehrung eines Verbrauchers eine Zuwiderhandlung darstellt."

Weitere Anhaltspunkte

Auch erwecke die Abmahnung den Eindruck, als gehörten Unterwerfungserklärung und Kostenerstattung zusammen, da für die Erfüllung beider Verpflichtungen die gleiche Frist gesetzt wurde. Darüber hinaus erfolgte ein Hinweis, dass eine Fristverlängerung in Wettbewerbssachen aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit nicht möglich sei.

Insbesondere im Hinblick auf eine Fristverlängerung werteten die Richter dies kritisch: "Bei der Unterlassungserklärung verbiete sich wegen der Dringlichkeit im Regelfall eine Verlängerung der Frist; für die Frist zur Erstattung der Kosten gelte dies nicht."

Das Herausstellen der Fälligkeit der Anwaltsgebühren stieß ebenfalls auf Kritik:

"Zudem werde die Fälligkeit der an den Anwalt zu zahlenden Gebühren durch Großschrift und Unterstreichung hervorgehoben. Dies erwecke beim Abgemahnten den unzutreffenden Eindruck, er könne eine gerichtliche Inanspruchnahme nur verhindern, wenn er nicht nur die Unterlassungserklärung abgebe, sondern auch umgehend die Abmahnkosten erstatte."

Darüber sah eine Klausel zum Gerichtsstand innerhalb der Unterlassungserklärung den Sitz des Prozessbevollmächtigten als Gerichtsstand vor. Dies fügte sich ebenfalls in das Bild des Rechtsmissbrauches ein.

Anzahl der Abmahnungen unerheblich

Die Klägerin berief sich darauf, dass für eine Missbräuchlichkeit ein systematisches Vorgehen notwendig sei, welches bei ihr jedoch gerade nicht vorliege. Der BGH bestätigte zwar, dass dies ein Indiz für Rechtmissbrauch sei. "Das schließt es aber - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht aus, dass schon bei einer geringen Zahl von Abmahnungen oder auch schon bei einer einzigen Abmahnung von einem Rechtsmissbrauch auszugehen sein kann, wenn hinreichende Anhaltspunkte für sachfremde Motive vorliegen."

Missbräuchlichkeit der zweiten Abmahnung

Hinsichtlich der Missbräuchlichkeit der zweiten Abmahnung widersprach der Bundesgerichthof dem Berufungsgericht. Die Missbräuchlichkeit der zweiten Abmahnung könne nicht mit der Missbräuchlichkeit der ersten Abmahnung begründet werden.

Die Klägerin verfolge mit der zweiten Abmahnung keinen vertraglichen Anspruch aus dem aufgrund der ersten Abmahnung geschlossenen Unterlassungsvertrag, sondern einen erneuten gesetzlichen Anspruch, der durch die erneute Zuwiderhandlung entstanden ist. Dies ergebe sich daraus, dass auch die zweite Abmahnung wieder eine Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung enthalte.

Die Abmahnung erwies sich aber dennoch als nicht berechtigt, da sie die Werbung mit einer Garantie ohne Nennung der Garantiebedingungen betraf.

Der BGH (U. v. 14.4.2011 - I ZR 133/09) hat zwischenzeitlich entschieden, dass bei einer invitatio ad offerendum noch keine Garantiebedingungen genannt werden müssen, sondern nur dann, wenn das Angebot des Händlers ein Angebot im rechtlichen Sinne sei.

Hier widerspricht sich der BGH allerdings selbst. Zwar ist korrekt, dass er entschieden hatte, dass die strengen Anforderungen an eine Garantieerklärung bei einer invitatio ad offerendum oder innerhalb einer Werbung noch nicht erfüllt werden müssen.

Allerdings hatte der hier entschiedene Fall seinen Ursprung bei eBay. Dort handelt es sich aber gerade um verbindliche Angebote im rechtlichen Sinne, sodass nach dem zitierten Urteil die Voraussetzungen für eine Garantieerklärung eigentlich hätten erfüllt werden müssen, wie z.B. das OLG Hamm (U. v. 15.12.2011, I-4 U 116/11) nach dem BGH-Urteil entschied.

Die Revision gegen das Berufungsurteil wies der BGH auf Kosten der Klägerin zurück.

Fazit

Dieses Urteil des BGH gibt einige Anhaltspunkte, wann eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich erfolgt ist. Insbesondere wird deutlich, dass nicht zwingend eine große Anzahl von Abmahnungen vorliegen muss, wenn andere Indizien für ein bloßes monetäres Interesse sprechen.

Die Äußerungen hinsichtlich des Angebotes bei eBay sind verwirrend. Hier muss man wohl abwarten, bis der BGH diese Frage nicht nur "nebenbei” entscheidet, sondern sich explizit mit dieser Frage noch einmal auseinandersetzt. (oe)

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