Strategien der Weisheit

Bewusst handeln bei Konflikten

21.04.2008 von Christine Lehner und Sabine Weihe
In Stresssituationen wie zum Beispiel Konflikten greift unser Gehirn ungeachtet guter Vorsätze auf eingefahrene, meist wenig konstruktive Verhaltensmuster zurück. Wie Sie diesen ?Autopiloten? erfolgreich abschalten und stets souverän handeln, erläutern Christine Lehner und Sabine Weihe.

Wohl die meisten Menschen wünschen sich mehr Schlagfertigkeit, insbesondere bei verbalen Angriffen. Oft bleibt einem aber nur die Luft weg. Oder man reagiert mit einem zu heftigen Gegenschlag. Intelligent schlagfertig zu sein, fällt schwer, weil unter Anspannung eine Art "Autopilot" im Gehirn unser Handeln bestimmt, nicht der klare Verstand. Bevor wir merken, was da schon wieder passiert, ist die Möglichkeit, souverän zu reagieren, meist schon vorbei.

Die gute Nachricht: In allen Lebenslagen gelassen zu bleiben, lässt sich lernen. Wesentlich ist es zunächst, sich bewusst zu machen, in welchen Situationen der Autopilot aktiv wird - etwa wenn man alles gleich persönlich nimmt, auf Kritik dünnhäutig reagiert oder wenn man bei einem Konflikt am liebsten gleich im Erdboden versinken möchte. Möglich ist dies mit der Technik der inneren Achtsamkeit. Fragen wie "Was geht jetzt in mir vor?", "Wie verhalte ich mich normalerweise?", "Wie wirkt dieses Verhalten nach außen?", "Was wäre jetzt konstruktiver?" erleichtern es wahrzunehmen, welche Gefühle gerade dominieren.

Den Tunnelblick weiten

Wer auf diese Weise rechtzeitig merkt, "jetzt springt der Autopilot in mir an", kann nachhaltigen Schaden verhindern. Der innere Beobachter meldet dann: "Ah, das nehme ich persönlich. Da ist jemand über meine Grenzen gegangen." Diese Erkenntnis ermöglicht es, Distanz zum Geschehen zu schaffen.

Zwei "Strategien der Weisheit" haben sich dabei besonders bewährt: Erstens, die Vorbild-Strategie: "Überlegen Sie, wie würde etwa der Dalai-Lama oder ein anderer von Ihnen geschätzter weiser Mensch reagieren? Oder Sie überlegen, was Ihnen wirklich wichtig ist im Leben?" Beide Strategien helfen, die eigene innere Gelassenheit zu aktivieren, die Verstrickung in der Situation soweit zu lösen, dass sich der "Tunnelblick" wieder weitet und man selbst ruhiger agieren kann.

Schließlich macht es zum Beispiel einen enormen Unterschied, ob jemand bei Kritik innerlich kocht und aus diesem Gefühl heraus agiert ("Dann machen Sie?s doch selber!") oder ob man weiß, dass der andere jetzt einen wunden Punkt getroffen hat und man am liebsten hochgehen würde, nun aber durch gezieltes Training bewusst durchatmet und gelassen zurückfragt: "Was genau gefällt Ihnen denn nicht an meiner Idee?"

Wie ein Adler fühlen

Mithilfe der inneren Aufmerksamkeit lässt sich der Autopilot wirksam abschalten. Doch genauso wichtig ist es, gezielt neue, konstruktive Gewohnheiten als automatische Reaktion im Gehirn zu verankern. Dass es möglich ist, Verhaltensweisen neu zu modellieren, ist schon seit langem wissenschaftlich erwiesen. Entscheidend ist das Üben. Durch wiederholtes Anwenden der neuen Verhaltensweisen verändert sich die Struktur des Nervensystems und damit unsere Gewohnheiten - auch wenn sie noch so hartnäckig und festgefahren sind. Zu beachten ist: Das bisherige Muster sollte nicht einfach als "falsch" abgetan werden. Es war irgendwann für uns nützlich und wichtig, zum Beispiel als eine Art Schutzschild, oder wurde von einem Vorbild (unbewusst) übernommen.

Neue Denk- und Verhaltensmuster zu verankern, erfordert in jedem Fall viel Übung. Vor allem die Körperhaltung, Atmung und inneren Bilder spielen eine wichtige Rolle beim neu modellieren von Verhaltensweisen. Die Körperhaltung etwa wirkt unmittelbar darauf, wie sich jemand fühlt und beeinflusst auch die eigene Wirkung im sozialen Umfeld. Der Erfolg ist umso größer, wenn eine bestimmte Körperhaltung mit entsprechenden inneren Bildern, Sätzen oder früheren Erfolgserlebnissen verknüpft wird. Zum Beispiel kann dies folgendes Bild sein: "Ich fühle mich wie ein Adler, der gelassen in der Luft schwebt."

Niemand ist also unbewussten Verhaltensweisen und lange geprägten Reaktionen hilflos ausgeliefert. Um das Steuer selbst in die Hand zu nehmen, ist es nie zu spät. Allerdings verhält es sich damit wie mit dem Autofahren: Am Anfang wirkt es noch mühsam, bei jeder Handlung muss nachgedacht und die nötigen Bewegungen müssen bewusst ausgeführt werden. Mit der Zeit tritt jedoch Routine ein und das Verhalten automatisiert sich. Wie bei jeder Form von Verhaltensmodifikation gilt daher die Devise: üben, üben, üben.

Über die Autorinnen

Christine Lehner, Diplom-Pädagogin und Psychotherapeutin, ist seit 1992 freiberufliche Trainerin und Beraterin mit den Schwerpunkten Selbst- und Stressmanagement, Führungskräftetraining sowie Kommunikation und Konfliktlösung.

Sabine Weihe, Diplom-Verwaltungswissenschaftlerin, ist seit 1993 als freiberufliche Trainerin und Beraterin tätig. Ihre Schwerpunkte sind Kommunikation und Arbeitstechniken, Personal- und Organisationsentwicklung für Groß- und Mittelstandsunternehmen. (gn)

"Limbic Mind - Die intelligente Schlagfertigkeit"

Buchtipp

Souverän und gelassen, auch wenn´s heikel wird - weitere Informationen und genaue Anleitungen zu den Strategien der Weisheit

von Christine Lehner, Sabine Weihe, ISBN 9783938358641, BusinessVillage Verlag 2008, Göttingen, Telefon: 0551/2099104, Internet: http://www.businessvillage.de/eb-733.html