Bei einer Umfrage zur Kundenzufriedenheit handelt es sich um Werbung. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 10.7.2018 entschieden (Aktenzeichen VI ZR 225/17). In dem Verfahren ging es um einen auf dem Amazon Marketplace tätigen Händler. Dessen Kunde hatte geklagt, weil er mit einer E-Mail mit dem Betreff "Ihre Rechnung zu Ihrer Amazon Bestellung" nicht nur die Rechnung als pdf-Dokument im Anhang erhielt, sondern auch die Aufforderung, sofern er mit dem Service des Händlers zufrieden war, sich über einen bereitgestellten Link bei Amazon einzuloggen und den Händler mit einer positiven Bewertung und 5 Sternen zu beurteilen.
Der Kunde empfand diese Aufforderung als unaufgeforderte und unerlaubte Zusendung von Werbung. Sie sei damit ein Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht, für den er nach § 1004 und § 823 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auf Schadensersatz klagte. Die Vorinstanzen, das Amtsgericht Braunschweig und das Landgericht Braunschweig, stuften die Bitte um Bewertung zwar als Werbung ein, sahen aber nach Abwägung der widerstreitenden Interessen keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers.
"Ein Unterlassungsanspruch gestützt auf die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) ist die klassische Anspruchsgrundlage von Privatpersonen, um sichgegen Spam-Mails wehren zu können", erklärt Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke in einem Kommentar zum aktuellen BGH-Urteil. "Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die engere persönliche Lebenssphäre jedes Menschen und umfasst eben auch das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden. Das meint auch das Recht, mit Werbung in Ruhe gelassen zu werden."
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Allerdings sei es eine Besonderheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, dass nicht jede Verletzung auch rechtswidrig ist, so Solmecke weiter. Das müsse im Einzelfall im Rahmen einer Abwägung entschieden werden. Im verhandelten Fall musste zwischen dem Recht des Unternehmens, zu Werbezwecken mit Kunden in Kontakt zu treten, und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kunden, vor unaufgeforderter Werbung geschützt zu werden will, abgewogen werden.
Der BGH stellte sich dabei auf die Seite des Kunden. Das oberste deutsche Gericht stuft die E-Mail mit der Bewertungsaufforderung im Text als Werbung ein. Es sei dabei rechtlich unerheblich, dass der unzulässige, werbende Teil zusammen mit der rechtlich zulässigen Rechnung übersendet wurde.
BGH will Missbrauch grundsätzlich eindämmen
Die Belästigung des Kunden erachtet der BGH zwar als gering. Das Gericht will aber offenbar ein Zeichen setzen, fürchtet es doch, dass "mit einem Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen" ist, wenn einzelne E-Mails mit Werbezusätzen für zulässig erklärt werden. Seine Argumentation begründet der BGH mit § 7, Absatz 2, Nummer 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Unzulässig ist demnach Werbung "unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt".
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"Die Einordnung von Aufforderungen zur Abgabe einer Kundenbewertung als Werbung ist nichts Neues. Nun aber wurde die bereits von vielen anderen Gerichten in den unteren Instanzen angenommene Auffassung durch den BGH bestätigt", fasst Rechtsanwalt Solmecke zusammen. Auch dass der BGH den Fall nicht anders bewertete, weil die zulässige Rechnung mit unzulässiger Werbung verknüpft wurde, überrascht ihn nicht, würde sonst doch Missbrauch Tür und Tor geöffnet.
"Offen bleibt, wie man als Verkäufer auf Online-Plattformen wie Ebay oder Amazon Marketplace rechtssicher eine solche Einwilligung einholen kann, um eine Bewertungsaufforderung zu versenden. Dahinter steckt der legitime Wunsch der Händler, durch positive Bewertungen ihre Verkaufschancen zu erhöhen."