Gerade in der IT-Branche hat sich das Arbeitsumfeld in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Neue Methoden, Prozesse und technische Lösungen machen eine fortlaufende Qualifizierung der Mitarbeiter erforderlich. Berufliche Fortbildung ist daher aktueller denn je. Ebendiese diese hohe praktische Bedeutung führt jedoch im Arbeitsverhältnis oft zu Unsicherheiten dahingehend, welche Rechte und Pflichten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beachten haben.
Berufliche Qualifizierung der Mitarbeiter
Fortbildung kann notwendig sein, um die berufliche Qualifikation zu erhalten. Andere Schulungsmaßnahmen verbessern die Einsatzmöglichkeiten eines Mitarbeiters oder bieten ihm neue Aufstiegschancen im Unternehmen. Problematisch wird es jedoch dann, wenn Mitarbeiter nicht willens sind oder sich nicht in der Lage fühlen, sich die für den Job erforderlichen Qualifikationen anzueignen.
Ob der Arbeitgeber in diesem Fall die Teilnahme anweisen kann, hängt vor allem von der arbeitsvertraglichen Tätigkeit ab. Verfügt der Arbeitnehmer wegen der im Laufe der Zeit gestiegenen Anforderungen nicht über die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse, um seine vertragliche Aufgabe zu erfüllen, so kann der Arbeitgeber zur Vorbereitung auf die Arbeit auch eine entsprechende Schulung verlangen. Dies gilt zumindest, sofern die berufliche Fortbildung in der Arbeitszeit erfolgen soll.
Die berufliche Fortbildung kann aber auch dann noch zur geschuldeten Arbeitsleistung gerechnet werden, wenn die Weiterbildung für eine begrenzte Zeit den Schwerpunkt der Tätigkeit bildet oder an einem anderen Ort beziehungsweise außerhalb der üblichen Arbeitszeiten stattfindet - sofern der Arbeitnehmer gemäß Vertrag vorübergehend an anderen Orten eingesetzt werden kann und keine festen Arbeitsstunden vereinbart sind. Viele berufliche Fortbildungen werden generell nur außerhalb der regulären Arbeitszeiten, insbesondere in den Abendstunden oder am Wochenende, angeboten. Gerade von höher qualifizierten, gut bezahlten Arbeitnehmern kann dann erwartet werden, dass sie für die Fortbildung Überstunden leisten.
Auch wenn die Fortbildungspflicht sich nicht aus dem Arbeitsvertrag ergibt, kann der Arbeitnehmer indirekt zur Fortbildung gezwungen sein. Nämlich immer dann, wenn sich das Arbeitsumfeld oder der Tätigkeitsschwerpunkt des Unternehmens so verändert, dass der Mitarbeiter mit seinen bisherigen Kenntnissen nicht mehr eingesetzt werden könnte. Bietet der Arbeitgeber dann eine berufliche Fortbildung an, durch die er seine Aufgaben weiter erfüllen kann, so ist er schon im Eigeninteresse genötigt, das Angebot wahrzunehmen - sonst droht ihm die betriebsbedingte Kündigung.
Wer bezahlt die Fortbildung?
Ob die Fortbildungskosten vom Arbeitgeber getragen werden müssen, hängt vom Einzelfall ab. Eine vom Arbeitgeber angewiesene Fortbildung wird in der Regel auch von diesem bezahlt. Das gilt vor allem für die Einarbeitung und Einweisung in den Arbeitsbereich. Eine generelle Kostentragungspflicht besteht jedoch nicht.
Bei Qualifizierungen, die zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung erfolgen, erfolgt eine Interessenabwägung: Ob die Kostentragung dem Arbeitgeber zumutbar ist, hängt unter anderem davon ab, welche Kosten entstehen und welcher Zeitaufwand notwendig ist. Zudem ob die Notwendigkeit der Fortbildung auf eine Entscheidung des Arbeitgebers zurückzuführen ist, zum Beispiel weil er seinen Tätigkeitsschwerpunkt verändert, oder ob sie auf äußeren Umständen wie der Weiterentwicklung der genutzten Technologien beruht. Je umfangreicher die Maßnahme ist und je besser die erlangten Kenntnisse auf dem Arbeitsmarkt verwertbar sind, umso eher muss der Arbeitnehmer sich an den Kosten beteiligen.
Gerade wenn Qualifizierungsmaßnahmen dazu dienen, eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden oder die Erfolgschancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, kann Anspruch auf eine staatliche Förderung bestehen. Da diese Fördermittel in der Regel vor Beginn der Maßnahme und sogar vor Abschluss des Fortbildungsvertrages beantragt werden müssen, ist es wichtig, sich grundsätzlich frühzeitig durch die Agentur für Arbeit beraten zu lassen.
Ein Teil der beruflichen Fortbildung wird nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) auch durch den Beschäftigten selbst finanziert. Teilweise übernehmen sie Kosten für etwa Lernmaterialien oder bringen ihre Freizeit mit ein. Aber auch Familienmitglieder oder öffentliche Einrichtungen und Programme, etwa durech die Agentur für Arbeit, greifen laut BIBB immer wieder unterstützend ein. Das Bundesinstitut erhebt seit 2007 im Abstand von zwei bis drei jahren einen sogenannten AES (Adult Education Survey) mit "Daten über die Beteiligung und Nichtbeteiligung Erwachsener am lebenslangen Lernen". Dabei handelt es sich um eine für alle EU-Staaten verpflichtende Erhebung. Laut AES 2018 (PDF) wurden 57 Prozent der direkten Weiterbildungskosten vom (künftigen) Arbeitgeber übernommen.
Was zählt zu den Kosten einer beruflichen Fortbildung?
Neben den Teilnahmekosten fallen in der Regel am Ende eines Kurses auch Gebühren für die Ablegung einer Prüfung an. Weitere Aufwendungen entstehen für Anfahrten, Verpflegung und eventuelle Übernachtungen sowie für die benötigten Lern- und Arbeitsmittel. Neben Fachbüchern sind das, je nach beruflicher Fortbildung, häufig auch Kosten für mobile Computer.
Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten
Um Klarheit zu schaffen und Streitigkeiten zu vermeiden, ist bei vielen Positionen eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag sinnvoll. Daraus sollte klar werden, ob der Mitarbeiter sich auf eigene Kosten qualifizieren muss, ob er in einem bestimmten Umfang außerhalb der Arbeitszeit auf Fortbildungen geschickt werden kann und in welchen Bereichen er überhaupt zu einer Teilnahme verpflichtet ist.
Auch bei konkret anstehenden Maßnahmen können sich die Parteien darauf einigen, dass der Arbeitnehmer einen Teil der Kosten seiner Fortbildung trägt. Voraussetzung ist aber, dass der Zahlung ein angemessener Gegenwert gerade für den betroffenen Arbeitnehmer in Gestalt der Ausbildung gegenübersteht. Im Ergebnis ist dem Arbeitnehmer eine Kostenbeteiligung desto eher zuzumuten, je größer der mit der Ausbildung verbundene Vorteil für ihn ist.
Wann ist der Arbeitgeber zur Fortbildung verpflichtet?
Jeder Arbeitnehmer hat im Zuge des gesetzlichen Bildungsurlaubs Anspruch auf Freistellung, um sich selbst fortzubilden. Häufig sehen Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, die bei Änderungen von Arbeitsplätzen oder Arbeitsverfahren geschlossen werden, einen Anspruch auf Qualifizierung durch den Arbeitgeber vor. Davon abgesehen, besteht ohne eine vertragliche Grundlage in aller Regel kein Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber Mitarbeiter für eine Fortbildung freistellt oder gar die Kosten übernimmt.
In der Mehrzahl der Unternehmen stellt das Angebot von Fortbildungsveranstaltungen jedoch einen wichtigen Bestandteil des Personalmarketings auch im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern dar. Bei solchen Programmen können Mitarbeiter eine Gleichbehandlung verlangen. Hier gilt dasselbe wie bei allen Leistungen des Arbeitgebers: bietet er sie einer Gruppe vergleichbarer Mitarbeiter an, so kann er nicht ohne Grund Einzelne von der Leistung ausnehmen. Eine klare Regelung - etwa überdurchschnittliche Leistungsbewertung als Voraussetzung für eine Teilnahme oder Ausschluss bei Beanstandungen gegen das Arbeitsverhalten - dient der Klarheit und kann gleichzeitig auch einen Ansporn für gute Leistungen darstellen.
Qualifizierung und Beförderung
Dass besser qualifizierte Arbeitnehmer mehr verdienen, ist eine Binsenweisheit. Wer glaubt, dass er bloß auf Grund des Abschlusses einer beruflichen Weiterbildung automatisch ein höheres Gehalt erhält, irrt sich in der Regel. Zwar kann sich ein solcher Anspruch aus einem Tarifvertrag ergeben. Auch dann ist jedoch meist Voraussetzung, dass eine passende Stelle vorhanden ist, auf die der Mitarbeiter befördert werden kann. Nur wenn bisher bei erfolgreichem Abschluss immer eine Lohnerhöhung gezahlt wurde, besteht ein Anspruch auf Gleichbehandlung. Um Enttäuschungen zu vermeiden, empfiehlt sich vor jeder umfangreicheren Fortbildungsmaßnahme eine Vereinbarung darüber, ob der Mitarbeiter durch sie einen Anspruch auf einen adäquaten neuen Arbeitsplatz hat, ob er im Fall anstehender Beförderungen bevorzugt wird oder ob allein der Abschluss schon eine höhere Vergütung begründet.
Bindungs- und Rückzahlungsklauseln
Berufliche Fortbildungen finanziert ein Arbeitgeber, weil er selbst die neuen Kenntnisse wirtschaftlich verwerten möchte. Umso unbefriedigender ist es, wenn ein Arbeitnehmer nach ihrem Abschluss das Unternehmen verlässt und die neu erworbenen Kenntnisse beim Wettbewerber einsetzt. Davor schützen Bindungsklauseln, die bei einer Kündigung durch den Mitarbeiter oder bei verhaltensbedingten Kündigungen durch den Arbeitgeber eine Pflicht zur Rückzahlung der Fortbildungskosten vorsehen.
Solche Klauseln müssen jedoch sorgfältig geprüft und formuliert werden: Sie sind nämlich nur wirksam, wenn sie dazu dienen, die Kosten einer beruflichen Aus- oder Fortbildung, die die Arbeitsmarktchancen des Arbeitnehmers deutlich erhöhen, in angemessener Weise auf diesen abzuwälzen. Voraussetzung ist daher, dass der Arbeitnehmer durch die Aus- oder Fortbildung einen tatsächlichen Vorteil erlangt, etwa weil sich die Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz erhöhen oder typischer Weise eine höhere Vergütung auf Grund der Qualifikation gezahlt wird.
Dient die Fortbildung dagegen nur dazu, vorhandene Kenntnisse aufzufrischen oder zu aktualisieren, sind Rückzahlungsklauseln unwirksam. Zudem muss auf ein angemessenes Verhältnis zwischen der Dauer und den Kosten der Fortbildung einerseits und der Bindungsdauer des Mitarbeiters andererseits geachtet werden. Je teurer und wertvoller eine Fortbildung ist, umso länger kann der Mitarbeiter gebunden werden. Für jeden Monat, den er im Unternehmen bleibt, vermindert sich dann seine Rückzahlungspflicht.
Zufriedenheit mit dem in der beruflichen Fortbildung Gelernten
Das Bundesinstitut für Berufsbildung erhebt auch immer wieder, wie zufrieden die Teilnehmer an beruflichen Fortbildungen mit den Kursangeboten waren. 53 Prozent waren "sehr zufrieden" mit den von ihnen besuchten Fortbildungsaktivitäten, 42 "eher zufrieden", 4 Prozent "eher unzufrieden" und 0,5 Prozent "sehr unzufrieden". Eine überdurchschnittlich hohe Zufriedenheit habe sich bei Ausländerinnen und Ausländern (66 Prozent) gezeigt, gefolgt von Deutschen mit Migrationshintergrund (64 Prozent), Nicht-Erwerbspersonen (61 Prozent) und 18- bis 24-jährigen (60 Prozent). Auch berufliche Fortbildungen, die sich über mehrere Monate erstrecken wurden von 72 Prozent mit großer Zufriedenheit bewertet. Weniger begeistert waren die Teilnehmer von beruflichen Fortbildungen mit verpflichtender Teilnahme (38 Prozent) und von Maßnahmen, die direkt vom Arbeitgeber durchgeführt wurden (47 Prozent). Auch Schulungen direkt am Arbeitsplatz gefallen 45 Prozent der vom BIBB Befragten nicht.
Berufliche Weiterbildung in Europa
An der Adult Education Survey (AES) beteiligt sich nicht nur Deutschland. Im Jahr 2016 waren es insgesamt 36 Länder, in denen Auswertungen durchgeführt wurden. Neben EU-Mitgliedsstaaten waren auch Länder wie Bosnien-Herzegowina, Norwegen, die Schweiz und die Türkei beteiligt. Die Teilnahmequoten bei Erwerbstätigen im Alter von 25 bis 64 Jahren variieren zwischen den Ländern deutlich.
An der Spitze stehen die Niederlande mit 62 Prozent, während in Rumänien nur etwa jeder zwanzigste Erwerbstätige an einer beruflichen Weiterbildung teilnimmt. In Griechenland sind es nur 9 Prozent. Mit 48 Prozent liegt Deutschland im oberen Mittelfeld, besser stehen die Schweiz mit 61 Prozent und Österreich mit 55 Prozant da. Als Gründe für diese Unterschiede werden Argumente wie "Unterschiede in der gesellschaftlichen Verankerung des lebenslangen Lernens", aber auch bei der staatlichen Förderung genannt. (oe/afi)
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