Klärendes Gespräch muss vorausgehen

Beleidigung bedeutet nicht immer Kündigung

03.11.2009
Die Weigerung des Vorgesetzten zur weiteren Zusammenarbeit rechtfertigt nicht immer den Rauswurf.

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 21.07.2009, 2 Sa 460/08, sind beleidigende oder herabsetzende Äußerungen über Vorgesetzte grundsätzlich geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Im Einzelfall, so der der Hamburger Rechtsanwalt und Lehrbeauftragte für Arbeitsrecht Stefan Engelhardt, Landesregionalleiter Hamburg der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel unter Bezugnahme auf die Entscheidung, kann jedoch vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich sein.

Die Weigerung des betroffenen Vorgesetzten, aufgrund der Äußerung des Arbeitnehmers weiter mit diesem zusammenzuarbeiten, rechtfertigt nicht ohne weiteres eine sofortige Kündigung. In diesem Fall kann zunächst ein klärendes Gespräch zwischen den Parteien geboten sein.

Klägerin dieses Verfahrens war eine Tierärztin, die die Fleischbeschauung in einem großen Schlachthaus vorzunehmen hatte. Es war wiederholt zum Streit zwischen der Klägerin und einigen Mitarbeitern des Schlachthauses gekommen, sodass der beklagte Landkreis die Klägerin auf einem anderen Schlachthof eingesetzt hatte. Einige Jahre später erfuhr der Beklagte über eine Praktikantin, dass die Klägerin sich wiederholt beleidigend und abfällig über ihren Vorgesetzten geäußert habe. Eine andere Tierärztin teilte mit, dass die Klägerin sich auch ihr gegenüber abfällig über den Vorgesetzten geäußert habe und ihm unter anderem frauenfeindliches Verhalten vorgeworfen habe.

Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristgerecht und begründete dies damit, dass er die Klägerin nirgendwo mehr einsetzen könne, zudem sei ihr bisheriger Vorgesetzter nicht mehr bereit, mit ihr zusammenzuarbeiten. Die Klägerin bestritt die ihr vorgeworfenen Äußerungen. Ihre Kündigungsschutzklage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg, betont Engelhard.

Das Gericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass der beklagte Landkreis das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nicht wirksam kündigen konnte.

Abmahnung wäre erforderlich gewesen

Die der Klägerin vorgeworfenen abfälligen Äußerungen über ihren Vorgesetzten sind zwar grundsätzlich geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Sollte die Klägerin ihren Vorgesetzten tatsächlich beleidigt haben, so wäre vor Ausspruch einer Kündigung aber angesichts des bisherigen Arbeitsverhältnisses eine Abmahnung erforderlich gewesen.

Auch ist nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts in diesem Fall die Weigerung des Vorgesetzten, mit ihr weiter zusammenzuarbeiten, nicht geeignet, die Kündigung zu rechtfertigen. Hier hätte gegebenenfalls ein klärendes Gespräch zwischen den Betroffenen erfolgen müssen.

Engelhardt empfiehlt, das Urteil zu beachten und bei ähnlichen Fällen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, und verweist in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. (www.mittelstands-anwaelte.de).

Weitere Informationen und Kontakt:

Stefan Engelhardt, Rechtsanwalt und Landesregionalleiter "Hamburg" der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V., c/o RWWD Hamburg, Tel.: 040 769999-26, E-Mail: stefan.engelhardt@rwwd.de, Internet: www.rwwd.de