ChannelPartner sprach mit Ingram-Micro-Vertriebs-Chef Marcus Adä über Mehrwerte, die den Fachhandel vom Einkauf in der Distribution überzeugen sollen.
Vorwiegend kleine Händler und Systemhäuser haben große E-Tailer als alternative profitable Einkaufsquelle entdeckt. Sind diese Händler, die Zusatzdienstleistungen wie Finanzierungsangebote oder Projektpreise weniger benötigen, nicht mehr im Fokus der Distribution?
Marcus Adä: Man muss fairerweise sagen, dass dieser Markttrend existiert. Es gibt heute auf der einen Seite einen Vertriebskanal E-Tail, den es vor Jahren noch nicht gab, und es gibt auf der anderen Seite Händler, bei denen der Preis im Vordergrund steht. Mit beiden Gruppen muss sich ein Distributor auseinandersetzen. Aber auch vor dieser Szenerie bin ich davon überzeugt, dass die Distribution ein Zukunftsmodell ist. Wir haben einen Fokus auf den SMB-Handel. Dort müssen wir durch Mehrwerte überzeugen. Hier sprechen wir von Nachhaltigkeit und Serviceleistungen und nicht nur über den Preis.
Tausende von Fachhändlern benötigen aber für ihr Geschäftsmodell keine Services wie zum Beispiel Finanzierungsdienstleistungen oder Projektunterstützung. Sie brauchen einfach nur einen wettbewerbsfähigen Preis zum Überleben.
Adä: Ich glaube schon, dass wir insgesamt vernünftige, marktgerecht-aggressive Preise anbieten. Allerdings wird es immer irgendwo im Web einen günstigeren Preis geben. Wir haben das breiteste Produktsortiment, das bei Händlerbefragungen regelmäßig als Anforderung an die Distribution an erster Stelle steht. Händler haben Fragen zum Sortiment; dafür betreiben wir in Deutschland ein Callcenter mit 300 Vertriebsmitarbeitern. Bei einem E-Tailer kriegen sie all das nicht.
Das stimmt nicht ganz.
Adä: Ja, richtig, es gibt vor allem einen E-Tailer, der eine Mitarbeitergruppe speziell für Fachhandelsbetreuung aufgebaut hat. Werfen Sie aber dort einen Blick auf die Sortimentskombination, dann wird es schon schwierig. Auch das Thema Finanzierung wird heute im SMB-Markt immer mehr ein Thema. Und nicht zu vergessen der Lösungsgedanke, den wir unterstützen. Es ist heute wichtiger denn je, dass der Reseller das Thema Mehrwerte in Form eines Lösungsgedanken zu seinem Endkunden bringt. Wenn der Mehrwert eines Händlers nur darin besteht, dass er das billigste Internetprodukt einkauft, dann läuft etwas falsch, denn das kann der Endkunde auch.
Trotzdem müssen die Reseller in ihren Angeboten neben den Service- auch die Hardwarepreise dem Kunden offenlegen. Und genau gegenüber diesen Kunden besteht dann Erklärungsbedarf bezüglich eines Internetpreises.
Adä: Das ist genau der Punkt. Die Preisdiskrepanz darf nicht zu groß werden. Ein paar wenige Prozentpunkte sind nicht der Rede wert. Wenn der Unterschied aber bei 30 Prozent liegt, haben wir ein Problem. Das ist für uns auch nicht lösbar, denn die Margen für eine solche Preisanpassung haben wir nicht. Derartige Differenzen sind herstellergetrieben, und wir Distributoren sind mit in der Verantwortung, hier vernünftige Lösungen für unsere SMB-Partner zu finden.
Als oft genannter Vorteil bei der Bestellung über einen E-Tailer wird die problemlose RMA-Abwicklung genannt, wogegen im CP forum oft die zeitraubende und schwierige Abwicklung über die Distributoren bemängelt wird. Was setzt Ingram Micro diesen Aussagen entgegen?
Adä: Wir messen in unserer RMA-Abwicklung sehr genau, wie kulant wir sind und wie schnell und unproblematisch die Abwicklung funktioniert. Dazu gehört auch, dass wir Einzelfälle durchleuchten, bei denen es zu Problemen gekommen ist, um es das nächste Mal besser zu machen. Ab und zu geht es aber auch schneller, wenn der Reseller die RMA mit dem Hersteller direkt abwickelt. Wobei wir im Notfall immer der Ansprechpartner sind, da wir das Produkt an ihn verkauft haben. Wir beschäftigen rund 100 Mitarbeiter in der Retourenabteilung, und unser oberstes Ziel ist es, dem Kunden guten Service zu bieten, egal in welchem Bereich.
Wird sich Ingram Micro mit der Entwicklung, dass die E-Tailer immer mehr zu Wettbewerbern werden, abfinden oder suchen Sie auch das Gespräch mit den Herstellern zum Thema Preisfindung?
Adä: Natürlich diskutieren wir mit den Herstellern, die in ihrer Preispolitik sehr unterschiedlich sind. Es gibt auch den einen oder anderen Hersteller, der in seinen Kanälen nicht ganz sauber arbeitet. Es ist nicht ganz einfach, gemeinsam mit einem Hersteller nach Lösungen zu suchen. Ich verstehe auch den Hersteller, der im E-Tail Stückzahlen absetzen will. Viele Hersteller wollen aber auch mit neuen Lösungen wachsen, die sie über den E-Tail-Kanal nicht darstellen können.
Kann die Distribution die Preisgestaltung mit beeinflussen?
Adä: Es ist für uns ein Muss, mit Herstellern in Gespräche zu treten, um unsere SMB-Kunden in die Lage zu versetzen, weiterhin wettbewerbsfähig anbieten zu können. Die Preise werden in erster Linie nicht von uns, sondern vom Hersteller gestaltet. Die meisten Hersteller wollen im SMB wachsen und mit neuen Lösungsansätzen weiter in diesem Segment nach unten dringen. Dort brauchen sie Partner, wie uns Distributoren, die auch neue Themen aufnehmen. Wenn die Hersteller aber gleichzeitig nur noch über Preise gehen, werden sie diese Lösungen nie transportieren. Hierüber müssen sich die Distribution und die Hersteller gemeinsam dringend Gedanken machen.
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Früher verstanden die Händler die Distributoren als Lobby des Handels, heute haben immer mehr das Gefühl, dass die Broadliner die Lobby der Hersteller sind.
Adä: Wir sehen uns sehr klar als Schnittstelle zwischen Hersteller und Handel und als Sprachrohr für unsere Kunden. (bw)