Befördert. Was nun?

01.11.2006
Eine Beförderung zur Führungskraft aus dem Team heraus kann ungeahnte Hürden aufwerfen. Wie man die Herausforderung meistert, verrät Ihnen Coach Karl Heinz Lorenz.
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Eine Beförderung zur Führungskraft - das ist für die allermeisten Mitarbeiter ein Grund zur Freude. Zeigt es doch ganz unmittelbar die Wertschätzung des Unternehmens über das bisher Geleistete und das Vertrauen, auch in der Führungsaufgabe eine gute Figur abzugeben. Doch wie so oft, hat auch diese Medaille zwei Seiten. Denn gerade der Aufstieg aus dem Team heraus in die Teamleiterfunktion hinein kann ungeahnte Hürden aufwerfen.

Was Führen bedeutet

Um über das Führen in einem Unternehmen sprechen zu können, sollten wir zu Beginn eine Definition wagen: Führen heißt, andere Menschen in einer strukturierten Arbeitssituation dazu anzuleiten, betriebliche Aufgaben zu übernehmen und korrekt auszuführen und zwar auf eine Art und Weise, dass dabei von allen Beteiligten soziale/humane Werte und Regeln gewahrt werden.

Allein aus dieser einfachen Definition wird klar: Führen birgt Konfliktpotenziale in sich. Sachziele unter Zeit-, Kosten- und Qualitätsdruck zu verwirklichen, das bringt manchmal mit sich, gegen die persönlichen Interessen von Mitarbeitern und manchmal auch gegen die eigenen zu handeln.

Wenn die Kollegen zu Mitarbeitern werden

Als Teamkollegen wurden die internen Interessen, insbesondere die sozialen Aspekte, unmittelbar mit den anderen im Team ,auf gleicher Augenhöhe' geteilt. Auf dieser Ebene konnten relativ unbelastet Ansichten zum Unternehmen, zu Projekten, zu Veränderungen und natürlich auch zu Personen geäußert und erörtert werden. Freud und Leid, Arbeitslust und -frust konnten mit anderen in der Gruppe geteilt werden, ohne, auch bei kritischen Punkten, unmittelbar mit Konsequenzen rechnen zu müssen.

In der Führungsverantwortung bestehen diese Freiheiten nicht mehr im gleichen Umfang. Der Handlungsrahmen verändert sich, mehr Befugnisse kommen hinzu und plötzlich stehen einem Informationen zur Verfügung, die eben nur Führungskräfte erhalten und nicht mehr alle Mitarbeiter.

Eine neue Rolle, eine neue Perspektive

Teilt man nun diese Informationen mit den Kolleginnen und Kollegen, mit denen man vielleicht sogar privat befreundet ist? Stellt es einen Vertrauensbruch gegenüber dem Unternehmen dar, dies zu tun oder ist es menschlich gesehen falsch, es nicht zu tun? Nach welchen Gesichtspunkten wird die Arbeit verteilt und deren Resultate bewertet? Wie geht man als Vorgesetzter mit einem Mitarbeiter und früheren Kollegen um, von dessen Fehlverhalten man vorher als Teamkollege noch unter dem Siegel der Verschwiegenheit erfahren hat?

Eine Menge Fragen, die in der neuen Rolle schnell und korrekt beantwortet werden wollen.

Der wichtigste Schritt: Nehmen Sie die Herausforderung an und identifizieren Sie sich mit der neuen Rolle. Machen Sie sich die damit verbundenen Veränderungen bewusst. Es gilt, die eigenen Arbeitsabläufe und Gewohnheiten zu prüfen und neu zu ordnen. Welche Ihrer Sachaufgaben, die Sie vorher als Mitarbeiter hatten, bleiben bei Ihnen, welche sind abzugeben? Auch die Gesamtbelastung verändert sich meist. Je früher Sie eine gute Balance zwischen Beruf und Privatleben erreichen, desto erfolgreicher und gleichzeitig befriedigender werden Sie beides erleben.

So gewinnen Sie Ihr Team für sich

Ein Vorgesetzter hat ein anderes, meist erweitertes, Spektrum an Aufgaben zu bewältigen und mehr Verantwortung zu tragen. Dafür stehen ihm zu Recht mehr Entscheidungskompetenzen zur Verfügung. Nutzen Sie diese überlegt und in der Anfangsphase eher zurückhaltend. Zeigen Sie Ihren ehemaligen Teamkollegen (und Vorgesetzten!), dass Sie die notwendige Souveränität und Gelassenheit mitbringen. Allzu forsches oder sogar arrogantes Verhalten würde schnell dazu führen, die Einstellung Ihres Teams Ihnen gegenüber negativ zu färben.

Dennoch sollten Ihre Mitarbeiter und ehemaligen Kollegen auch spüren: Sie haben jetzt die Rolle des Vorgesetzten. Geben Sie klare Richtlinien vor, sofern dies gefordert ist. Zeigen Sie Entscheidungskompetenz und das notwendige dicke Fell, wenn auch einmal unbequeme Schritte eingeleitet und durchgesetzt werden müssen. Nichts mögen Mitarbeiter weniger, als die spürbare oder sogar sichtbare Orientierungslosigkeit und haltlose Weichheiten des direkten Vorgesetzten. Im Zweifelsfall gilt die Regel: Besser hart und gerecht, als weich und bequem.

Falls es Teamkollegen gibt, die Ihrer Beförderung kritisch oder ablehnend gegenüber stehen, suchen Sie das Gespräch. Versuchen Sie über die Solidarität mit dem gesteckten Zielen (für die Sache und das Unternehmen) und dem gemeinsamen Team ein konstruktives Miteinander zu erreichen. Machen Sie jedoch gleichzeitig klar, dass Sie von einer Zustimmung einzelner Kritiker im Team nicht abhängig sind und keine organisatorischen oder führungsmethodischen Sonderlösungen für diese installiert werden.

Im Management Profil zeigen

Ihre neuen Kollegen auf gleicher Ebene und Ihr eigener Vorgesetzter werden gespannt beobachten, wie souverän Sie mit der neuen Aufgabe fertig werden, ob die Entscheidung, Sie zu befördern, richtig war. Auch hier ist ein dezenter Rollenwechsel angesagt. Zeigen Sie, dass Sie in der Lage sind, eigene Akzente zu setzen, ohne wegen jeder Kleinigkeit, Ihren Chef um Autorisierung zu bitten.

Geschickterweise sollten Sie ihn jedoch proaktiv informieren. Das baut Solidarität auf und vermittelt Ihrem Vorgesetzten Sicherheit. Er kann Ihnen im Zweifelsfall mit Rat und Tat zur Seite stehen, ohne bereits gefällte, öffentlich gewordene Entscheidungen korrigieren zu müssen. Noch eine wichtige Sache: Bringen Sie erst Ihr eigenes Team zum Laufen und Ihre eigenen Projekte ins Reine, bevor Sie Verbesserungsvorschläge für die Verantwortungsbereiche Ihrer neuen Managementkollegen unterbreiten.

Die obligatorischen 100 Tage

Erfahrungsgemäß dauert es einige Wochen (man spricht häufig von "den 100 Tagen") bis sich alle an die Veränderungen gewöhnt und diese akzeptiert haben. Diese Zeit sollten Sie sich und Ihrem Team in jedem Fall gönnen. So steht der erfolgreichen Ausübung Ihrer neuen, verantwortungsvolleren Tätigkeit Tür und Tor offen. (Karl Heinz Lorenz/mf)