Jeder sucht seinen eigenen Profit und trägt damit zum Glück aller bei. In Zeiten globalisierter Märkte scheint dieses marktwirtschaftliche Grundprinzip seine Gültigkeit sukzessive zu verlieren. Die Wirtschaft entkoppelt sich zusehends von den Staaten und statt freier Märkte gibt es immer mehr Monopolisten wie Amazon, Facebook oder Google. Spielen diese ihre Marktmacht aus, ist von der Ordnungsökonomik, welche die Freiburger Schule einst im Sinn hatte, nicht mehr viel zu erkennen.
2016 hat Google seinen weltweiten Marktanteil bei den Suchmaschinen ein weiteres Mal ausgebaut – auf mittlerweile mehr als 91 Prozent. „Googeln“ ist längst zu einem Synonym für die Suche im Internet geworden und die Konkurrenz wie Bing, Yahoo oder Baidu versucht seit Jahren vergebens die Vormachtstellung des Tech-Riesen zu brechen. Auch Facebook spielt mit einem Marktanteil von rund 85 Prozent bei den Seitenaufrufen in einer anderen Liga als der Rest der Social Media-Dienste. Trotz einiger Verluste vor allem in der Altersgruppe unter 30, die verstärkt Bild- und Videodienste wie Instagram oder Snapchat nutzt, bleibt Facebook die wichtigste Werbe- und Marketingplattform im Internet.
Der Online-Handel wird mit weltweit 300 Millionen Kunden von Amazon beherrscht; allein 44 Millionen davon kommen aus Deutschland. Und auch beim Online-Bezahlen hat sich bereits ein Standard etabliert: PayPal zählt aktuell 192 Millionen Nutzer. Zahlen wie diese beeindrucken und bedrohen zugleich. Und nicht nur Wettbewerber fragen sich: Stellt die Vormachtstellung der Mammut-Konzerne eine Gefahr für den freien Markt dar?
Mehr Markt, weniger Wettbewerb
Es ist ein Faktum, dass die Globalisierung nicht zu mehr, sondern im Gegenteil zu weniger Wettbewerb führt. Es findet eine Machtverlagerung statt, von der einige Menschen und Unternehmen mehr profitieren als andere. Man könnte nun fragen, ob nicht genau diese Entwicklung Ausdruck des freien Marktes ist, ob das Prinzip von Angebot und Nachfrage nicht gerade in dieser monopolistischen Tendenz seine Entsprechung findet. Betrachtet man die mittel- und langfristigen Folgen, kann die Antwort nur schwerlich positiv ausfallen.
Beispiel Google: Unter dem Dach der Alphabet Inc. vereinen die Google-Gründer Page und Brin mittlerweile zahlreiche Tochterunternehmen wie den Forschungsbereich X, die Investment-Abteilung Google Ventures oder einen Gesundheits- und Wissenschaftsbereich. Zudem betreibt der Konzern das Videoportal YouTube und ist Anbieter des Smartphone-Betriebssystems Android. Google ist längst mehr als eine Suchmaschine. Und dem Wunsch nach Wachstum und dem Erschließen neuer Geschäftsfelder scheinen keine Grenzen gesetzt: So investiert Alphabet aktuell unter anderem in einen Drohnen-Lieferdienst, intelligente Kontaktlinsen für Diabetiker oder selbstfahrende Autos. In anderen Tochterfirmen widmet man sich Forschungen zum Alterungsprozess, der künstlichen Intelligenz oder der Verbesserung des urbanen Lebensraums.
Google bald allein auf weiter Flur?
Dieser Expansionswille ist es, der Google zur Bedrohung macht – besonders für andere Firmen. Als zweitwertvollstes Unternehmen der Welt (nach Apple) hat Google ausreichend Ressourcen, um diese in Forschung und Entwicklung zu investieren. Startups mit vielversprechenden Konzepten werden überdies entweder übernommen oder über Google Ventures mit aufgebaut.
Fernab des Kerngeschäfts werden damit neue Märkte erschlossen und die Zukunft des Unternehmens gesichert. Es ist davon auszugehen, dass der weitere Aufstieg von Google gleichbedeutend ist mit dem Abstieg zahlreicher anderer Firmen weltweit. Nicht nur die Autobauer verfolgen daher argwöhnisch die Pläne des engagierten Technologie-Riesens.
Manipulation, Datenklau und Steuerflucht
Eine solche Konzentration des Kapitals ist aus vielerlei Gründen problematisch; zuvorderst jedoch weil die damit verbundene Marktmacht ausgenutzt und kaum noch kontrolliert werden kann. Ein Beispiel dafür ist Googles Manipulation der Suchergebnisse. Nicht nur Verbraucherschützer klagen darüber, dass Google eigene Ergebnisse und Produkte bei der Websuche bevorzugt behandelt. Auch der Mechanismus der Auto-Vervollständigung steht immer wieder im Zentrum der Kritik.
Weit mehr noch echauffieren sich Datenschützer, Gerichte und Behörden jedoch über die systematische Missachtung der Datenschutzregeln. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen wirft Google unter anderem vor, persönliche Daten seiner Nutzer ohne Einwilligung auszuwerten, um diese für personalisierte Werbung zu nutzen.
Auch Facebook ist berühmt-berüchtigt für seine Sammelwut: Nahezu jede Netzaktivität wird verfolgt, archiviert und zum Teil an technische Dienstleister, Analysefirmen und Werbepartner weitergegeben. Und diese rechtswidrige Praxis endet nicht bei den Facebook-Mitgliedern; Nicht-Mitglieder werden ebenso erfasst.
Auch die Steuerpraktiken der Großkonzerne lassen darauf schließen, dass beinahe jedes Mittel recht ist, um den Gewinn zu steigern. Google schleust genau wie Apple oder Facebook jährlich Milliarden am Fiskus vorbei – zu Lasten des Gemeinwesens. Über Briefkastenfirmen in Steueroasen wie Irland, Luxemburg oder den Bahamas werden Rekordsummen verschoben und geparkt. So hat beispielsweise Apple ein Jahrzehnt lang auf einen Großteil der Verkäufe außerhalb der USA weniger als ein Prozent Steuern gezahlt. Auch Amazon macht mit einer durchaus kreativen Steuerpraxis immer wieder von sich reden und erntet damit sogar Kritik von höchster Stelle. US-Präsident Donald Trump twitterte bereits vor einem Jahr: „Würde Amazon angemessen Steuern zahlen, würde das Unternehmen in sich zusammenfallen wie eine Papiertüte“.
Was macht die Politik?
Wer hat die Macht, multinationale Großkonzerne zur Raison zu rufen, die den Datenhandel zu ihrem zentralen Geschäftsmodell erklären oder mit ihrer Steuerflucht die Gesellschaft untergraben? Die Augen richten sich natürlich auf die Politik. Eine Entscheidung der EU-Kommission aus dem vergangenen Jahr könnte hier Mut machen: Apple muss in Irland 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen. Doch die Reaktion der Iren macht das Ausmaß des Problems deutlich. Regierung und Parlament sind sich einig, lieber auf Apples Milliarden zu verzichten, als ausländische Investoren abzuschrecken. Eine von der EU-Kommission gesetzte Frist zum Eintreiben der fälligen Steuern ließen die Iren gerade verstreichen. Irland möchte seinen Wettbewerbsvorteil nicht verlieren.
Solange die Steuerschlupflöcher nicht gestopft sind und sich einzelne Staaten weiter auf Kosten anderer bereichern, ist der Steuervermeidung der Konzerne nicht beizukommen. Zudem fehlt es an einem globalen Schiedsrichter, der als Gegengewicht reguliert und kontrolliert. Das hat nicht zuletzt die Finanzkrise überdeutlich gezeigt. Doch weder die EU-Kommission, noch der Europäische Gerichtshof oder die Welthandelsorganisation sind mit ausreichend Gestaltungsmacht oder –wille ausgestattet, um diese Rolle einzunehmen.
Will man der globalen Wirtschaft Herr werden, braucht es globale Regeln einer globalen Organisation. International agierende Unternehmen tricksen mehr als die Betriebe, die nur in einem Land aktiv sind: Laut EU-Kommission zahlen sie dadurch rund 30 Prozent weniger Steuern. Auch deshalb wachsen die Branchenriesen schneller als ihre Wettbewerber. Und damit werden Monopole wahrscheinlicher. All dies bedeutet natürlich nicht das Ende des freien Marktes. Doch Google und Co. stellen eine ernsthafte Bedrohung für zahlreiche Unternehmen auf der ganzen Welt und die soziale Marktwirtschaft im Ganzen dar. Als einer der Väter des Kapitalismus wusste schon Adam Smith, dass kein Unternehmer den freien Markt liebt, sondern nur seine beherrschende Stellung darin.