Viele Reseller und Systemintegratoren erklären die Netzwerke ihrer Kunden oft voreilig "VoIP-ready". Sie vernachlässigen dabei die für Sprachübertragung benötigten Priorisierungsverfahren. Hier hilft nun eine VAF-Studie.
Die vom VAF Bundesverband Telekommunikation e.V. Ende Februar 2012 veröffentlichte VoIP-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die bisherigen Methoden zur Ermittlung von benötigten VoIP-Bandbreiten die tatsächlichen Anforderungen zum Teil drastisch unterschätzten. Denn viele als "VoIP-ready" deklarierte Netze sind zu gering dimensioniert und mit unzureichenden QoS-Mechanismen (Quality of Service) ausgerüstet.
Die vom VAF in Auftrag gegebene Studie wurde vom Stuttgarter Telekommunikationsexperten Prof. Dr. Gerd Siegmund erstellt. Er hat unter anderem herausgefunden, dass Qualitätsstörungen in falsch konzipierten Netzen nahezu unausweichlich seien, was aber bei der Planung oft nicht erkannt werde. Der Grund dafür sind Rechenverfahren, die die Besonderheiten der Telefonie in IP-Netzen nicht angemessen berücksichtigen. Dies zeigen auch Beispiele von aktuellen Ausschreibungen, die Siegmund zu Beginn der Studienerstellung im Frühsommer 2011 zur Begutachtung vorlagen.
Bis zu 30 VoIP-Kanäle
Für die VoIP-Modellierung wurde in der VoIP-Studie daher ein Referenzszenario benutzt, mit dessen Hilfe sich auch der Bandbreitenbedarf realitätsnah ermittelt lässt. Bei maximal 30 VoIP-Kanälen wurden unterschiedliche QoS-Methoden (VLAN, MPLS, DiffServ und Overprovisioning) zur Priorisierung der Sprachkommunikation angewandt. Bereits in einem optimistischen Szenario von nur fünf Prozent Datenlast für Sprachpakete in einem 2-Mbit/s-Netz sinkt das noch für VoIP nutzbare Spektrum auf 24 bis lediglich 7 VoIP-Kanäle. Die je nach QoS und Datenlast entstehenden Verluste werden von gängigen Abschätzungsverfahren nicht erkannt.
Zu den Ursachen gehört die irrtümliche Übertragung der aus der klassischen Telefonie zur Berechnung von Verkehrswerten bekannten Erlang-Formeln. Ebenso verbietet sich das Addieren von VoIP-Kanalbandbreiten in Bit/s, da Paketwartezeiten einberechnet werden müssen. Die Vermischung von großen Daten- und kleineren Sprachdatenpaketen erzeugt zusätzliche Verluste. Diese für die Performance maßgeblichen Effekte können nur durch eine geeignete Modellierung in Wartezeitsystemen quantitativ ermittelt werden.
VAFs VoIP-Studie ist für all die Systemhäuser interessant, die konvergente multimediale Netzwerkwerke bei ihren Kunden einführen wollen. Die darin enthaltenen Ergebnisse können zur Planung und Realisierung von VoIP-Systemen und zur korrekten Berechnung der tatsächlich benötigten Bandbreiten herangezogen werden. Ebenso lassen sich damit die QoS-Anforderungen realistisch ermitteln und dadurch präventiv Qualitätsstörungen im Wirkbetrieb vermeiden. Ohne diese Maßnahmen leidet die Qualität der Sprachübertragung in IP-Netzen erheblich, und sie wird vom Kunden so nicht mehr akzeptiert,
Ergänzend zur kostenlos auf der VAF-Website erhältlichen Studie offeriert der Verband ein digitales Kalkulationswerkzeug zur Berechnung der in VoIP-Netzwerken benötigten Bandbreiten. Die richtige Anwendung dieses Werkzeugs bringt der Verband interessierten Systemintegratoren in vier Workshops von Ende März bis Ende Mai 2012 bei. Diese ganztägigen VAF-Lehrgänge finden in Düsseldorf, Darmstadt, München und Leipzig statt. (rw)