Apples AppStore erfreut sich seit dem Start im März 2008 ungebrochen der Gunst der weltweiten Entwicklergemeinde. Rund 1,3 Millionen Apps sind aktuell auf dem Marktplatz abrufbar - und die Anwender greifen gerne zu. Das Modell funktioniert vor allem deshalb, weil es mobilen Usern erlaubt, direkt und einfach auf unterschiedliche Applikationen zuzugreifen, diese zu installieren und schnell zu nutzen. Gleichzeitig bietet der App Store Entwicklern eine einfache Vermarktungsplattform mit Millionen potenzieller Kunden.
Der Erfolg Apples rüttelte die ganze Software-Branche auf. Wettbewerber im Consumer-Umfeld versuchten nachzuziehen, doch der Abstand zum Klassenprimus ist noch immer gewaltig. Google kann laut Statista rund knapp eine Million Apps im eigenen Store anbieten, Microsoft kommt auf etwa 160.000. Im Business-Umfeld dürfte Salesforce.com mit immerhin 1.900 verfügbaren Anwendungen im AppExchange-Store die Nase vorn haben.
Von einem nachlassenden Interesse an Apps kann derzeit keine Rede sein - im Gegenteil: App Stores mit Angeboten für mobile User werden 2013 weltweit einen Umsatz von insgesamt 6,1 Milliarden Euro generieren, schätzen die Analysten von IHS Screen Digest Mobile Media Intelligence. Im Jahr 2016 sollen die Erlöse weiter klettern, auf dann 10,8 Milliarden Euro.
Unternehmen zögern
Sichtlich beeindruckt vom Erfolg mobiler Appstores im Consumer-Umfeld prophezeiten Marktauguren dem neuen Software-Bezugsmodell auch im Unternehmensbereich eine rosige Zukunft. Schließlich nutzen immer mehr Mitarbeiter mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets. Damit greifen viele aber nicht nur auf unternehmenseigene Anwendungen zu, sondern auch auf Apps aus öffentlichen Stores - mit allen damit einhergehenden Sicherheitsrisiken. Ein Alptraum für IT-Leiter, die darum ringen, wieder die Kontrolle über den wild wuchernden Applikationsdschungel zu erlangen.
Marktanalysten rechneten deshalb mit einem Boom von Enterprise-App-Stores. Denn die erlauben es Unternehmen, beiden Seiten gerecht zu werden: Mitarbeiter können selbstbestimmt auf eine breite Software-Palette zugreifen, gleichzeitig behält die IT die Kontrolle über Sicherheit und Kosten der im Unternehmen eingesetzten Anwendungen.
"2014 werden 60 Prozent der IT-Abteilungen private App Stores bereitstellen", orakelte Peter Sondergaard, Senior Vice President bei Gartner, im Oktober 2011. "Die Applikationen selbst werden ein Redesign erfahren - sie werden kontext-fähig sein und die Intention des Anwenders automatisch verstehen."
Doch der schnelle Durchbruch der Enterprise App Stores blieb bislang aus. In der Folge schraubten die Analysten ihre hoch gesteckten Erwartungen deutlich herunter. Lediglich 25 Prozent der Unternehmen werden laut Gartner 2017 einen Enterprise Appstore für die Verwaltung von Anwendungen auf PCs und Mobilgeräten im Einsatz haben.
Auch extern betriebene Enterprise Marktplätze haben in Unternehmen bislang kaum Fuß fassen können. HP-Manager Klaus Berle, der das HP Cloud Competence Center Deutschland leitet, zählte von vornherein zur Riege der Skeptiker und räumte dieser Art des Software-Bezugs nur eingeschränkte Chancen ein. "Diese Stores werden einer von mehreren Vertriebswegen für Cloud-Dienste sein. Sie werden im Geschäftskundensegment aber niemals die Bedeutung wie im Privatkundensegment erlangen", hatte er im Frühjahr 2012 erklärt. Er führte dies weniger auf das mangelnde Interesse der Anwender zurück. Vielmehr seien weder Software-Hersteller noch Systemhäuser daran interessiert, ihre Kundenbeziehungen an große Marktplatz-Betreiber abzutreten.
Obendrein benötigten Kunden Broker-Dienstleistungen, die weit über die bloße Marktplatzfunktion hinausgehen - beispielsweise für die Integration der Anwendungen, das Berechtigungs-Management und die Einbindung in die internen Verrechnungssysteme. "Es wird deshalb eine Vielzahl von Marktplätzen geben, die von Resellern, System- und Softwarehäusern, ergänzt um Integrations- und Beratungsdienstleistungen, angeboten werden - beispielsweise Community Clouds mit Diensten für bestimmte Branchen", so Berles Prognose. Große Anbieter müssten dezentrale Plattform-Konzepte anbieten, die es ihren Partnern ermöglichen, als Cloud-Broker für Kunden tätig zu sein.
Zurück in die Zukunft
In der Tat scheint sich die Einschätzung des HP-Managers zu bewahrheiten: Größere Unternehmen tendieren eher dazu, eigene hausinterne App Stores aufzubauen. "Ein Beispiel dafür sind App Stores, die jeweils die neuesten Releases der PC-Tools bereithalten, die im Unternehmen standardmäßig im Einsatz sind. Jeder Mitarbeiter kann sie selbst updaten. Eine Mitteilung im Intranet informiert sie über die Verfügbarkeit des neuen Release", berichtet Andree Stachowski, Vertriebsleiter für Cloud Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung der All for One Steeb AG.
Gleichzeitig versuchen Software-Entwickler und Independent Software Vendors (ISVs), sich mit eigenen App Stores zu etablieren. Manchmal geht beides Hand in Hand, wie das Beispiel Salesforce.com zeigt: 2006 richtete der Hersteller den "AppExchange" Software Store im Netz ein, der mittlerweile mehr als 1.900 Anwendungen umfasst. Für November kündigte Salesforce jetzt eine White-Label-Version an.
Auf Basis dieser "Salesforce Private App Exchange" könnten Unternehmen ihren eigenen, individuell zugeschnittenen AppStores betreiben - allerdings nicht als on-premise Variante, sondern nach wie vor im Netz auf Basis der Cloud-Infrastruktur von Salesforce.com. Im ersten Schritt unterstützt Private App Exchange ausschließlich webbasierte Anwendungen und mobile Endgeräte. Erst im Laufe des kommenden Jahres soll es darüber hinaus möglich sein, Applikationen auch auf Arbeitsplatzrechner herunterzuladen.
Für Khaled Chaar, Managing Director Business Strategy und Cloud Enabling bei Pironet NDH, haben diese Art App Stores allerdings kaum mehr etwas mit dem ursprünglichen App-Store-Modell gemein: "Echte App Stores sind eigentlich nur die der ganz Großen, also Apple, Google oder Microsoft. Hier werden Anwendungen aus der Public Cloud zentral bereitgestellt und aktualisiert. Das, was wir aktuell sehen, - also die zahlreichen App Stores kleinerer Anbieter oder Inhouse-App-Stores - sind im Prinzip nichts anderes als Link-Listen oder Download-Portale, die vom Grundgedanken eines App Stores stark abweichen."
Fujitsu verabschiedet sich vom Cloud Store
Die Entwicklung hin zu eigenständigen ISV-Stores auf der einen und unternehmensinternen Software-Portalen auf der anderen Seite hat nicht zuletzt Fujitsu kalt erwischt. Der Konzern hatte vor über zwei Jahren mit großem Engagement ein ambitioniertes eigenes App-Store-Projekt für seine Kunden gestartet. Aber: "Der App-Store-Markt hat sich anders entwickelt als erwartet", beschreibt ein Unternehmenssprecher die aktuelle Situation. Man werde sich aus diesem Geschäft zurückziehen, hieß es, Kunden und Partner allerdings nicht im Regen stehen lassen, wie das Unternehmen weiter betont. Fujitsu will die Rolle des Coud-Store-Betreibers aufgeben und sich künftig ganz auf die Funktion eines Enablers konzentrieren.
Die rund 100 am Cloud Store beteiligten ISVs wurden bereits über diese Entscheidung informiert. Sie können nach wie vor alle Tools, die Fujitsu im Cloud Store zur Verfügung stellte - beispielsweise zur SaaSifizierung ihrer Apps sowie zu Reporting und Abrechnung - weiterhin nutzen. Zudem lote man derzeit Möglichkeiten aus, um Partnern alle weiteren Tools, die für den Aufbau eines eigenen Stores nötig sind, zu übertragen.
Der Software-Support für die Anwender sei für die Zukunft ebenfalls gewährleistet, da alle Rahmenverträge ausschließlich zwischen ISV und Endkunde geschlossen wurden. "Wir werden niemanden vor den Kopf stoßen, das widerspräche unserer Firmenkultur und unserem Selbstverständnis als verlässlicher Partner", heißt es seitens Fujitsu.
Nach nur knapp zwei Jahren beendet Fujitsu damit sein Cloud-Store-Abenteuer. Im Gegensatz zu vielen anderen Anbietern hatte der Hersteller das Vertriebsmodell des Store von vornherein komplett auf die Belange des Channels zugeschnitten. Das Portfolio umfasste unter anderem Lösungen für das Dokumentenmanagement, Archivierung, ERP, HR und CRM - darunter auch eine von Fujitsu selbst entwickelte CRM-as-a-Service-Software für Mittelstandskunden. Endanwender konnten über den Cloud Store obendrein Infrastruktur-Ressourcen mit einer monatlichen Kündigungsfrist als Service beziehen. Berechnet wurde grundsätzlich nur, was der Kunde tatsächlich nutzte.
Cloud-basierte Apps dominieren
Die App Stores der großen Anbieter wie der SAP Store, der Enterprise Marketplace und Business Marketplace der Deutschen Telekom oder Microsofts App Store, eignen sich sowohl für Cloud-basierte Anwendungen als auch für On-Premise-Applikationen jeder Art.
Anwendern stehen hier in der Regel einheitliche Interfaces zur Verfügung, die alle Apps und Services aggregiert darstellen. "Vorteilhaft ist es, wenn die Anwendungen entweder ganz ohne Implementierungsprojekt oder relativ schnell, etwa über ein Rapid-Deployment-Paket, für die produktive Nutzung implementiert werden können", erklärt Dr. Wolfgang Faisst, Leiter SAP Store & Commercial Infrastructure Solution Management, bei SAP. Bei sehr erklärungsbedürftigen Produkten eigne sich der SAP Store allerdings nur als Distributionsplattform, jedoch nicht als echte Self Service Plattform, wie All-for-One-Manager Andree Stachowski anmerkt.
Der Enterprise Marketplace der Deutschen Telekom stellt vorrangig Cloud- und SaaS-Lösungen zur Verfügung. Cloud-fähige On-Premise-Applikationen ließen sich aber leicht migrieren und damit ebenfalls über den Marketplace bereitstellen, heißt es. Amazons AWS Marketplace wiederum unterstützt ausschließlich Cloud-basierte Technologien.
Vor- und Nachteile der B2B AppStores
Interne App Stores ermöglichen es Unternehmen, ihren Anwendern zusätzliche Applikationen als Self-Service-Angebot sofort bereitzustellen. Mit Hilfe externer App Stores wiederum können "Unternehmen in Ruhe aussuchen, welche Lösung zu ihnen passen, etwa über Navigation oder Freitextsuche nach bestimmten Kriterien wie Industrie, Funktion oder Lieferant. Sie können die Applikation selbst ausprobieren und kennenlernen - und das rund um die Uhr", führt SAP-Manager Faisst aus.
Außerdem lassen sich Online-Kompatibilitätschecks sehr einfach durchführen und Updates ohne Aufwand verteilen. Die Rahmenvertragskonditionen sind für gewöhnlich sehr übersichtlich gestaltet. "Der Anwender erhält zudem ein bekanntes Interface für die Nutzung von Anwendungen, egal welches Endgerät er verwendet", führt Christian Gehring, Lead of End User Computing, CEMEA bei VMWare, einen weiteren Vorteil ins Feld.
In der Regel sind keine speziellen Fachkenntnisse erforderlich, um die Applikationen zu betreiben.
Aus kaufmännischer Sicht spricht die nutzungsorientierte Abrechnung der Anwendungen für den Einsatz von App Stores. Die Grenzen des Modells liegen in der Limitierung des Angebots, da nur die im App Store eingespielten Applikationen für die Anwender zugänglich sind. Das Risiko, beim Bezug von Applikationen über externe App Stores die Kontrolle durch die interne IT zu umgehen, lässt sich mit hinterlegten Berechtigungen weitgehend ausschließen.
Anliegen der Unternehmen kommen zu kurz
Problematisch ist nach Ansicht von Jens Leuchters, Regional General Manager Central & East bei NTT Europe allerdings, dass Enterprise-Lösungen generell den Entwicklungen im Consumer Business folgen und damit viele Unternehmensbelange nicht genügend berücksichtigen. "Die Anforderungen an Unternehmensrichtlinien in Bezug auf Beschaffung, Freigabeprozesse und auch Abrechnung der Services an Kostenstellen, Single-Sign-on (SSO), Reporting ist beispielsweise in vielen Public Services nicht oder nur bedingt vorhanden beziehungsweise möglich", kritisiert er.
Diese mangelnde Orientierung an den Erfordernissen der Unternehmen ist zwar keineswegs ein spezifisches Problem der Enterprise App Stores. Sollten sich die Store-Betreiber aber der Behebung dieses Problems verschreiben, könnte das möglicherweise manche Unternehmenstür öffnen, die andernfalls verschlossen bliebe.